Neues Ehegesetz: Gewinnen die Chinesen Privatsphäre?

Bislang konnte die Staatspartei in China sogar eine Heirat verhindern.
Hochzeit

Die chinesische Führung sucht mit einem neuen Ehegesetz dem sozialen Wandel zu steuern. Dies dürfte dem prüden China dramatische Umwälzungen bringen, meint der ‚Spiegel online’.

Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei segnete im Oktober Änderungen der Staatsverfassung ab. Sie beinhalten neue Grundrechte auf Streik und Freizügigkeit und auch ein "Recht auf Privatsphäre" in der Partnerschaft von Mann und Frau. Bisher hat sich die Partei kräftig in diese Bereiche eingemischt.

Abschied von der Prüderie?

Die Chinesen sind prüde, zumindest nach aussen hin. So ziemt es sich nicht, über Sex zu reden oder ohne Trauschein zusammenzuleben. Ein öffentlicher Kuss war lange undenkbar. Konfuzius, der grosse Erzieher der Chinesen, hatte die Chinesen gute Sitten gelehrt. Eine Angebetete bat man über einen Dritten um ihre Hand und oftmals trafen die Eltern die Partnerwahl.

Bislang konnte die Staatspartei sogar eine Heirat verhindern. Sie schrieb (wenigstens in den Städten) die Einkind-Familie vor und erzwang in unzähligen Fällen die Abtreibung, wenn die Frau erneut schwanger wurde.

Die Sitten lockern sich

Die strengen Regeln gelten noch in vielen Provinzen, nicht aber in Shanghai und anderen Grossstädten, wo Liebespaare heute zusammenleben und auch Wohngemeinschaften entstanden sind. Pekings Jugendzeitung pries die neue Freiheit der Liebe als "Schutz der Privatsphäre". In einer Internet-Umfrage begrüssten 85 Prozent der Befragten die Aufhebung der Schranken.

Fortan registriert laut Spiegel das Einwohnermeldeamt die Eheschliessung. Das sei ein unerhörter Durchbruch: Die Partei und der Staat zögen sich damit aus der Privatsphäre der Bürger zurück. Bis anhin mussten Ehelustige zwei Bedingungen erfüllen: Sich einem Gesundheitscheck unterziehen und die Genehmigung ihres Betriebes, der "Arbeitseinheit", oder des "Nachbarschaftskomitees" einholen. Diese Hürden vor der Heirat sind nun aufgehoben.

Weniger Eheschliessungen

Einer der Gründe für die Liberalisierung ist die Tatsache, dass seit 1998 die Zahl der Eheschliessungen um eine Million auf knapp acht Millionen (2002) zurückgegangen ist, bei 1,2 Millionen Scheidungen. Die Kleinfamilie soll jedoch die Basis der chinesischen Gesellschaft bleiben.

Die so genannte "sexuelle Freiheit" kündigt sich in China mit all ihren positiven wie negativen Seiten an. Es bleibt zu hoffen, dass die Chinesen dieser "sexuellen Revolution" mit der nötigen Weisheit und Einsicht begegnen.

Quelle: Livenet/Spiegel online

Datum: 22.12.2003
Autor: Antoinette Lüchinger

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