BETI

Evangelische Christen in Bulgarien kämpfen für Freiheit

Verzichtet aufs Auto: Nikolai Nedeltschev, BETI-Direktor
Unterwegs nach Europa: Strassenbild in der Hauptstadt Sofia
Zu Besuch auf dem Balkan: EMK-Bischof Heinrich Bolleter

Infolge einer Mafia-Attacke steckt die wichtigste theologische Ausbildungsstätte der bulgarischen Protestanten in Sofia, das BETI, in einer akuten Liquiditätskrise. Der Leiter des Instituts, Nikolai Nedeltschev, ist seit vier Jahren auch Präsident der Europäischen Evangelischen Allianz (EEA).

Im April hat Niklaus Mosimann Nedeltschev in Sofia getroffen. Hier sein Bericht aus dem einst orthodox geprägten Balkanland, das in die EU will, in dem aber das Ringen um die kulturelle Identität zwischen dem pluralistischen Westen und dem grossen russischen Brudervolk sich auch in religionspolitischen Diskriminierungen niederschlägt.

Auf Nikolai Nedeltschev trifft das bulgarische Sprichwort "Die Arbeit hat keine Beine, darum kann sie nicht weglaufen" bestimmt nicht zu. Sein Terminkalender ist voller Sitzungen. So ist er nicht unglücklich darüber, dass an seiner Stelle ein anderer prominenter Geistlicher – es ist der Methodisten-Bischof Heinrich Bolleter aus der Schweiz, der an einer Diakoniekonferenz teilnimmt – am Palmsonntag in der methodistischen Kirche in Sofia auf die Kanzel steigt.

Nikolai Nedeltschev leitet das Bulgarische Evangelische Theologische Institut (BETI) in Sofia. Für unser Gespräch unterbricht er seine vorösterlichen Predigtvorbereitungen am Computer. "Ich werde über die drei Männer am Kreuz predigen", erklärt er begeistert die kyrillischen Buchstaben auf seinem Bildschirm. "Über den Verbrecher, der Jesus braucht, ihn aber ablehnt, über den bussfertigen Sünder, der Jesus in letzter Minute annimmt, und über Gottes Sohn selber, der ebendiese Vergebung möglich macht."

Die Mafia lässt grüssen

Unbussfertige Kriminelle sind es, die zurzeit auch dem BETI das Leben schwer machen – als gäbe es nicht schon genug andere Herausforderungen. Eine mafiaähnliche Organisation versuchte, das Geld vom Bankkonto des Institus wegzutransferieren. Zurzeit sind alle Transaktionen gesperrt, bis die Hintergründe aufgeklärt sind. Und bei der bulgarischen Bürokratie könnte das ziemlich viel Geduld brauchen.

So fehlt das Bargeld für den Schulbetrieb. Nedeltschev verzichtet unterdessen aufgrund der prekären finanziellen Situation aufs Auto. Das Benzin ist bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 250 bis 470 Lewa (was etwa 200-400 Franken entspricht) fast gleich teuer wie in der Schweiz.

Für das Institut sind diese Umstände ein grosser Prüfstein. Denn BETI hat, um wachsen zu können, ein grösseres Gebäude in einem Park in Sofia gekauft. Dieses präsentiert sich wie die meisten Immobilien der Hauptstadt zwölf Jahre nach der Wende: im Rohbau oder stark renovationsbedürftig. Die Pläne für die Erweiterung des Instituts scheinen nun gefährdet.

Und doch sagt Nedeltschev, er wisse im Vergleich zur Schweiz nicht, ob ihm wirtschaftliches Wohlergehen wirklich lieber wäre. In Krisenzeiten oder unter Verfolgung sei der Leib Christi immer stärker gewachsen als zu Zeiten des Wohlstands. Der Baptistenpastor, Leiter der Bulgarischen Evangelischen Allianz und Präsident des europäischen Verbunds (EEA), weiss, wovon er spricht: Fast 50 Jahre lang unterdrückten die Kommunisten die Christen im Land.

Neues Religionsgesetz diskriminiert evangelische Gemeinden

Auch nach der Wende ist die religiöse Freiheit gefährdet: So wurde im letzten Jahr mit den Stimmen der Regierungspartei ein neues bulgarisches Religionsgesetz verabschiedet, das alle nicht-orthodoxen Religionsgemeinschaften zwingt, sich nochmals staatlich registrieren zu lassen. Das Gesetz schreibt die dominante Rolle der orthodoxen Kirche fest, belegt "nicht genehmigte religiöse Aktivitäten" mit enormen Geldstrafen (bis zu 2‘600 Euro) und verbietet nicht-orthodoxe religiöse Publikationen.

Die Gegner des Gesetzes haben es beim Verfassungsgericht angefochten. Auch orthodoxe Kreise kritisieren das Gesetz, weil es die Kirchen steuerlich nicht entlastet und somit ihre Aktivitäten zum Wohl der Gesellschaft behindert. Bulgarien möchte bis im Jahr 2007 in die EU aufgenommen werden.

Eine in vielen Stürmen bewährte Frohnatur, lässt sich Nedeltschev von den schwierigen Umständen nicht beeindrucken. Die Bulgarische Evangelische Allianz hat kürzlich eine genaue Analyse über die Situation der Christen im Land durchgeführt. Dieses Material soll den evangelischen Kirchen (sie haben helfen, klare Ziele für die längerfristige Arbeit zu bestimmen.

Junge Christen praxisbezogen ausbilden

Grosse Hoffnungen setzt Nedeltschev in die junge Generation von Christen, die weniger in fromme Traditionen verstrickt sind als die älteren Gläubigen, die unter harter, 40 Jahre währender Verfolgung durchhielten. Seine ganze Kraft steckt er in die theologische Ausbildung von jungen Leitern aus Bulgarien, Moldawien, Mazedonien und sogar aus dem Sudan.

Einige Absolventen sind als Missionare in der Türkei unterwegs; andere beschäftigen sich mit Kindern. "Die Arbeit in den nächsten paar Jahren wird beschwerlicher sein als in den vergangenen 15 Jahren des Aufbruchs", sagt Nedeltschev. Der geistliche Hunger sei zwar am Wachsen, aber die bulgarischen Gemeinden seien wirtschaftlich und strukturell überfordert.

Nähere Infos zu BETI:
be.alliance@mbox.cit.bg

Datum: 14.05.2003
Quelle: Livenet.ch

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