Wenn ein Kind weniger gilt als eine Flasche Mineralwasser: Indien lässt Arme hungern

Diese Mädchen im Slum in Bangalore haben es gut: Sie werden von Operation Mobilisation betreut.

Sumitra Behera lebt in einem Dorf im ost-indischen Gliedstaat Orissa. Um ihre zwei älteren Töchter Urbashi (10) und Banbasi (2) durchzubringen, verkaufte sie ihr neugeborenes Baby für zehn Rupien. Sumitra ist kein Einzelfall: Im Dezember 2003 verkauften nach Berichten drei weitere hungernde Familien in den Dörfern Angul, Puri und Keonjhar ihre Kinder. Der Ernährungsexperte Devinder Sharma: „Sie können heute ein Kind billiger kaufen als eine Flasche Mineralwasser.“

Schätzungsweise eine Viertelmilliarde (!) Inder legt sich am Abend hungrig nieder; und diese Zahl nimmt zu. In einem Artikel, der auf die Webseite des sozialkritischen Wochenmagazins ‚Outlook India’ aufgeschaltet wurde, betont Sharma, dass die Regierung auf einem Getreideberg sitzt. Der Hunger trifft nicht ganze Gebiete, aber Arme da und dort.

Die Christen in Indien haben mit Tausenden von Schulen und Kliniken in den letzten Jahrzehnten viel zur Entwicklung der ärmsten Gebiete beigetragen. Das reicht aber nicht, wenn anderseits Tausende von staatlichen Dorfschulen ohne Lehrer sind.

Es gibt zwar ein staatliches Verteilungssystem für Nahrungsmittel, aber dieses funktioniert nicht überall – und die Verachtung der Kastenlosen und Stammesvölker tut ein Übriges. Die Mächtigen scheuten sich nicht, im Jahr 2002 17 Millionen Tonnen Getreide, das für die Bedürftigen bestimmt war, zu Schleuderpreisen ins Ausland zu verkaufen.

Devinder Sharma erinnert daran, dass vor zwanzig Jahren der Verkauf eines minderjährigen Mädchens aus Orissa die indische Öffenlichkeit schockierte. Ein waghalsiger Reporter riskierte damals sein Leben, als er die Praktiken im Menschenhandel recherchierte und für 2000 Rupien eine Frau kaufte. Heute werde ein Babyverkauf für 10 Rupien offensichtlich nicht mehr als Skandal empfunden.

Die schrecklichen Seiten der Armut werden in Indien allzugern verdrängt, denn die wachsende Wirtschaft erzeugt eine gute Stimmung. DaimlerChrysler will nächstens das teuerste Auto der Welt vorstellen – in Indien. Den Boom will sich auch die auf Unionsebene herrschende BJP-Partei zunutze machen – mit vorgezogenen Parlamentswahlen im April.

Weiterer Artikel über Indien am Montag

Artikel im Outlook-Magazin: www.outlookindia.com/full.asp?fodname=20040205&fname=devinder&sid=1

Datum: 13.02.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

Werbung
Livenet Service
Werbung