Boko Haram

Den Terrorismus zu Tode lieben

Letzte Woche gab es eine scheinbar gute Nachricht aus dem afrikanischen Nigeria. Regierungstruppen konnten im Sambisa-Wald fast 700 Frauen und Kinder aus den Händen der Terrororganisation Boko Haram befreien. Der Schock kam mit ein paar Tagen Verzögerung: Allein 216 der 234 am 30. April befreiten jungen Frauen sind schwanger.
Ein aus den Händen von Boko Haram befreites Mädchen.
Printscreen aus dem Video der radikalislamischen Terrororganisation Boko Haram, welche die nigerianischen Mädchen entführt hat.
Das einzig wirksame Mittel gegen Terror und das Böse ist Liebe.

Das unwegsame Sambisa-Waldgebiet im mehrheitlich islamischen Norden Nigerias gilt als Hochburg von Boko Haram. Dorthin entführte die islamistische Terrororganisation seit 2014 laut Angaben von Amnesty International über 2'000 christliche Frauen und Mädchen, um sie mit ihren Kämpfern zu verheiraten oder als Sex-Sklavinnen zu missbrauchen. Besondere internationale Aufmerksamkeit erregte dabei die Entführung von 276 Schülerinnen aus Chibok im letzten Jahr. Von den meisten fehlt immer noch jede Spur.

Terroristen am Ende?

Nach Monaten, wenn nicht Jahren, in denen Boko Haram immer weiter an Boden gewann, gerät die Terrormiliz jetzt durch gemeinsame militärische Aktionen Nigerias mit Kamerun und dem Tschad zunehmend in die Defensive. Mehrere Terrorcamps sollen zerstört worden sein. Zahlreiche Gefangene konnten befreit werden. Ehemalige Geiseln erzählten nicht nur ihre eigenen leidvollen Geschichten, sondern auch von Nachschub- und Treibstoffmangel und wachsendem Unmut bei den Rebellen. Allerdings scheint deren Brutalität im gleichen Masse zu wachsen, wie ihr Einfluss abnimmt. Und immer noch sind allein innerhalb von Nigeria über 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht vor Gewalt und Terror.

Saat der Gewalt

Nach der Befreiung wurden die Frauen und Mädchen medizinisch untersucht. Als sich dabei herausstellte, dass die meisten von ihnen schwanger waren, erklärte Babatunde Osotimehin, Chef des UN-Weltbevölkerungsfonds und ehemaliger nigerianischer Gesundheitsminister, auf welt.de: «214 der untersuchten Mädchen sind in unterschiedlichen Stadien schwanger, einige sichtbar, einige haben es erst durch unsere Tests erfahren. Wir betreuen alle von ihnen, um sie auch psychisch zu stabilisieren.» Was sich hinter dieser Aussage verbirgt, ist eine besonders perfide Art der sexuellen Gewalt. Frauen und Mädchen werden entführt, mit eigenen Kriegern zwangsverheiratet oder als Sexsklavinnen missbraucht. Selbst wenn sie befreit werden, pflanzen sie gewissermassen den Hass der Terroristen in die nächste Generation fort, indem die Frauen die Kinder ihrer Peiniger austragen. Die Terroristen spekulieren darauf – mehr oder weniger zu recht –, dass ein hoher Prozentsatz der abgelehnten Kinder wieder zu Terroristen wird. Dieses System hat sich bei der IS sowie in den Kriegen in Bosnien, Ruanda, Sierra Leone und dem Kongo bereits «bewährt».

Ausweg? Liebe!

Der UN-Beauftragte Osotimehin weiss, dass es kaum Therapiemöglichkeiten für die vergewaltigten Frauen und Mädchen auf ihrem schwierigen Weg zurück in die Gesellschaft und in ein normales Leben gibt. Trotzdem betont er: «Ich bin froh darüber, dass die Kommunen ihre Töchter wieder aufnehmen und nicht ausstossen. Das allein ist schon eine wichtige Therapie, um ihre Würde und ihr Selbstwertgefühl zurückzugewinnen.»

Ist dies Wunsch oder Wirklichkeit? Tatsache ist, dass ein militärischer Sieg über Boko Haram nur einen teilweisen Erfolg über die Terrororganisation bedeuten kann. Ein wirkliches Überwinden dieser gewalttätigen Strukturen findet gewaltlos statt – indem Frauen und Gesellschaft ja sagen können zu den Kindern, die sie ungewollt empfangen haben. Indem eine Gesellschaft sich weigert, Kindern die Schuld ihrer Väter zuzurechnen. Indem Christen ihre Arme öffnen und Vergebung anbieten. Terror endet nie durch militärische Interventionen. Er muss zu Tode geliebt werden. Dies hört sich so schwierig an, wie es ist. Es ist aber der einzige Weg heraus aus einem selbstverständlich weitergetragenen Terroror.

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Datum: 11.05.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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