Riesiges Rotlichtviertel

Wer schafft den Frauen von Kamathipura würdige Arbeit?

Anlässlich des Weltsozialforums in der indischen Handels- und Filmmetropole Mumbai (Bombay) haben 50 junge Delegierte auf Einladung des Ökumenischen Rats der Kirchen das riesige Rotlichtviertel Kamathipura besucht. Wenn man einem Bericht der indischen Journalistin Binu Alex Glauben schenken kann, bieten allein in der Hauptstrasse über 100'000 Prostituierte ihre Dienste an; die Konkurrenz verleitet zu aggressivem Werben um Kunden. In Kamathipura ist es verboten, zu filmen oder zu fotografieren.
Frauen im Rotlichtviertel Kamathipura

Laut Binu Alex haben die Dirnen „neben ihrer Arbeit im Elend von Kamathipura kaum Zeit, sich um ihre verwahrlosten Kinder zu kümmern. Sie sind den ganzen Tag voll damit beschäftigt, aggressiv um Kunden zu werben. Wie alle Mütter träumen sie von einer besseren. Aber die meisten der jungen Mädchen treten in die Fussstapfen der Mütter und die Jungen werden Zuhälter wie ihre unbekannten Väter.“

Schon vor 1800 kam die erste Gruppe von Kamathis, nach denen der Stadttteil benannt ist, nach Mumbai. Sie waren Migranten aus dem südindischen Staat Andhra Pradesh und suchten Arbeit. „Ihr Wohngebiet entwickelte sich nach und nach zum Rotlichtviertel der Stadt. Ende des neunzehnten Jahrhunderts war ihr Schicksal besiegelt.“

Jedes Jahr kommen Tausende von Frauen auf der Suche nach Arbeit in Mumbai an; viele landen in diesem Stadtteil. Manche stammen aus dem weit entfernten Nepal und wurden hierher verkauft. (Ob dieser Mädchenhandel der Globalisierung angelastet werden kann, wie das der Artikel tut, ist allerdings fraglich – er fand lange vor der Öffnung Indiens zur WTO hin statt und hat kulturelle und soziale Ursachen: die Verachtung von Frauen im Hinduismus, die Verzweiflung und Gutgläubigkeit von armen Eltern und das gewaltige Machtgefälle zwischen den Kasten.)

Eine Prostituierte namens Minakshi junior klagt über schlechten Verdienst – bei sehr hoher Gefahr für die Gesundheit: “Aids hat unser Geschäft kaputt gemacht. Für nur 10 Rupien (0,22 US-Dollar) müssen wir uns an Männer verkaufen, die nicht gerade Vertrauen erweckend sind». Während Minakshi junior, eine Mittdreissigerin, an der Strassenecke zu tun hat, ist Minakshi senior, die einige Jahre älter ist, in ihre Heimatstadt in Nepal zurückgekehrt, um ihren älteren Sohn in der zehnten Klasse anzumelden.

Laut dem Bericht bestimmen billige Restaurants, illegal gebaute Hütten, Strassenverkäufer, Müll, der überall herumliegt, und lange Autoschlangen das Strassenbild in Kamathipura. Harish Rao, ein Zuhälter, will wissen, wer die jungen Besucher der ÖRK-Gruppe waren. «Christen! Oh, das sind gute Leute, aber sie können uns nicht helfen.» Rao weiss von Entwicklungsprogrammen, die Frauen und Kindern in Kamathipura helfen wollen, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen.

Er weist auf ein Grundproblem Indiens hin, dessen Städte von Arbeitsuchenden überschwemmt werden: «Wie wär's, wenn man einer Gemeinschaft, die bisher nur eine Einnahmequelle kennt, alternative Einkommensmöglichkeiten bieten würde?» Ansätze dazu gibt es: Die Sozialarbeiterin Leena Vaidya arbeitet seit drei Jahren in Kamathipura, um Frauen und Kindern ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Datum: 22.01.2004
Quelle: Kipa

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