Zuviel Sonntag?

Zeit für – eine Rösslifahrt

Das wäre es doch: sieben Tage in der Woche, 24 Stunden am Tag einkaufen zu können! Sagen viele Konsumenten. In den USA gibt es die Supermärkte schon seit Jahrzehnten, die nicht schliessen. Es heisst, die nächtliche Bewachung sei teurer gewesen als der Dauerbetrieb – und Hungrige und Musikfans gibt es immer, die noch was einkaufen wollen.

In Mendrisio, im südlichsten Zipfel der Schweiz, steht gleich neben der Autobahn das Foxtown-Einkaufszentrum, das von Beginn weg mit dem Sonntagsverkauf Kunden anlocken durfte. Im ganzen Land boomen die Tankstellenläden. Die Angestellten, die früher an der Benzinkasse standen, haben heute auch Regale aufzufüllen. Gewerkschaftlich nicht organisiert, werden sie in vielen Unternehmen ausgenutzt. Überzeit ist unausweichlich, Stress gehört dazu. Die Läden sind kleine Goldgruben. Viele haben auch am Wochenende offen. Denn da ist die mobile Schweiz unterwegs, tankt und kauft ein.

Geschäfte in grösseren Bahnhöfen dürfen neu an Sonntagen öffnen. Als wären die Konsumenten (die doch über einen Kühlschrank verfügen) nicht mehr in der Lage, sich bis am Samstagnachmittag mit dem Nötigen einzudecken. Die Schweizer Kirchen haben sich eine Zeitlang erfolgreich gegen die Durchlöcherung der Ruhetagsregelungen gestemmt. Doch nun?

Der britische Ökonom Michael Schluter warnt eindringlich vor der Abschaffung des Sonntags. In Grossbritannien ist sie – wohl nach amerikanischem Vorbild – erfolgt, mit beängstigenden Folgen vor allem für Familien. Die Zeit, die Eltern mit ihren Kindern (ausserhalb der Shopping-Tempel) verbringen und kreativ gestalten, wird weniger. Viele ArbeitnehmerInnen können nicht mehr regelmässig zur Kirche gehen, auch wenn sie dies wünschen.

In Israel wird der siebte Tag, der am Freitagabend beginnende Sabbat, besser geschützt. So konsequent, dass auch der Hotellift im Sabbatmodus fährt: Wer nach oben will, muss keinen Knopf drücken – das wäre Arbeit. Der Lift fährt automatisch Etage um Etage in die Höhe und dann wieder herunter. Zeit haben am Sabbat ja alle…

Der Ruhetag nach sechs Werktagen ist eine der kostbarsten Errungenschaften der jüdisch-christlichen Zivilisation. Konsumlust und Profitgier dürfen sie nicht wegfegen. Erst recht nicht in der Zeit, da der Stress am Arbeitsplatz zunehmend Männer und Frauen krank macht (die Politiker diskutieren die Gründe für die starke Zunahme der IV-Rentner aus psychischen Gründen…).

Wir brauchen den Sonntag mehr denn je. Und tun gut daran, seinem tieferen Sinn nachzuspüren. Den eigentlichen Anhalt findet er in der Mitteilung des Gottes, der aus dem Feuer zu Mose sprach. Er sagte dem Führer der Israeliten, dass er selbst auch geruht habe nach sechs Tagen Arbeit. Das Volk solle es ihm gleichtun.

Das Gebot (2. Mose 20) enthält diese Begründung und zudem die detaillierte Weisung, dass weder Kinder noch Bedienstete, weder Fremde noch Nutztiere arbeiten dürfen. Im Raum, wo Gottes Gebote gelten, haben alle Anrecht auf den Ruhetag; die Arbeit darf nicht auf die sozial Schwächeren abgeschoben werden.

Als Gott Himmel und Erde und ihre Lebewesen erschuf, ruhte er am siebten Tag. Nicht weniger brauchen wir diese Ruhepause, um schöpferisch tätig sein zu können. – Geniessen Sie den Sonntag!

Datum: 30.10.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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