Der Glaube ist los!

Nicht jedes starke Gefühl ist vom Heiligen Geist gewirkt. Zu einem gesunden Glaubensleben gehörten auch intellektuelles Durchdringen und Treue. Bild: Taube auf einem Kreuz

In der religiösen Szene der heutigen Ego-Kultur blühen Tausende von privaten Glaubensformen: Mikroreligionen, hausgemachte Spiritualität, City-Kulte, schräge Kombinationen aus Pseudowissenschaften... Was ist los? Das Spiegel Magazin bezeichnet es so: "Der Glaube ist los". Was aber ist echter Glaube?

Religion ist plötzlich wieder "in". Vermutlich, weil sie etwas im Angebot hat, was jenen fehlt, die schon fast alles erlebt und konsumiert haben. Was aber vielleicht auf den ersten Blick aussieht wie der Ausstieg aus der Überdrehtheit des städtischen Erlebnismarktes, erweist sich nicht selten auf den zweiten Blick als dessen Fortsetzung.

Das spirituelle Gefühl

Auch in christlichen Kreisen geht die Laufkundschaft vor allem dorthin, wo etwas "los ist", und die religiöse Nachfrage ist vom Interesse an einer Spiritualität bestimmt, die sich von intensiven Erlebnissen nährt. Wichtiger als die gesellschaftlichen Konsequenzen gelebten Glaubens sind ihre Auswirkungen auf den psychischen Haushalt des Einzelnen. Gemeindezugehörigkeit, Gottesdienste und spirituelle Handlungen sind dann nur insoweit relevant, als sie eine bestimmte Wirkung im Praktizierenden hervorrufen: ein gutes Gefühl, Betroffenheit, Ergriffenheit oder gute Stimmung.

Entscheidend ist daher nicht mehr der im Erleben erschlossene Inhalt, sondern das blosse Ergriffenwerden.

Sehnsucht nach authentischer Erfahrung

Dahinter liegen Sehnsüchte. Tief hinter allem oberflächlichen Erleben-Wollen steckt die Sehnsucht nach authentischer Erfahrung und nach Transzendenz. Daher werden christliche Glaubensformen, die ein Wissen von Gott bloss behaupten, ohne Wege zu zeigen, wie das Gelehrte auch erfahren werden kann, vermutlich mangels "Kundschaft" aussterben.

Gemeinden und Bewegungen, die vom Dogma und der Moral leben und den Glauben nicht so vermitteln, dass er zur lebensverändernden Erfahrungen wird, sind ganz klar "out". Gefragt sind Angebote, die zu einer neuen Erfahrung führen und die ein Berührtwerden durch die Gegenwart Gottes zulassen und fördern. Kurz: Gefragt sind Angebote, die zu einer gesunden spirituellen Praxis führen.

Wem gehört die Zukunft?

Auch wenn die Gegenwart der Erlebnisspiritualität gehört, ist es zumindest fragwürdig, ob ihr auch die Zukunft gehören wird. Denn nicht jedes Entspannungsgefühl ist identisch mit dem geistgewirkten Wissen um das Angenommensein bei Gott, und nicht jedes starke Gefühl ist vom Heiligen Geist gewirkt.

Erlebnisspiritualität muss daher immer auch mit der gedanklichen Verarbeitung und Beurteilung einher gehen, wenn sie nicht bloss Eingebildetem und daher Kraftlosem enttäuscht werden soll.

Gedankenlose religiöse Praxis dient den Menschen nicht. Das Denken muss gerade in der heutigen spirituellen Welle unterscheiden helfen, ob nicht Menschliches als Göttliches ausgegeben wird. Denn das Menschliche allein wird unsere Sehnsucht nie stillen können. Wir sind für mehr geschaffen und sollten uns daher mit nichts weniger als der echten Liebe Gottes zufrieden geben.

Lebensverändernd kann die beste Spiritualität immer nur wirken, wenn sie durch treue und verbindliche Ausübung zu einer neuen Lebenshaltung führt. Das Leben mit Gott und alle Glaubenspraxis ist kein Spiel, das man weglegt, wenn man nicht gerade am Gewinnen ist. Zu einem gesunden Glaubensleben gehörten auch intellektuelles Durchdringen und Treue.

Gekürzt: Livenet, Antoinette Lüchinger

Autor: Felix Ruther

Datum: 29.02.2004
Quelle: Bausteine/VBG

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