Israel fordert Öffnung des Jerusalemer Tempelbergs für jüdische und christliche Touristen

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Israel will jüdischen und christlichen Touristen den Zugang zum Tempelberg wieder ermöglichen. Tzachi Hanegbi, der Minister für öffentliche Sicherheit, sagte am Montag, auch ohne Vereinbarung mit der zuständigen islamischen Verwaltungs-Behörde, dem Waqf, werde das umstrittene Areal „nächste Woche für jüdische Touristen und nicht-muslimische Pilger“ geöffnet. Die Ankündigung löste auf der islamischen Seite verärgerte Reaktionen aus; der Waqf-Manager Adnan Husseini sprach von einer unnötigen Provokation. Der Waqf, „die einzige Autorität auf dem Tempelberg“, wie Husseins sagte, habe mit der israelischen Polizei nichts über den Zutritt von christlichen oder jüdischen Besucher vereinbart.

Laut der israelischen Zeitung Haaretz wird der Waqf auch von der palästinensischen Autonomiebehörde und Jordanien gedrängt, den Tempelberg Nicht-Muslimen wieder zugänglich zu machen, wohl nicht zuletzt um wieder mehr Touristen anzulocken. Von 1967 bis zum Ausbruch der Al-Aqsa-Intifada im September 2000 konnten Nicht-Muslime das umstrittene Gelände betreten, das heute vom Felsendom beherrscht, aber von der islamischen Gemeinschaft angeblich in erster Linie wegen der Al-Aqsa-Moschee beansprucht wird.

Unauffällige Lockerung im letzten Mai

Im Mai, noch vor dem Waffenstillstand, hatte die israelische Polizei nach informeller Absprache mit dem Waqf, wie die Zeitung Haaretz schreibt, erstmals seit dem Herbst 2000 kleine Gruppen nicht-muslimischer Touristen auf den Tempelberg gelassen. Seither tröpfelten immer wieder Gruppen auf das Gelände. Kurz vor dem Trauertag Tisha B'Av (Anfang August), an dem die Juden der Zerstörung des herodianischen Tempels im Jahr 70 nach Christus gedenken, machte die Polizei dieses Türchen wieder zu, um die Gefahr von Provokationen und Auseinandersetzungen zu mindern, welche der Ruhe an der Klagemauer abträglich wären.

Hanegbi machte nun deutlich, dass vor der grossen jüdischen Festzeit (Neujahr, Yom Kippur und Laubhüttenfest) der Tempelberg wieder zugänglich gemacht werden müsse. Israel wolle die frühere, vor der Intifada geltende Regelung wieder eingeführt haben; während 33 Jahren habe der Waqf Besuchern aller Religionen den Zutritt gestattet. Die Palästinenser haben die gegenwärtige Kampfzeit Al-Aqsa-Intifada genannt, um ihr Ziel zu bezeichnen: die volle palästinensische Kontrolle über das Gelände, auf dem einst die jüdischen Tempel standen, wo aber der Überlieferung nach schon Abraham opferte.

Dayans Entscheid

Unmittelbar nach der Eroberung Ost-Jerusalems durch die israelischen Truppen im Juni 1967 ordnete der damalige Verteidigungsminister Moshe Dayan an, nicht-muslimischen Touristen, nicht aber Pilgern sei der Zutritt zu gewähren. Allein Muslime (die in der Stadt dominante Religionsgemeinschaft der letzten Jahrhunderte) sollten das Recht auf religiöse Zeremonien haben. Dem Waqf wurde die Verwaltung des Geländes überlassen.

Diese Regelung hatte bis 2000 Bestand. Die stillen Versuche Israels im Frühjahr, wieder dazu zurückzukommen, werden von der Zeitung Haaretz als „versteckter Erfolg“ der Jerusalemer Beamten bezeichnet, die weise und diplomatisch vorgegangen seien. Jasser Arafat habe in seinem Amtssitz in Ramallah gewütet, aber nicht verhindern können, dass die Waqf-Funktionäre tröpfchenweise Besucher hinauf liessen.

Die Mitte des Konflikts

Die Souveränität über den Tempelberg ist der zentrale Streitpunkt im israelisch-palästinensischen Konflikt. Weil der israelische Premier Ehud Barak seinem Gegenüber Arafat im Sommer 2000 an diesem Punkt nicht weit genug entgegenkam (offenbar stand damals gar eine geteilte Souveränität über Ost-Jerusalem zur Debatte), brachen die Friedensbemühungen, die mit dem Oslo-Abkommen 1993 eingesetzt hatten, zusammen. Der Gang Ariel Sharons auf den Tempelberg löste wenige Wochen später Unruhen aus, die zur zweiten Intifada ausgeweitet wurden.

Laut Haaretz weiss auch die israelische Seite um die Explosivität des Streits: „Der Tempelberg zieht Gruppen und Einzelne von den exzentrischsten und gefährlichsten Randzonen an. Der kleinste Fehler in der Einschätzung der Lage könnte die ganze Region in Brand setzen.“ Das Editorial schliesst indes hoffnungsvoll: „ Eine weise Pflege der Beziehungen bezüglich des Tempelbers könnte manches zur Förderung der Versöhnungsprozesse beitragen.“

Datum: 14.08.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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