Kirchliche Plakatkampagne: "Was sind Ihnen Ihre Werte wert?"

Power
Party

Fussballtrikots, Anzüge oder Ballkleider, die an einem Kleiderbügel hängend an ein Kreuz erinnern, sollen Passanten anregen, über den Sinn ihres Lebens nachzudenken.

„Was sind Ihnen Ihre Werte wert?“ Wer zwischen 25 und 45 Jahre alt ist und sich den Kopf über diese Frage noch nicht allzu oft zerbrochen hat, darf sich zu den "Distanzierten" und "Kirchenfernen" zählen, welche die reformierten Kirchen der Nordwestschweiz mit ihrer neuen Öffentlichkeitskampagne ansprechen wollen.

"Ist Party alles, woran Sie glauben?": Fragen dieser Art prangen seit gestern in den Kantonen Aargau, Solothurn, Baselland und Basel-Stadt auf Plakatwänden. Darunter in zwei Zeilen "Die Reformierten. Wo Gott und die Welt sich treffen. "God is a DJ. Life is a dancefloor" und ähnliche Sprüche lassen sich zudem für 50 Rappen per SMS auf das Handy laden.

Das eigene Profil betonen

Was wollen die Kirchen mit diesen plakativen Slogans erreichen? Dazu meint Claudia Bandixen, reformierte Aargauer Kirchenratspräsidentin: "Die Plakate sollen Denkanstösse geben und Gespräche anregen über Themen, bei denen es manchmal schwer ist, sie überhaupt anzusprechen. Reklameplakate sind eine Sprache, die heute besser als viele andere verstanden wird."

Mit den Plakaten werden der Motorradfahrer, die Managerin oder der Fussballfan daran erinnert, "dass es nicht nur, die in den Medien allgegenwärtige römisch-katholische Kirche gibt (Papst, Bischöfe) sondern auch eine eigenständige reformierte Kirche, die eine andere Identität und Kultur hat und zu vielen gesellschaftlichen Fragen andere Meinungen vertritt als die römisch-katholische."

Der Wert der Werte

Karten sind neben den Plakaten und den SMS-Slogans ein weiteres Element der 250’000 Schweizer Franken teuren Kampagne. Sie erzählen die Geschichten von Menschen wie Marc und Leonie. Marc, ein Motorradfreak, der den Geschwindigkeitsrausch liebt, rast während der Passfahrt in ein Mädchen und überschlägt sich mehrfach. Erst im Krankenhaus kommt er wieder zu sich. Er merkt, dass es das Schicksal gut mit ihm gemeint hat.

Die Lottogewinnerin Leonie muss dagegen keine Grenzerfahrung machen, um den Sinn im Leben zu finden. Fünfstern-Hotels und Flüge in der First Class hat sie gegen drei Kinderheime in Mexiko eingetauscht, in denen sie dreihundert Kindern ein Dach über dem Kopf bietet. Eine Aufgabe, bei der sie ihr Glück gefunden hat.

Mit solchen Geschichten will die Kampagne Mitglieder der reformierten Kirchen ansprechen, die viel von schnellen Autos, durchtanzten Nächten, oder grossen Karrieresprüngen wissen wollen, aber wenig von Werten, Sinn und Gott. Der Mensch sei nämlich mehr als "Erfolg, Genuss, Schönheit oder Gesundheit".

Warum der Menschen wertvoll ist

Mitinitiantin Claudia Bandixen formuliert es so: "Der Mensch ist darum wertvoll, weil er Mensch ist, einer wie der andere von Gott geschaffen. Und der eine ist nicht etwas mehr von Gott geschaffen und der andere ein bisschen weniger. Darum sind Genuss, Karriere, Feiern schon recht, aber sie bestimmen nicht über den Wert eines Lebens."

Und was, wenn die angesprochen "Kirchenfernen" und "Distanzierten" die kirchlichen Slogans als moralisierend empfinden und sich verunglimpft fühlen? Bandixen rechnet durchaus mit solchen Reaktionen, weist aber zugleich darauf hin, dass eine erfolgreiche Kampagne provozieren muss, wenn sie wahrgenommen werden will.

Es gehe auf keinen Fall darum, die Menschen zu belehren und ihnen vorzuschreiben, an was sie zu glauben hätten. Die Plakate, Slogans und SMS wollten einfach darauf hinweisen, dass der Auftrag der reformierten Kirche ja darin besteht, "die wesentlichen Fragen nach dem Leben und dem Sinn zu stellen - Fragen, die jeden Menschen jederzeit angehen, die auf die Mitte des Lebens zielen."

König Fussball als Ersatzreligion

Urs Meier, bis letztes Jahr Profischiedsrichter im Fussball, unterstützt die kirchliche Werbekampagne. Wie der Aargauer am Donnerstag während der Projektpräsentation gegenüber den Medien betonte, gibt es für ihn im Leben noch mehr als die Jagd nach dem runden Leder. Doch für viele Fans sei der Fussballklub schon eine Art Religion. "Viele Fans vergessen, dass Fussball nicht alles im Leben ist."

Wie Urs Meier so unterstützt auch der Schweizerische Fussballverband die Aktionen der reformierten Kirchen, zumindest indirekt. Er gab nämlich den Kirchen die Erlaubnis, die Plakate mit dem rotweissroten Trikot der Nationalmannschaft, und zwar der Nummer 9, zu schmücken. Ob der Träger dieser Nummer, Torjäger Alex Frei, an mehr als Fussball glaubt, ist uns allerdings nicht bekannt.

Datum: 30.08.2005
Quelle: Kipa

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