„Tödliche Umarmung des Zeitgeists“: Bricht die anglikanische Kirche auseinander?

Peter Jasper Akinola

Seit Dienstag sind im nigerianischen Lagos die anglikanischen Bischöfe Afrikas zu ihrer ersten Konferenz versammelt. Ganz oben auf der Traktandenliste stehen Homosexualität und Frauenordination.

Vor allem das erste Thema hat einen tiefen Keil in die weltweite anglikanische Kirchengemeinschaft getrieben. Das Ja der Anglikaner in der USA (Episkopalkirche) zur Wahl eines in homosexueller Partnerschaft lebenden Bischofs wird in Afrika nicht hingenommen.

Homosexualität: „Zunehmend zerstörerische Kontroversen“

Die 300 Bischöfe des Schwarzen Kontinents diskutieren ein Papier, das eine Kommission mit Kirchenleuten aus der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft in diesem Jahr erstellt hat. Im Vorwort zum 90-seitigen so genannten Windsor-Report steht der Satz: „Seit den 1970-er Jahren haben sich Kontroversen um das Ausleben der menschlichen Sexualität im Bereich der Kirchen zunehmend spaltend und zerstörerisch erwiesen.“

Doch verzichtete die Kommission darauf, die US-Amerikaner und die westkanadische Diözese New Westminster, die eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare erlaubt hat, zu verurteilen.

Harsche Kritik Akinolas

Eben dies fordern Peter Akinola, Erzbischof der Anglikaner in Nigeria, und die meisten seiner afrikanischen Brüder. Der Nigerianer, Präsident der Konferenz, hat in ihrem Vorfeld eine Erklärung veröffentlicht. Darin übt er harsche Kritik an den Kirchenführern im Norden:

„Der Report gibt kein Rezept, wie es für die aktuelle Krise notwendig wäre. Er geht nicht auf die Realität ein, dass eine kleine, wirtschaftlich privilegierte Gruppe von Menschen den christlichen Glauben zu untergraben versucht hat. Zudem sucht die Gruppe ihre neue und falsche Lehre der weiteren Gemeinschaft der Gläubigen aufzudrängen.“

„Niedergang der US-Kirche“

Die Empörung in Afrika lässt sich an den folgenden Sätzen Akinolas ablesen: „Wir haben mit Trauer verfolgt, wie Schwestern und Brüder, die sich an den ‚Glauben, der einst den Heiligen anvertraut wurde’ hielten, an den Rand gedrängt und wegen ihres Glaubens verfolgt wurden. Wir sind mit Schmerz erfüllt worden, als wir dem Niedergang der nordamerikanischen Kirche zusehen mussten. Sie war einst erfüllt von missionarischem Eifer; nun aber scheint sie entschlossen, sich selbst das Grab zu schaufeln mit einer tödlichen Umarmung des Zeitgeists.“

„Sexuelle Sünden propagiert“

Der Führer der afrikanischen Anglikaner protestiert gegen die tolerante Linie des Papiers: „Wo lesen wir von ‘tiefem Bedauern’ über die Wirkung der Schritte der US-Kirche auf die Anglikaner auf der Südhalbkugel und unsere missionarischen Bemühungen? Wo ist die Sprache der Zurechtweisung für die, die sexuelle Sünden als heiliges und annehmbares Verhalten propagieren?“

Weltweite Gemeinschaft in der Zerreissprobe

Im 21. Jahrhundert zeitigen Kirchenbeschlüsse globale Wirkung; dass in der anglikanischen Gemeinschaft Diözesen weitgehend autonom handeln können (und dem Druck der Schwulen und Lesben-Organisationen direkt ausgesetzt sind), wirkt sich nun zerstörerisch aus.

Bereits habe, schreibt Akinola, „der vorsitzende Bischof der US-Episkopalkirche festgehalten, dass er keine Notwendigkeit sieht, die Aufnahme von praktizierenden Homosexuellen in die Geistlichkeit zu stoppen! Zudem hat der Bischof von New Westminster angedeutet, dass die Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare weitergehen. So sind sie rücksichtslos darauf aus, unser gemeinsames Leben zu zerstören – und wir sollen dasitzen und warten.“

Afrikaner emanzipieren sich

Die Afrikaner seien aufgefordert worden, sich zu mässigen und ihre Bereitschaft zum Verbleiben in der anglikanischen Gemeinschaft zu bekräftigen. Akinola findet dies eine freche Bevormundung.

Die (viel ärmeren) afrikanischen Kirchen liessen sich nicht einschüchtern, schreibt er. „Wenn jene, die unsere Gemeinschaft auseinander gerissen haben, überhaupt kein Zeichen der Busse und Reform erkennen lassen, und die Unterdrückung derer, die am Glauben festhalten, anhält, können wir nicht unsere Pflicht vergessen, denen Fürsorge und Schutz zu gewähren, die uns um Hilfe angehen.“

Windsor-Report:
http://windsor2004.anglicancommunion.org/windsor2004/downloads/windsor2004full.pdf

Erzbischof Akinolas Stellungnahme: www.anglicancommunion.org/acns/articles/39/00/acns3902.cfm

Anglikanische Weltgemeinschaft: www.anglicancommunion.org

Datum: 28.10.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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