Palästinensische Flüchtlinge: wenig Lust auf Leben im jüdischen Staat

Palästina

Eine Umfrage bei 4'500 palästinensischen Flüchtlingsfamilien hat ergeben, dass nur ein Zehntel von ihnen wirklich darauf besteht, bei einer Friedensregelung nach Israel zurückzukehren. Die Mehrheit würde sich mit einer finanziellen Entschädigung abfinden. In der Westbank und im Gazastreifen waren es 13 Prozent, die auf der Rückkehr bestehen, in Jordanien 5 Prozent, im Libanon (unter Einfluss der Hisbollah-Propaganda?) 23 Prozent.

Abneigung gegen israelischen Pass

Zwar beharrten über 95 Prozent der Befragten darauf, dass Israel ihr Recht auf Rückkehr grundsätzlich anerkenne, doch nur zehn Prozent forderten eine permanente Aufnahme in Israel, und noch weniger wollten diesen Weg beschreiten, falls sie dafür die israelische Staatsbürgerschaft annehmen und den Verlust ihres früheren Daheims endgültig anerkennen müssten.

Insgesamt 54 Prozent der Befragten erklärten, dass sie eine finanzielle Entschädigung annehmen und sich in der Westbank oder dem Gazastreifen oder auf einem durch Landtausch von Israel hergegebenen Gebiet ansiedeln würden. Andere Palästinenser wollen im bisherigen Land bleiben oder emigrieren. 13 Prozent der Befragten lehnen jeden Deal mit Israel ab. Die palästinensischen Flüchtlinge in Syrien (etwa 10 Prozent der Gesamtzahl) konnten nicht befragt werden.

Unerwünschte Umfrage-Ergebnisse: Mob greift Demografen an

Die Umfrage wurde vom palästinensischen Politologen Dr. Khalil Shikaki und seinen Mitarbeitern durchgeführt. Als er die Ergebnisse am Sonntag bekannt geben konnte, wurde er von einer wütenden Menge in Ramallah angegriffen und mit Eiern beworfen. Sein Büro wurde verwüstet.

Die Angreifer hatten für die Presseleute ihren eigenen Nachrichtentext in Arabisch und Englisch mitgebracht und marschierten in der Folge zu Jasser Arafat. Shikaki erklärte den Angriff als Versuch, dem palästinensischen Regierungschef Abbas zu signalisieren, dass er nicht über das so genannte ‚Recht auf Rückkehr‘ verhandeln dürfe.

‚Gesetzlosigkeit‘

Der Korrespondent der New York Times sieht im Angriff auf Shikaki Zeichen einer mangelnden Durchsetzung von Recht und Ordnung in den Palästinenserstädten, da die eigenen Ordnungskräfte ihren Auftrag in den Strassen noch nicht genügend wahrnähmen, während die Israelis sich neuerdings zurückhielten.

Welchen Charakter wird der jüdische Staat künftig haben?

Israel lehnt das Recht auf Rückkehr der Palästinenser ab, die 1948 während des (von arabischen Armeen aufgezwungenen) Unabhängigkeitskriegs ihr Zuhause verliessen, teils weil sie der antisemitischen Greuelpropaganda der arabischen Staaten Glauben schenkten, teils weil sie tatsächlich von israelischen Truppen bedroht wurden.

Seit jenen schicksalshaften Wochen hat sich die Zahl der geflüchteten Palästinenser und ihrer Nachkommen auf etwa vier Millionen vervielfacht. Sie würden mit einer Rückkehr den Charakter Israels als eines jüdischen Staates zerstören. Israel hat ungefähr fünf Millionen jüdische und eine Million arabische Bürger.

‚Menschen, die ihr Leben leben wollen‘

Khalil Shikaki betonte bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse, dass die meisten Flüchtlinge offensichtlich nicht Bannerträger des anti-israelischen palästinensischen Nationalismus sein wollten. Vielmehr verlangten sie ein besseres Leben. „Flüchtlinge sind Menschen mit Bedürfnissen. Sie wollen ihr Leben leben.“

Verwandeter Artikel: Palästinensische Flüchtlinge: Flüchtlinge wollen nicht zurück

Datum: 15.07.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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