Weites Land in Not: Wo suchen die Mongolen Hilfe?

Kinder in der Mongolei
Junge Lamas
Bogenschützen in der Mongolei

Seit dem äusserlichen Zerfall der kommunistischen Gewaltherrschaft 1991 kehren viele Mongolen zur buddhistischen Religion ihrer Väter zurück; andere suchen ihr Heil bei Jesus Christus. Die Hinwendung zur Religion geschieht im Zeichen der politischen Öffnung des einst ganz verschlossenen Landes, aber auch vor dem Hintergrund drückender sozialer Nöte infolge trockener Sommer und grausamer Winterkälte. Diesen Nöten suchen welchen westliche Entwicklungshelfer wie der Schweizer Markus Dubach mit angepasster Entwicklungshilfe zu begegnen.

Auf den ersten Blick schient die religiöse Prägung der Mongolei eindeutig: Vor hundert Jahren waren über die Hälfte aller Männer im Land buddhistische Mönche. Doch die Oktoberrevolution von 1917 führte auch im fernen Inneren Asiens zum Zeitenwechsel: Die Kommunisten kamen um 1920 an die Macht und beendeten die umfassende Herrschaft der Lamas mit Gewalt und Terror.

National-religiöses Erwachen nach roter Diktatur

Erst kürzlich wurde ein Massengrab mit den Überresten von Tausenden von Mönchen aus den 20-er Jahren geöffnet – jeder Schädel hatte ein Einschussloch. „Sie zerstörten alles, die Klöster wurden geschlossen“, sagt Puravbat, einer der ältesten Mönche im Ganden-Kloster ausserhalb der Hauptstadt Ulan Bator, dem bedeutendsten des Landes.

Heute finden sich in Ganden viele junge Mongolen ein, um den Ritualen des lamaistischen Buddhismus zu folgen, die Gebetsmühlen zu drehen, sich in die Schriften zu vertiefen. Viele Rituale und Bräuche aus früheren Zeiten sind heute wieder lebendig und werden auch in den Weiten des dünnbesiedelten Landes gepflegt.

Zur Zeit soll es wieder etwa 3000 Mönche in 120 Klöstern geben; in Ganden allein arbeiten und lernen 915 Männer, wie der Homepage des Schweizer Entwicklungshelfers Markus Dubach zu entnehmen ist. Dem BBC-Korrespondenten, der das Kloster kürzlich besuchte, schien es allerdings, als wüssten sie nicht recht, worum es im Ritual eigentlich ging.

Vitale christliche Gemeinden...

Anderseits besuchte der Journalist am Rand der Hauptstadt einen christlichen Gottesdienst, in dem die meist jüngeren Teilnehmer Gott (laut dem Bericht „ihren neuen fremden Gott“) mit Leidenschaft priesen. Den Gottesdienst leitete ein junger deutscher Christ. Seit 1991 haben etwa 20'000 Mongolen zum Glauben an Christus gefunden. Sie leben in allen Teilen des Landes; in den meisten Städten gibt es christliche Gemeinden. In der Regel haben Ausländer sie gegründet, was sie der lange abgeschotteten mongolischen Mentalität verdächtig macht.

Doch sie erfüllen dringende Bedürfnisse junger, Sinn suchender Mongolen. Zur geschilderten Gemeinde gehört die 17-jährige Solongo, die während vier Jahren auf der Strasse gelebt hat. Solongo verliess ihr Elternhaus, nachdem ihr Vater, ein Alkoholiker sie wiederholt geschlagen hatte. „Ich machte viel Schlechtes; ich betrank mich und rauchte – und vieles mehr. Aber vor zwei Jahren kam ich zu dieser Kirche. Sie veränderte mich. Ich hörte auf mit den schlechten Dingen. Jesus hat mein Leben verwandelt.“

...als Herausforderung für buddhistische Führungsschicht

Laut dem BBC-Bericht nimmt die Zahl christlicher Gruppen so rasch zu, dass sie die offiziellen buddhistischen Organisationen überholt haben – der Korrespondent nennt allerdings keine Details und Zahlen. Eines streicht er heraus: Das schnelle Wachstum der christlichen Gemeinschaften beunruhige die altväterisch gesinnte buddhistische Führungsschicht.

Auch der mongolische Ministerpräsident Enkbayar, ein praktizierender Buddhist, gab seiner Sorge über die Ankunft der neuen religiösen Gruppen im zuvor oberflächlich atheisierten Land Ausdruck. „Religiöse Differenzen sind sehr schwierig zu lösen, denn alle Religionen drücken sich mit Begriffen letzter Wahrheit aus“, sagte Enkbayar.

Christen – schon im ersten Jahrtausend unter den Mongolen präsent

Wenn traditionsbewusste Mongolen den Gott der Christen als Import aus den Ausland empfinden und demgegenüber ihre Verwurzelung im Buddhismus betonen, dann geht ihr geschichtliches Gedächtnis nicht weit genug zurück. Viele hundert Jahre vor dem Einfliessen des tibetanischen Buddhismus ins Gebiet der heutigen Mongolei wurde ebenda das Evangelium von Christus verkündigt. Der BBC-Korrespondent geht ebenfalls an dieser historischen Tatsache vorbei, wenn er schreibt: „Diese jungen Mongolen haben ihre Wahrheit gefunden, und sie liegt in einem neuen fremden Gott.“

Christen der Nestorianerkirche, die im Gebiet des heutigen Irak und Iran ihr Zentrum hatte, kamen schon im 7. Jahrhundert über China in die Mongolei. Vor über 1300 Jahren wurde den Menschen im Inneren Asiens die Gute Nachricht von der Versöhnung mit dem Gott des Himmels und der Erde durch seinen Sohn Jesus Christus verkündigt. Der Stamm der Naiman im Altai-Gebirge, die Juguren im Karakorum und die Kereit öffneten sich dem Evangelium.

Um 1250 erreichten katholische Missionare Karakorum, ohne dort etwas zu bewirken. Kublai Khan ersuchte Marco Polo, den Papst um hundert christliche Missionare für sein Reich zu bitten. Doch um religiöse Wahrheit ging es dabei kaum: Die Herrscher des mongolischen Weltreichs suchten Religion zur Stabilisierung ihres Imperiums einzusetzen.

Herrschaft der Lamas: der Weg in die Isolation

Der lamaistische Buddhismus tibetischer Prägung, den heute der Dalai Lama verkörpert, wurde von der mongolischen Oberschicht erst im 17. Jahrhundert förmlich angenommen. Die Götterwelt der Lamas liess Platz für einheimische Götter, und die Lamas stützten die mongolischen Herrscher, was diese bewog, die Klöster von Steuern zu befreien.

Allerdings hatten die Mongolen in der kurzen Sommerzeit keine Lust zu meditieren – es gab so viel zu tun. Laut einem religionsgeschichtlichen Abriss (zu finden auf der Dubach-Homepage) machten die furchterregenden Bilder der buddhistischen Götter und Geister auf die Mongolen viel mehr Eindruck als die Lehre selbst.

Die Lamas verhinderten mit ihren Machtzentren, den buddhistischen Klöstern, in der Neuzeit eine Öffnung und Entwicklung des Landes (Parallelen zur Entwicklung Tibets?). Noch 1921 gab es 747 Klöster und 1‘818 buddhistische Tempel. Die Kommunisten zerstörten sie und trichterten der Bevölkerung den öden Atheismus leninscher Prägung ein. Doch mit der gelben Religion (und der roten Doktrin) ist die religiöse Landschaft in der Mongolei unzureichend beschrieben.

Ahnengeister – und Schamanen

Weiterhin werden Ahnengeister verehrt (aus Furcht vor Übergriffen). Im Volk hatten zudem Schamanen seit alters grossen Einfluss. Denn sie verstanden mit der Geisterwelt in Kontakt zu treten und dort etwas zu bewirken. Sie gaben vor, dämonische Attacken auf Menschen abwehren zu können. Die bekannten Schamanen übten und üben grossen Einfluss aus; sie werden im Fall von Krankheiten und schweren Nöten angegangen.

Alle Zauberkraft hat indessen den ‚Dzud‘, die schwere Dürre in den letzten drei Sommern nicht abwenden können, deren Folgen in drei besonders kalten Wintern erschreckend zum Tragen kamen: Ein grosser Teil der Tiere, Lebensgrundlage der Menschen in den Weiten der mongolischen Steppe, ist eingegangen, da Nahrung und Wasser fehlten. Das Landwirtschaftsministerium geht von elf Millionen gestorbenen Tieren aus. Daher sind mehrere 100'000 Mongolen, die zuvor als Nomaden lebten, in die Städte, vor allem nach Ulan Bator, geströmt. Viele suchen ihr Elend im Alkohol zu ersäufen; die Kriminalität hat stark zugenommen.

Bewährte Entwicklungshilfe – von der Eidgenossenschaft mitgetragen

Auf der Homepage von Markus Dubach, der die Entwicklungsprojekte von verschiedenen christlichen Organisationen in der Mongolei in der Dachorganisation JCS (Joint Christian Services) koordiniert, finden sich unter der Rubrik Dzud Bilder vom mongolischen Winter und dem Überlebenskampf der Nomaden. Die christlichen Hilfswerke verteilen in einigen Teilen des Riesenlandes Lebensmittel, Tiermedikamente und Futter und unterstützen in der Hauptstadt Nomaden, die alles verloren haben.

Die schweizerische Direktion für Entwicklungszusammenarbeit DEZA führt über die JCS ihre Nothilfe unter mongolischen Nomaden dieses Jahr weiter. Im März 2002 ernannte die Eidgenossenschaft Markus Dubach zum HOnorarkonsul für die Mongolei. Im Januar 2003 erliess auch das Rote Kreuz einen Hilfsappell an die Welt. Betroffen sind dieses Jahr laut Markus Dubach vor allem Gebiete im Norden des Landes, aber auch einzelne Teile der Wüste Gobi.

Homepage von Markus Dubach: www.homepage.swissonline.ch/dubach
Infos zur Mongolei: www.mongolei.net

Datum: 12.08.2003
Autor: Peter Schmid

Werbung
Livenet Service
Werbung