Passah in Ex-Warschau-Ghetto

«Wir sind wieder hier!»

76 Jahre nach der letzten Passah-Feier im Jahr 1943 feierten Juden im ehemaligen Warschauer Ghetto die Sederfeier. Bei diesem bewegenden Fest waren Juden aus Europa, Israel und den USA dabei. «Ich bin mit der nächsten Generation hier», sagte eine Teilnehmerin.
Projektion der alten Warschauer Synagoge
Mit gelben Narzissen: Gedenken an den Aufstand im Warschauer Ghetto

«Jerusalem Online» berichtet von «einem sehr emotionalen Ereignis». Dort, wo einst Juden im Ghetto in Warschau zusammengedrängt wurden, feierten nun Juden aus aller Welt erstmals nach 1943 wieder das Passah-Fest.

Rabbi Shalom Stambler, der Oberrabbiner von Polen, empfing Familien von Vermissten oder Überlebenden des Ghettos. Viele der Anwesenden haben ihre Familie oder einen Teil davon im Holocaust verloren. Er richtete die Feier gemeinsam mit seinem 13-jährigen Sohn Yossi aus.

Rabbi Stambler sprach von einem geistlichen Triumph, bei dem «das jüdische Fest der Erlösung» gefeiert worden ist. Mit dabei waren Mitglieder der Familie Szpielman, deren Onkel Vlaidslav ein weltberühmter Pianist war; seine Geschichte wurde 2003 im Film «Der Pianist» erzählt.

«Ich fühlte mich wie eine Siegerin»

Reuven Ben-Shem Feldschuh überlebte den Krieg und wanderte nach Israel aus. Seine 800-seitige Chronik wird derzeit in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem transkribiert. Durch ihren umfassenden Charakter gilt sein Werk als wegweisende Aufzeichnung der Ghetto-Geschichte. In Israel traf Feldschuh seine zweite Frau.

Die Tochter des Paars, die Pianistin Sharon Ben-Shem Da Silva, war ebenfalls bei der Passah-Feier in Warschau dabei. «Ich fühlte mich wie ein Siegerin… Ich bin mit der nächsten Generation hier – mit meiner Tochter. Wir hatten das Gefühl, etwas Unglaubliches zu tun und dass unsere Vorfahren uns wirklich stolz ansahen und sagten: 'Wir sind wieder hier.'»

Die Tante von Sharon Ben-Shem starb während des Aufstands im Ghetto. Sie galt als Wunderkind. Sharon erklärt: «Josima Feldschuh, die berühmte junge Pianistin aus dem Warschauer Ghetto, war meine Tante. Sie starb am 21. April 1943, kurz vor ihrem vierzehnten Geburtstag. Ihre letzte Mahlzeit war das Passahmal 1943.»

Mehr als symbolische Bedeutung

Die Feier erfolgte auf den Tag genau 76 Jahre, nachdem die dort inhaftierten Juden einen letzten Widerstand gegen die Nazis begonnen hatten. Der Kampf, der am 19. April 1943 begann, wurde als Warschauer Ghettoaufstand bezeichnet und führte dazu, dass die Juden fast einen Monat lang die Kontrolle über das Ghetto hatten, bis es von SS-geführten deutschen Streitkräften systematisch Block für Block niedergebrannt wurde.

Den rund 100 polnischen Juden schlossen sich jetzt 300 weitere aus Europa, Israel und den USA an. Alan Stankowski, Direktor des Warschauer Ghetto-Museums, das 2023 eröffnet werden soll, sagte, die Zeremonie habe mehr als nur symbolische Bedeutung.

Bild von Synagoge projiziert

Um die polnische Hauptstadt herum hefteten die Bewohner am vergangenen Freitag gelbe Papier-Narzissen an ihre Kleidung, um an den Jahrestag des Aufstands zu erinnern und der drei Millionen polnischer Juden zu gedenken, die im Holocaust ermordet wurden.

Die Grosse Synagoge von Warschau, die die Nazis in einem letzten symbolischen Akt in die Luft jagten, als sie den Aufstand beendeten, wurde auch am Vorabend des Jahrestages in Erinnerung gerufen. Zwei Stunden lang wurde am Donnerstagabend ein Bild der Synagoge auf das moderne Glasgebäude projiziert, das sich heute an der Stelle befindet, an der die Synagoge einst stand.

Datum: 24.04.2019
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch / infochretienne.com / Jerusalem Online / Times of Israel

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