Kolumne zum Palmsonntag

Ein Staatsoberhaupt auf dem Traktor?

Was würden Sie denken, wenn Sie die Schlagzeile «Staatsoberhaupt fährt mit Traktor in die Hauptstadt ein» lesen würden? Müsste der nicht in einer Limousine zu fahren kommen? Aber der kommt daher wie ein normaler Bauer vom Lande... Die evangelisch-reformierte Pfarrerin Delia Zumbrunn-Richner hat sich zur Symbolkraft des Palmsonntags Gedanken gemacht.
Mann auf einem Traktor
Delia Zumbrunn-Richner (Bild: www.refkirche-spiez.ch)

Wenn ein Staatspräsident auf dem Traktor in Bern oder in Berlin einfahren würde, würde sich das Volk ziemlich wundern. Etwa so muss es auf die Menschen in Jerusalem vor rund 2000 Jahren gewirkt haben, als Jesus auf einem Esel in die Stadt eingeritten kam.

Ein Mann des Volkes

Dieser Jesus, der ein neues Reich aufrichten wollte, kam auf einem Esel, einem einfachen Arbeitstier der normalen Leute. Nicht wie die Römer hoch zu Pferd oder wie andere Würdenträger in einer Sänfte getragen von Sklaven. Nein, auf einem einfachen jungen Esel ritt Jesus in die Hauptstadt ein. Für die Leute war deutlich: Dieser Jesus war einer von ihnen. Und sein Reich war nicht ein Reich der Unterdrückung von oben nach unten, sondern ein Reich der Liebe von innen nach aussen.

Jesus ist den Menschen mit Liebe und Respekt begegnet und hat ihre Anliegen ernst genommen. Menschen wurden zu gesunden Menschen durch die Begegnung mit Jesus, der sie liebte und ihnen den Weg zu einer erfüllten Beziehung mit Gott, den Mitmenschen und mit sich selbst zeigte. Wer sich von ihm und seiner Botschaft berühren liess, wurde verändert. Und was innen neu wird, zeigt sich auch gegen aussen. Auf diese Weise hat Jesus ein neues Reich in diese Welt gebracht. Er selbst nennt es das «Reich Gottes». Dieses göttliche Reich wurde durch ihn in einem Menschen konkret, damit wir es verstehen können.

Ein Reich des Friedens

Dieses Reich ist noch heute für uns erlebbar. Es kommt nicht von oben zu uns, sondern von innen, und zeigt sich gegen aussen. So fordert uns Jesus auf, dass wir uns als geliebte Menschen Gottes anders verhalten. Nicht so, wie die weltlichen Reiche, sondern so wie es dem göttlichen Reich entspricht: «Liebt eure Feinde. Tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen. Betet für die, die euch beschimpfen.» (Lukas-Evangelium, Kapitel 6, Vers 27)

Stellen Sie sich vor, wie das Reich aussehen würde, in dem alle danach leben? Oder mit der «goldenen Regel» gesagt: «Genau so, wie ihr behandelt werden wollt, behandelt auch die anderen!» (Lukas-Evangelium, Kapitel 6, Vers 31)

Lasst uns heute und im Alltäglichen damit beginnen, auf dass dieses Reich des Friedens neu lebendig werden kann.

Zur Autorin

Delia Zumbrunn-Richner ist Pfarrerin der evangelisch-reformierten Landeskirche in Spiez (Pfarramt Hondrich).

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Datum: 27.03.2021
Autor: Delia Zumbrunn-Richner
Quelle: Sonntagsblatt des «Berner Oberländer»

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