Haltlose Verleumdungen

Explosive Weihnachtstage auf Sri Lanka

Die Christen auf Sri Lanka haben Tage voller Angst und Ungewissheit hinter sich. Der Tod eines führenden buddhistischen Mönchs auf einer Russlandreise wurde ihnen angelastet, was in den Weihnachtstagen zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Kirchen führte.
Buddhistische Mönche

Seit über einem Jahr stehen die evangelischen Christen in Sri Lanka unter starkem Druck. Buddhistische Organisationen verleumden sie in den Medien. Den Christen wird vorgeworfen, Buddhisten auf unehrliche Weise zu veranlassen, Christen zu werden. Es heisst gar, Organisationen böten ihnen für den Übertritt Geld an.

So unbegründet die Anschuldigungen auch sind, haben sie doch ein immer gespannteres Klima erzeugt. Dazu trug auch das Gesetz bei, mit dem der benachbarte indische Gliedstaat Tamil Nadu im Herbst 2002 den Übertritt zu einer anderen Religion stark erschwerte. Buddhistische Politiker haben ein solches Gesetz auch für Sri Lanka gefordert und mehrmals eine Vorlage ins Parlament einzubringen versucht.

Tod durch Herzversagen

Die Angriffe auf christliche Kirchen und Pastoren häuften sich in den letzten Monaten. Kurz vor Weihnachten verschärfte sich die Lage der Minderheit nochmals massiv, als einer der prominentesten buddhistischen Mönche Sri Lankas während eines Besuchs in Russland an einem Herzversagen starb.

Der 56-jährige Gangoavla Soma Thero sollte dort eine Auszeichnung entgegennehmen. Der Tod des Mönchs war ein Schock für das ganze Land. Er gehörte zu den führenden Sprechern der buddhistischen Nationalisten Sri Lankas. Im Fernsehen wetterte er gegen die Christen, deren Zahl auf der Teeinsel in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat.

Haltlose Verleumdungen

Zur Kremierung Theros am 24. Dezember versammelten sich im Zentrum von Colombo nach Berichten gegen 200'000 Menschen. Zuvor hatte der Oberste Rat der Mönche sein Misstrauen betreffend der Todesursache ausgedrückt; die einflussreiche Nationalisten-Organisation verlangte eine Untersuchung. Obwohl die Obduktion den natürlichen Tod des herzkranken Buddhistenführers bestätigte, wurden weiterhin unsinnige Gerüchte verbreitet.

Auf Plakaten, in Zeitungen und Webseiten wurde gar eine christliche Verschwörung zur Theros Ermordung unterstellt. Die wilden Anschuldigungen führten in den Tagen vor dem christlichen Fest zu einer explosiven Situation im Land, das aus dem religiös gefärbten 20-jährigen Bürgerkrieg zwischen Singalesen und Tamilen herauszufinden sucht. Die Christen sandten dringende Gebetsappelle ins Ausland.

Im Schatten des Machtkampfs

Das öffentliche Leben steht seit November im Zeichen des Machtkampfs zwischen Staatspräsidentin Chandrika Kumaratunga und Premierminister Ranil Wickramasinghe. Die Präsidentin forderte die Polizei auf, gegen alle Gewalttäter entschieden vorzugehen, doch aufgrund des Drucks buddhistischer Organisationen drücken manche Beamte, gerade in Dörfern und in der Nähe buddhistischer Zentren, beide Augen zu. Laut einem Bericht werden geschädigte Christen nicht selten selbst angeklagt, wenn sie nach einem Übergriff bei der Polizei Anzeige erstatten!

Die Befürchtungen der Christen im Vorfeld der auf Heiligabend angesetzten Kremation waren nicht ohne Grund: Schon am Sonntag, 21. Dezember, wurden mindestens sechs Kirchen angegriffen. Um den Fanatikern jeden möglichen Anlass zu Gewaltakten zu nehmen, verschoben manche Gemeinden im Land ihre Weihnachtsfeiern oder führten sie im familiären Rahmen durch. Trotzdem flogen nach der Kremation Steine auf Kirchen; ein Überblick über das Ausmass der Gewalt ist nicht möglich.

Kein Weihnachtsgottesdienst

Ein Christ schrieb am Weihnachtstag: „Einige Kirchen mussten in den Stunden nach der Kremierung am Abend des 24. Dezembers mit Attacken rechnen; dazu gehörten auch wir. Unsere Kirche, die sich gleich neben unserem Haus befindet, wurde gestern Abend mit Steinen beworfen. Auch gegen unser Haus flogen Steine. Wegen dieser unvermittelten Attacke waren wir in grosser Angst. Die Familie des Pastors und unsere Familie fanden die ganze Nacht keinen Schlaf.“

Weiter heisst es in der Nachricht: „Wir konnten unter diesen Umständen keinen Weihnachtsgottesdienst durchführen. Die Glieder unserer Gemeinde haben stattdessen uns besucht. Einige von der Gemeinde trafen sich in der Kirche und beteten am Abend eine Stunde lang miteinander. Nun steht eine Polizeiwache vor der Kirche und unserem Haus; beide Gebäude wurden glücklicherweise nicht ernsthaft beschädigt. Bitte betet weiter für uns und die anderen Gemeinden.“

Neue Gewaltausbrüche in der Altsjahrswoche

In den folgenden Tagen blieb es ruhig. Die Wache wurde abgezogen. Doch am Sonntag, 28. Dezember gingen erneut Fanatiker auf die Strasse: Laut einem Bericht stürmte eine wütende Menge, begleitet von buddhistischen Priestern, eine evangelische Kirche in Meegoda und zerstörte sie. Am Abend überfielen buddhistische Fanatiker eine Kirche in Maharagama. Das Fernsehen berichtete über diese Aktionen. Die Pastoren der Gemeinden riefen die Polizei auf, die verhafteten Angreifer nicht zu bestrafen, sondern laufen zu lassen.

In Meegoda wurden laut dem Bericht auch zwei katholische Kirchen verwüstet; dies war zuvor nie geschehen. Die katholischen Bischöfe haben in Erklärungen, die in Zeitungen veröffentlicht wurden, evangelische Freikirchen für die Unruhen verantwortlich gemacht. Der Grund dafür könnte sein, dass in den letzten Jahren Zehntausende von Katholiken in solche Gemeinden gewechselt haben. Sri Lankas Bevölkerung von 19 Millionen ist zu 70 Prozent buddhistisch; der Anteil der Christen hat 7,5 Prozent erreicht.

Die bedrohten Christen in Sri Lanka bitten die weltweite christliche Gemeinschaft um Gebet, damit die Welle des Hasses verebbt und das Land zur Ruhe kommt.

Datum: 07.01.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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