Bibellesen

Das Alte Testament mit geistlichen Augen lesen

Ein dickes Buch über die „Bedeutung des Pentateuch", der fünf Mosebücher, macht in den USA Schlagzeilen. Weil der Autor John Sailhamer den Pentateuch - unbeirrt von allem destruktivem Gemurmel - auf Christus hin liest.
Moses
John Sailhamer

Sailhamer lehrt Altes Testament am Golden Gate Baptist Theological Seminary in Los Angeles und ist vor Jahren durch Bibel-Kommentare hervorgetreten. Das neue 610-seitige Buch „The Meaning of the Pentateuch " (IVP Academic, 2009) hat Aufsehen erregt; es tauchte vorübergehend unter den 100 Amazon-Bestsellern auf.

Im Interview mit dem Internetdienst von „Christianity Today" betont der Autor, dass ohne den Wunsch, den Pentateuch zu verstehen, seine Bedeutung für uns heute kaum klar wird. Für die meisten evangelischen Christen heute handelten die Mosebücher von Archäologie und antiker Geschichte - frühere Theologen hätten dagegen das das Alte Testament und besonders den Pentateuch als christliches Buch, als Buch über Christus gelesen.

„Sehen, wenn Christus da ist"

Sailhamer differenziert: Im Pentateuch als ganzem geht es um Christus, „aber das bedeutet nicht, dass Christus im ganzen Pentateuch ist". „Lernen, ihn zu sehen, wenn er da ist" ist wichtiger als „versuchen zu sehen, wenn er nicht da ist". Das Alte Testament, sagt Sailhamer seinen Studenten, soll nicht vergeistlicht (spiritualized) werden, „aber wir haben es mit geistlichen Augen zu lesen".

Der Theologe erinnert daran, dass Jesus und die Apostel mit dem Alten Testament predigten - und kein Neues hatten. Heute aber herrsche die Auffassung vor, dass das AT von Israel und das NT von der Kirche handle.

Den Autor ernst nehmen

Sailhamer fordert dazu auf, den Autor ernstzunehmen, um seiner Absicht auf die Spur zu kommen. „Wohin geht er mit seinem Text? Gibt es in seiner Komposition eine Strategie?" Sowohl in den Einzelheiten wie im Ganzen des Textes sei die Absicht des Autors zu entdecken. Die Teile und ihre Beziehungen zueinander ergeben erst einen schlüssigen Sinn.

Der Autor betont, dass die späteren Autoren des AT wesentlich dieselben Schriften hatten wie wir heute. „In ihren Anmerkungen können wir ihr Verlangen nach dem Kommen eines Retters, von Mose in den Gesängen des Pentateuch vorausgesagt, am klarsten erkennen." Für Sailhamer klingen manche Formulierungen in den Gesängen und spätere prophetische Ausdrücke zusammen (z.B. „in den letzten Tagen"). Und er stellt die kühne These auf: „Der Pentateuch blickt voraus auf einen künftigen neuen Bund in den letzten Tagen - eher als auf den vergangenen Sinaibund zu fokussieren." Prediger, Studenten und Bibelleser sollten einfach den Text lesen und sich fragen, was er ihnen sage - und was er von Jesus sage.

Die Tatsache, dass die Alttestamentliche Wissenschaft im letzten halben Jahrhundert einen dramatischen Zusammenbruch erlebt hat, lässt ihre Zukunft als ungewiss erscheinen. Niemand könne sagen, wohin die Reise geht. Dass nun auch Evangelicals für eine Übernahme bibelkritischer Ansätze plädierten, bedauert Sailhamer. Wie ganz zu Beginn gehe es immer noch und wieder neu um das Eine: was das Alte Testament über Christus sage.


Quelle: Livenet / Christianity Today

Datum: 15.01.2010
Autor: Peter Schmid

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