Mehrfach versuchte der
paramilitärische Dorfchef, wenn er Pastor Enrique durch das Dorf gehen sah, ihn
zu überfahren. Immer konnte dieser sich mit einem Sprung retten. Stets drohte der
Dorfchef, dass er ihn beim nächsten Mal erwischen würde – dann folgte ein
bemerkenswerter Showdown …
Erst
wenige Monate waren Estela und Enrique
(Namen geändert) verheiratet, als sie im ländlichen Kolumbien
eine Pastorenstelle annahmen. Die Nation liegt gegenwärtig auf dem 41. Rang des
Weltverfolgungsindex von Open Doors. Der Druck, den Estela und Enrique in
höchstem Mass erleben sollten, geschieht nicht durch die katholische
Mehrheitsbevölkerung und auch nicht in den Städten, in denen Glaubensfreiheit
herrscht.
«Der
Druck kommt einerseits von Guerillas, Paramilitärs und der Drogenmafia. Und
andererseits verfolgen die indigenen Stammesführer ihre eigenen Leute, wenn sie
sich entscheiden, Jesus Christus nachzufolgen», erklärt Estela.
«Die
Paramilitärs wurden von der Regierung bewaffnet, damit sie sich gegen die
Guerillas wehren können.» Es handelt sich insbesondere um bewaffnete Bauern,
die zuvor den Guerilla schutzlos ausgeliefert waren, als diese regelmässig
Ernten, Vieh und verschiedene Güter entwendeten. Die Regierung sorgt in diesen
Landesteilen nicht selber für Ordnung.
Kirche
war Selbstbedienungsladen geworden
«Die
Paramilitärs haben deshalb selbst Macht und ihr Führer ist oft auch der
Dorfchef», so wie an dem Ort, wo Estela und Enrique Pastoren wurden. «Der Chef
in diesem Ort befehligte mehrere hundert bewaffnete Paramilitärs.» Bevor die
beiden ins Dorf kamen, hatte dieses während rund drei Jahren keinen Pastor. «Der
Dorfchef war gewohnt, sich in der Kirche zu bedienen, wenn er etwas brauchte.
Das konnte eine Kanzel sein, wenn er gerade ein Rednerpult brauchte, oder
Stühle, wenn er zu wenig hatte.»
Als
Estela und Enrique nun ihre Arbeit in den frühen 2000er-Jahren aufnahmen,
entflammte rasch ein Konflikt mit dem Chef der Paramilitärs. Zu den ersten
Streitpunkten gehörte, dass er sich erneut in der Kirche bedienen wollte und
Enrique sagte, dass dies nicht gehe…
Mehrere
Anschläge
Der
Dorfchef verlangte bedingungslosen Gehorsam, doch das Pastorenpaar machte
solche Dinge nicht mit. Verschiedentlich versuchte er, die beiden zu
unterschiedlichen Aktionen zu zwingen – vergeblich.
Zudem
wuchs die Anzahl an Christen im Dorf, die Lage spitzte sich zu. Im Laufe der
Monate und Jahre sprach der Paramilitär Morddrohungen aus. Aufgrund seiner
Vergangenheit war klar, dass dies keine leeren Worte waren…
«Mehrfach
versuchte er, meinen Mann anzufahren, wenn er ihn ihm Dorf sah. Er konnte
jeweils zur Seite springen. Dann hielt er öfter an, kurbelte das Fenster
hinunter und sagte: 'Nächstes Mal erwische ich dich. Ich bin der Teufel!', denn
so nannte er sich selbst.» Pastor Enrique antwortete dann jeweils: «Wenn Gott
will, dass du mich tötest, dann geschieht es.»
«Lieber
wäre ich eine Witwe …»
Dann
bahnte sich ein Showdown an. Der Dorfchef forderte, dass alle Ortsbewohner an
einer riesigen Prozession und dem anschliessenden Fest mitmachen würden. Das
Erscheinen war absolute Pflicht. Wer nicht dabei wäre, würde vor
allergrössten Problemen stehen. Die «Einladung» galt insbesondere auch Enrique.
Er und die Kirchgemeinde sollten gar das Fest
mitorganisieren. Die Teilnehmer der Prozession würden durch ihr Dabeisein
von ihren Sünden «gereinigt», anschliessend würde ein gigantisches Gelage folgen…
Enrique
und Estela überlegten sich, wie sie sich verhalten sollten. «Ich sagte zu
meinem Mann, dass ich lieber die Witwe eines Pastoren bin, der seinen
Prinzipien treu bleibt, als die Frau eines Feiglings.» Der Ungehorsam gegenüber
dem ranghöchsten Paramilitär konnte tatsächlich tödliche Konsequenzen haben.
Vom
Regen weggespült
Unerbittlich
rückte das Fest näher. Da dieses ausschliesslich im Freien durchgeführt werden
konnte, begannen Estela und Enrique, um Regen zu beten. Dieser hätte zwar nicht
in die Jahreszeit gepasst, doch sie fasteten und beteten ohne Unterlass.
Der
Tag kam und tatsächlich verdunkelte sich der Himmel. Erste Blitze zuckten.
«Doch das Fest hätte noch durchgeführt werden können. Wir beteten weiter.»
Die
ersten Tropfen fielen und dann setzte starker Regenfall ein. «Wir brauchten
noch mehr Regen, denn so hätte das Fest immer noch durchgeführt werden können.»
Das Pastorenehepaar betete weiter und der Regen hielt unaufhörlich an, so dass
das Fest abgesagt werden musste. Es fiel buchstäblich ins Wasser. «Der Regen
war so stark, dass man in der Gegend noch heute – Jahre später – von diesem
aussergewöhnlichen Regenfall spricht.»
«Ein
Manko an Liebe»
Irgendwann
machte Gott Estela und Enrique klar, dass der Dorfchef ein Manko an
Liebe habe. «Liebt ihn!», lautete die klare Botschaft. «Doch wir wussten nicht,
wie wir das tun sollten. Wie sollten wir den lieben, der uns nach dem Leben
trachtet?» Doch
Gott half ihnen dabei.
Kurz darauf hatte der Dorfchef Geburtstag. Das
Ehepaar investierte einiges Geld in zwei Musiker, die anreisten, um ihm in
aller Früh ein Ständchen zu singen. «Er stand jeweils um vier Uhr in
der Früh auf und war bereit zum Kampf. Deshalb erschienen mein Mann und die
Musiker um drei Uhr, um zu singen, während ich daheim war und betete.»
Eine
halbe Stunde lang sang Pastor Enrique mit seinem Geleit vor der Tür, dann kam
der überraschte Kommandant heraus. «Mein Mann las einen vorbereiteten Brief vor.
Als er fertig war, liefen dem Chef der Paramilitärs die Tränen herunter. Er
schlug sich ans Herz und sagte: 'Ich habe auch ein Herz!' Sie umarmten sich und
weinten.»
Die
Waffen niedergelegt
«Wir
haben nie mehr einen Befehl von ihm erhalten… Aber Enrique wurde von da an von ihm gerufen,
um zu beten oder aus der Bibel vorzulesen. Bald darauf nahm der Chef der
Paramilitärs Jesus in sein Leben auf. Wir erlebten, dass die Liebe die Waffe
ist, die jeden entwaffnet. Der Tag kam, an dem der ehemalige 'Teufel' seine ganze
Truppe zusammenrief. Sie alle legten die Waffen nieder und erhielten von den Gemeindegliedern eine Bibel.» Seither sind
mehrere Jahre ins Land gezogen, mittlerweile arbeiten Estela und Enrique für
einen lokalen Partner von Open Doors.
Inzwischen
hat sich gezeigt, dass auch in anderen ländlichen Gegenden der Nation viele
Menschen zu Jesus Christus finden. Estela: «Gebete machen den Unterschied.
Damals wusste ich nicht, wie viele Menschen in anderen Ländern für uns beten.
Doch heute weiss ich es und ich denke, dass die Christen daher im Land stark sein
können.»