Freikirchen.ch

Wie die Freikirchen «systemrelevant» geworden sind

2020 startete der Verband freikirchen.ch mit einer eigenen Medienstelle. Nach 1,5 Jahren kann ein erstes Fazit über erste Erfolge gezogen werden. Fragen an Markus Baumgartner, Leiter Kommunikation freikirchen.ch.
Markus Baumgartner, Leiter der Kommunikation freikirchen.ch (Bild: zVg)
Thomas Süssli, Chef der Armee; Peter Schneeberger, Präsident Freikirchen.ch; Stefan Junger, Chef Armeeseelsorge (v.li.) (Bild: zVg)

Welches sind die drei erfreulichsten Schlagzeilen für die Freikirchen seit der Eröffnung der Kommunikationsstelle?
Das messe ich gerne an drei Titeln in säkularen Zeitungen: «'Systemrelevante' Freikirchen wollen öffnen» (Tages Anzeiger), «Armee öffnet Seelsorge für Freikirchler» (NZZ) und «Kirchen reagieren kreativ auf 50-Personen-Regel» (Zürcher Oberländer). Wichtig ist auch, dass einzelne Freikirchenverbände mit guten Nachrichten aufhorchen lassen. So zum Beispiel die GvC Winterthur mit «Freikirchler haben ein 'Townvillage' gebaut – die Regierung ist begeistert und pilgert selbst dahin» (NZZ) oder das EGW Langenthal mit «Im Spagat zwischen Tradition und Moderne» (Berner Zeitung).

Welche Veränderungen stellen Sie seit dem Start der Kommunikationsstelle fest?
An der Retraite einer Fachredaktion wurde gesagt: «Die Freikirchen versuchen sich als aktive Stimme zu etablieren. Sie machen das gut.» Das ist natürlich ein schönes Kompliment. Vor April 2020 haben die Freikirchen als Dachverband nur sporadisch gegen aussen kommuniziert. Seit dem Start haben wir im Durchschnitt pro Monat eine Medienmitteilung publiziert. Diese Änderung wird nun bemerkt, was auch zu direkten Rückmeldungen und Medienanfragen führt. Wichtig ist, dass wir jeweils rasch reagieren können. Diese aktive Kommunikation ist nicht nur gegen aussen wichtig. Auch gegen innen war es ein wichtiges Signal, dass wir uns mit einem gewissen Selbstbewusstsein darstellen können.

Gab es auch eigentliche Highlights?
Ja, da könnte man das Wort «systemrelevant» nennen. Wir haben in unserer ersten Medienmitteilung ganz allgemein erwähnt, dass die Kirchen in Krisen systemrelevant und beim Überleben von schwierigen Zeiten notwendig sind. Sie sind dadurch auch ein Teil der Grundversorgung. Das hat die Zeitung «Tages Anzeiger» im Titel aufgenommen und nur auf Freikirchen bezogen, was breite Echos bis ins Bundeshaus auslöste. Immerhin ergab noch 2016 eine repräsentative Erhebung der gfs Markt- und Sozialforschung, dass 42 Prozent in der Schweiz Freikirchen überhaupt nicht kennen. Das Wort systemrelevant erschien dann immer wieder in der Kommunikation, hat sich quasi verselbständigt. Der Höhepunkt war natürlich die persönliche Einladung an Freikirchen-Präsident Peter Schneeberger durch Bundesrat Alain Berset nach Bern. Das ist eine grosse Anerkennung für das Mobilisieren der Freikirchen. Wie eine soziologische Studie der Universität Lausanne zeigt, sind die Freikirchen in der Schweiz im Markt der Religionen nach den Katholiken die Nummer Zwei, noch vor den Reformierten und Muslimen. Dann ist sicher bemerkenswert, dass die Studie Diakonie über die Schweizer Freikirchen ergab, dass wir den Staat im Sozialbereich um rund 500 Millionen Franken pro Jahr entlasten. Highlights waren für mich auch die Videos aus den Bergen mit prophetischen und seelsorgerlichen Eindrücken von Peter Schneeberger, die er über die sozialen Medien verbreiten konnte.

Wo konnten Sie Vorurteile gegenüber den Freikirchen abbauen?
Da hat die offizielle Partnerschaft mit der Schweizer Armee stark geholfen. Korpskommandant Thomas Süssli nahm sich persönlich Zeit für das Treffen der Armee mit Kirchen und religiösen Gemeinschaften. Das war ein historischer Tag: Ein solches Treffen hat es in der Schweizer Geschichte noch nie gegeben. Die zunehmende Bedeutung wurde kürzlich mit der Mitgliedschaft beim Rat der Religionen unterstrichen. Dann konnten wir mit regelmässigen Verlautbarungen zum Schutzkonzept, zu den Kasualien (freikirchlichen Liturgie an den Schlüsselstellen des Lebens) und natürlich der Studie zur Diakonie ein vielfältiges Leben der Freikirchen aufzeigen. Interessant war auch eine Anfrage der Zeitung «20 Minuten», die einen Leitfaden zum sprachlichen Umgang mit heiklen Themen wie Religionen wünschte. Geholfen hat auch ein erstmaliges und offenes Treffen mit der Informations- und Beratungsstelle «Infosekta», wo einige Missverständnisse ausgeräumt werden konnten.

Wo war bei Ihrer Arbeit auch Hartnäckigkeit gefragt?
Wir möchten natürlich mit guten Nachrichten glänzen. Aber in der hektischen Medienwelt läuft nicht immer alles rund oder nach Wunsch. Da habe ich zum Beispiel empfohlen, auf eine Satiresendung nicht zu reagieren, weil sie keinen Wahrheitsanspruch hat und man rasch als humorlos gilt. Oder dann habe ich darauf bestanden, dass wir auch eine schlechte Nachricht aktiv kommunizieren. Um glaubwürdig zu sein, darf man das nicht unter den Teppich kehren.

Wo ist die Kommunikationsarbeit der Freikirchen auch in Zukunft herausgefordert?
In der öffentlichen Kommunikation besteht die Gefahr, dass man von den Medien getrieben wird und nicht selber Themenschwerpunkte setzen kann. Die Themen der Medien wie Aussteiger oder Homosexualität haben mit den Kernthemen der Freikirchen aber meist nichts zu tun. Daher gilt es, mit einer sorgfältigen Planung eigene Themenschwerpunkte zu setzen. Das ist angesichts der Medienfülle und Pluralität der Gesellschaft eine anspruchsvolle Aufgabe.

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Datum: 07.11.2021
Autor: Fritz Imhof
Quelle: freikirchen.ch

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