«Christian Solidarity International»

Schweizer Hilfswerk macht Weltpolitik

500 Sklaven sind freigekommen, die Sternstunde des Schweizer Hilfswerks «Christian Solidarity International» (CSI). Wir begleiteten die Organisation bei diesem Trip in den Sudan. Lesen sie hier den Schluss des Reisetagebuches. Tag 7.
Sie haben überlebt; nun brauchen sie Hilfe für den Neubeginn
Pfr. Hans-Jürg Stückelberger
Verbranntes Dorf im Südsudan

Halb krank, respektive halb gesund krieche ich aus dem Bett, welches im Treien steht. Von Gunnar Wiebalck vernehme ich, dass auch er krank geworden ist, während es Cindy Castano, der TV-Reporterin vom «National Geographic» heute von Stunde zu Stunde schlechter geht. Trotzdem überwiegt die Freude: Die 500 Sklaven, die das Regime aus Khartum freigelassen hat, sind nicht einfach ein paar Nummern in der CSI-Statistik oder ein paar reisserische TV-Bilder.

Schweizer Mini-Werk macht Weltpolitik

Die jahrelange Dokumentationsarbeit des Werks hat «Khartum die Hand geführt» (Wiebalck). Früher kaufte CSI Sklaven frei und machte die "ethnische Säuberung" des El-Bashir-Regims publik. Die Bilder sorgten dafür, dass sich die Schweiz einschaltete. Bundesbern organisierte Friedensgespräche, Washington begann Druck auf Khartum auszuüben. Das kleine Schweizer Hilfswerk macht Weltpolitik.

Selbstverständlich stritt man im Norden des Sudans ab, Sklaven zu haben. Dies wäre schliesslich ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und hätte gemäss Völkerrecht einen Truppenaufmarsch der Vereinten Nationen zur Folge.

Aber man gestand ein, dass es «Verschleppte» gibt. Und diese lässt die arabisch-muslimische Regierung nun tropfenweise frei. Der letzte Tropfen umfasste die beschriebenen 500 Menschen, vorwiegend Christen, die bei ihrer Ankunft in Warawar «Halleluja!» riefen (wir berichteten).

Er ist schuld!

Am Morgen führe ich das letzte Interview mit Helena, abends wollen wir Fotos von ihr schiessen. Während John Eibner, promovierter Historiker und Leiter der CSI-Menschenrechtsabteilung, in der Steppe verschiedene Administrationsarbeiten verrichtet, liegen wir wie tote Fliegen herum und suchen nach dem Schuldigen. Die heisseste Spur hat Gunnar entdeckt: den Tomatensalat. Gewaschen mit ungefiltertem Wasser könnte er unseren westlichen Mimosenkörpern quasi von innen heraus das Bein gestellt haben.

Abends fotografiere ich Helena vor ihrer Rundhütte zusammen mit zwei von ihren Kinder. Die beiden anderen sind bei einem Pastor. Er soll die Gehirnwäsche rückgängig machen, welche die beiden Jungen in der Koranschule durchmachten. Weitere Fotos gibt’s vor einem aufgeriebenen Panzer.

Tag 8

Auf dem bereits früher beschriebenen Lkw werden wir nach Wanyjok gefahren. Das Schweizer Strassenverkehrsamt wäre mit diesem Gefährt wohl sehr lange beschäftigt. Die Bremsen mögen in besseren Tagen wohl mal funktioniert haben, nun bremst man einfach mit dem Motor und lässt den Transporter dann ausrollen. Tagsüber dient die Sonne als Licht, nachts montiert man Taschenlampen an die verbeulten Stossstangen.

Die einmotorige Cessna hat weitere CSI-Hilfsgüter gebracht und auch weitere Arzneimaterialien für Dr. Lukas Klinik.

Wüst und leer

Sanft schraubt sich die Maschine wenige Minuten später in den ungetrübten sudanesischen Himmel. Wir überfliegen die zig kilometerweite Steppe. Ein Gebiet, dass vor der «ethnischen Säuberung» Nahrungsmittel exportierte, nun aber zu den ärmsten Regionen der Welt zählt. Ein unglaublicher Skandal, den die UNO nie aufs internationale Parkett brachte. Erst jetzt, als in der Region Darfur das Gleiche passiert, spricht sie die beiden Worte «ethnische Säuberung» aus.

Nachdem im Süden des Landes rund zwei Millionen Menschen umgebracht, rund 300'000 versklavt und Hunderttausende vertrieben wurden. Doch auch in Darfur hatten die Vereinten Nationen Anlaufschwierigkeiten: Erst als 800'000 auf der Flucht waren (inzwischen sind es mehr als eine Million Menschen), zig Dörfer niedergebrannt und das Nachbarland von der Flüchtlingswelle überrollt wurde, war von der UNO ein erstes, zartes «Pieps» zu hören.

Wir überfliegen die trostlose Gegend. Es scheint mir, als hätte Gott hier bereits am ersten Schöpfungstag auch gleich wieder aufgehört und ich erinnere mich dabei an die Passage «... und die Erde war wüst und leer» (1. Mose 1,2). Dem Schöpfer die Schuld in die Schuhe schieben wäre aber falsch: Er legte hier eine fruchtbare Gegend an. Die Kornkammer des Landes. Es waren Menschen, welche Christen und Animisten vertrieben, plünderten und brandschatzten.

Via Rumbek (Südsudan), Lokichokio (Kenia) und Nairobi fliegen wir zurück nach Zürich.

Lesen sie auch die Serie dazu:
1. Teil Ich war 15 Jahre lang eine Sklavin
2. Teil Meine Klinik begann unter einem Baum
3. Teil Ein Arzt im Bombenhagel
4. Teil Noch keine Skorpione
5. Teil Die Milizen geben auf
6. Teil Gefangen, verkauft, unterdrückt
7. Teil Um diese Zeit kommen manchmal die Bomber
8. Teil Hühner schreien zwischen den echten "Music Stars"
9. Teil So wurde aus der Kornkammer ein Armenhaus
10. Teil Vier Kinder vom angetrauten Vergewaltiger
11. Teil Eine entvölkerte Schweiz, mitten im Sudan
12. Teil Die Sternstunde
13. Teil Der älteste Sohn der Familie vergewaltigte mich
14. Teil Nicht ohne meine Kinder
16. Teil So wurde die UNO zum Regime-Komplizen
17. Teil Wir haben die Hand Khartums geführt
18. Teil Die USA und das gigantische Missverständnis
19. Teil Wir machen uns zu Komplizen
20. Teil Wie viele sterben noch in Darfur?
21. Teil Nothilfe Sudan
22. Teil Gegen die Hungerkatastrophe im Sudan ankämpfen
23. Teil Weihnachten im Hungergebiet
24. Teil Diesesmal kein Tränengas zu Weihnachten
25. Teil "Wir werden eure Männer und Söhne töten" - wie lange schaut die Welt den Gräueln in Darfur zu?

Webseite: www.csi-int.org

Datum: 15.06.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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