Sudanesischen Regimes

Die USA und das gigantische Missverständnis

Ein christliches Schweizer Hilfswerk deckte die Greuel des sudanesischen Regimes auf: Über zwei Millionen Menschen starben bei den Vertreibungen, über 300'000 wurden versklavt, und der bisher «stille Krieg» geht weiter. Mitschuldig sind die USA, England und die UNO.
Garang Dengyel und Athian wurden von den Sklaventreiber mit einer Axt die Hände abgehackt, als sie versuchten, ihre Frauen und Kinder vor der Versklavung zu retten.
Freigegebene Sklavin Abuk Yac Bol

«Die UNO hat bitter versagt», klagt uns Gunnar Wiebalck, Mitarbeiter des Schweizer Hilfswerks «Christian Solidarity International» (CSI). Und er nennt den Grund: «Jahrelang haben die Vereinten Nationen Berichte über die Sklaverei im Süden des Sudan ignoriert. Sie hat es dann auch zugelassen, dass wir aus ihren Reihen in Genf ausgeschlossen wurden. Dabei sind wir eine Organisation, die fachlich geeignet gewesen wäre, um über die ungeheuren Versklavungen zu berichten. Wir haben auch viele Dokumentationsarbeit geleistet, haben Archive aufgebaut und Pressevertreter mit ins Land genommen.»

UNO schweigt bewusst

Die UNO selber hat den Begriff Sklaverei immer peinlichst vermieden. Wiebalck: «Meines Wissens hat sie nie von Sklaverei geredet. Durch dieses Schweigen hat sich die UNO in gewisser Weise sogar zum Komplizen des Regimes in Khartum gemacht.» Der Grund sei einfach: «Die UNO ist keine Menschenrechtsorganisation. Die UNO ist eine Vertretung von Regierungen. Viele Regierungen auf dieser Welt sind totalitäre Regime und islamistische Regime. Die meisten Mitglieder dieses Klubs haben die Tendenz, dass sie die Menschenrechte verletzen. Darum muss man sich nicht wundern, wenn die UNO als Ganze solche extremen Menschenrechtsverletzungen eben nicht anprangert. Sie besteht ja aus Regierungen, von denen sehr viele selber die Menschenrechte verletzen.»

Zur Rolle Englands

Früher war der Sudan eine englische Kolonie. Bei ihrer Entlassung in die Unabhängigkeit wurde sie zu einem einzigen Land erklärt, der moslemisch-arabische Norden zusammen mit dem christlichen und animistischen Süden, der bereits zu Schwarzafrika gehört. Damit war ein Krieg vorprogrammiert.

Gunnar Wiebalck will das britische Empire aber nicht pauschal verurteilen: «England ist nicht alleine schuld an dieser Situation. Der Sudan war ursprünglich ein englisch-ägyptisches Kondominium war. Es wurde von beiden regiert.» Im Sudan ist Englisch heute noch eine Landessprache. «Es waren immerhin auch die Engländer, die mit der Sklaverei im Land Schluss gemacht hatten. Das war Anfang des letzten Jahrhunderts. Die Engländer sorgten dafür, dass es keine solchen Raubzüge mehr gab.» Die moderne Sklaverei im Sudan ist erst nach 1983 wieder aufgelebt, nach dem Ende einer kurzen Friedensperiode von rund 10 Jahren. Im Jahr 1989 kam die islamistische Regierung von General Bashir und seinem Ideologen Hasan al-Turabi an die Macht, welche die Sklaverei weiter vorantrieben. Al-Turabi hat mittlerweile Differenzen mit Bashir und hat darum auch schon einige Monate im Gefängnis verbracht. Wiebalck: «Diese beiden sind die Hauptfiguren beim Wiederaufleben der Sklaverei.»

Grenzen quer durch die Stämme

Die Grenzen des Sudan sind die alten Kolonialgrenzen. Es sind also eigentlich keine Grenzen wie wir sie in Europa kennen, wo auch sprachliche Einheiten damit abgegrenzt werden.» Sondern die Grenzen des Sudan ziehen sich quer durch die Stämme hindurch. Sie sind zum grossen Teil wie mit dem Lineal gezogen. Sie haben den Süden und den Norden mit zwei völlig verschiedenen Volksgruppen unter ein Dach vereinigt. «Das ist natürlich der Hauptgrund für den sudanesischen Konflikt: ein einziges Dach für moslemische Araber sowie für christliche und animistische Sudanesen aus dem schwarzafrikanischen Süden.»

Amerika entschied über diese Grenzen

Die Kolonialgrenzen waren nie als Staatsgrenzen gemeint; sie steckten nur Interessensgebiete ab. Dass sie aber zu Staatsgrenzen wurden, das sei nicht Englands Schuld. «Das kam zustande, weil sich die Amerikaner vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs eingemischt haben. Sie haben das den Engländern und anderen Ländern, die Kolonien hatten, so vordiktiert. Danach sollten sie die Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen.» In Washington hoffte man durch diesen Deal auf viele neue Freunde in Afrika. Man hatte sich ja für ihre Unabhängigkeit eingesetzt. Dabei wurde aber nicht berücksichtigt, dass diese Grenzen nicht zu Staatsgrenzen taugten. Gunnar Wiebalck spricht von einem gigantischen Missverständnis. Gleichzeitig sei es «die Ursache für den Krieg im Sudan und für andere Konflikte in Afrika».

Auf den Knien angefleht

Dass es zu einem Krieg kommen würde, war absehbar. Gunnar Wiebalck: «Bevor der Sudan in die Unabhängigkeit entlassen wurde, haben die Südsudanesen auf Knien gebeten, dass sie vom Norden unabhängig werden dürften. Sie wollten ihr eigenes Staatsgebiet haben. Die Südsudanesen haben den Konflikt ganz klar vorausgesehen. Aber damals, unter dem Druck der USA, wurde England dazu gezwungen, den Sudan als Ganzes in die Unabhängigkeit zu entlassen.» Es war eine der Bedingungen der USA für ihren Eintritt in den Zweiten Weltkrieg: Sie wollten bei der Auflösung der Kolonien mitreden.

Und im Weissen Haus glaubte man, dass die Regierung des Sudan wegen dieser Art Grenzziehung den USA die grösste Freundschaft entgegenbringen würde. «Es war womöglich naiv, aber sicherlich kein Kalkül für einen Bürgerkrieg.»

Der sudanesische Bürgerkrieg war damit jedenfalls vorprogrammiert. Die Freiheit brachte tatsächlich den Krieg. «Auch heute ist es so, dass wohl wirklich nur die Trennung zwischen Norden und Süden eine Lösung für den Sudan wäre. Leider sieht es gar nicht danach aus. Selbst die Vertreter der SPLA sprechen immer noch von der Einheit des Sudan. Die wird es unserer Ansicht nach nicht geben», so Wiebalck.

Lesen sie auch die Serie dazu:
1. Teil Ich war 15 Jahre lang eine Sklavin
2. Teil Meine Klinik begann unter einem Baum
3. Teil Ein Arzt im Bombenhagel
4. Teil Noch keine Skorpione
5. Teil Die Milizen geben auf
6. Teil Gefangen, verkauft, unterdrückt
7. Teil Um diese Zeit kommen manchmal die Bomber
8. Teil Hühner schreien zwischen den echten "Music Stars"
9. Teil So wurde aus der Kornkammer ein Armenhaus
10. Teil Vier Kinder vom angetrauten Vergewaltiger
11. Teil Eine entvölkerte Schweiz, mitten im Sudan
12. Teil Die Sternstunde
13. Teil Der älteste Sohn der Familie vergewaltigte mich
14. Teil Nicht ohne meine Kinder
15. Teil Schweizer Hilfswerk macht Weltpolitik
16. Teil So wurde die UNO zum Regime-Komplizen
17. Teil Wir haben die Hand Khartums geführt
19. Teil Wir machen uns zu Komplizen
20. Teil Wie viele sterben noch in Darfur?
21. Teil Nothilfe Sudan
22. Teil Gegen die Hungerkatastrophe im Sudan ankämpfen
23. Teil Weihnachten im Hungergebiet
24. Teil Diesesmal kein Tränengas zu Weihnachten
25. Teil "Wir werden eure Männer und Söhne töten" - wie lange schaut die Welt den Gräueln in Darfur zu?

Webseite: www.csi-int.org

Datum: 18.06.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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