Passion

Der Arzt, der selber «ans Kreuz» ging

Was bewegte René Hefti, Facharzt für Psychosomatik, ein Kreuz durch die Innenstadt von Langenthal zu tragen und sich daran aufhängen zu lassen? Was bedeutet ihm das Leiden Jesu für sein persönliches und berufliches Leben?
René Hefti am Gründonnerstag als leidender Christus am Kreuz.
René Hefti

René Hefti befand sich mitten in einer persönlichen Krise, als ihn eine Darstellung des Gekreuzigten tief berührte und auf einen neuen Weg brachte. Als Medizinstudent überlegte er ernsthaft, das Studium abzubrechen. «Ich merkte, dass mir die Medizin als reine Wissenschaft nicht genügte», beurteilt er rückblickend die Situation. Es war eine Zeit der Fragen und des Suchens - «eine Orientierungsphase». Damals kam er durch eine Dia-Show über Bob Dylan an der Universität in Kontakt mit Mitarbeitern von «Campus für Christus», die ihn zu einem Bibelgesprächskreis einluden. «Bob Dylan war eines meiner Idole», sagt er. Es wurden Lieder aus der «frommen Phase» des amerikanischen Liedermachers gespielt. Aber nicht diese Texte sprachen René Hefti an, sondern ein Bild von Jesus am Kreuz. «Die Tatsache, dass Jesus für mich stirbt, ist das, was mich bis heute am tiefsten berührt. Mehr noch als die Auferstehung.»

Glaubensbezug durch Leid

Man könne das Kreuzesgeschehen nicht auf jeder Ebene ganz erfassen und verstehen, sagt René Hefti heute. An jenem Abend aber sei ihm «der Himmel aufgegangen». Er wurde Christ, und damit änderte sich auch seine Sichtweise auf das Studium. Plötzlich bekam er eine neue Perspektive für die Medizin. «Es wurde zu meinem Herzensanliegen, die Medizin mit dem Glauben zu verbinden.» Wenn der Glaube frei sei von einengenden Gottesbildern, werde er zu einer «Ressource in der Krankheitsbewältigung». Seit zehn Jahren ist René Hefti nun an der Klinik SGM Langenthal angestellt und inzwischen Chefarzt der Psychosomatik. Die Klinik mit ihrem ganzheitlichen Konzept gibt ihm die Möglichkeit, sein Anliegen in die Arbeit einzubringen. «Es gibt Menschen, die erleben an ihrem eigenen Leib ein Stück Passion. Leid kann einen ganz neuen Glaubensbezug auslösen oder den Glauben tiefgreifend verändern. Durch die Passionsgeschichte bekommt das Leid eine Perspektive. Das Schlimmste, was es gibt, ist wohl sinnloses Leiden», so Hefti.

Passion ist Provokation

Aber René Heftis Wunsch, das Evangelium zu den Menschen zu bringen, geht über die Klinikmauern hinaus. In Langenthal engagiert er sich in der übergemeindlichen Arbeitsgemeinschaft für offene christliche Jugendarbeit. Hier ist er für das Ressort «Aktionen» verantwortlich. In diesem Rahmen hatten sie in den letzten Jahren die Möglichkeit, jeweils am ersten verkaufsoffenen Sonntag die Weihnachtsgeschichte aufzuführen. Viermal nun organisierten sie an Ostern einen Passionszug durch die Innenstadt - seit dem letzten Jahr auch mit der Kreuzigungsszene. Hefti übernahm die Jesusrolle.

«Natürlich gab es im Vorfeld Fragen: Soll man das? Ist das nicht Blasphemie?» Zudem sei Langenthal ein grosses Dorf. «Viele Leute kennen mich.» Das sei für ihn als Chefarzt ein zusätzliches Spannungsfeld. Manche fragen sich: «Ist das ein religiöser Spinner?» Anderen wird klar: «Der meint es wohl ernst.» Aber das gehöre dazu. «Die Passion Jesu ist eine Provokation in sich», betont Hefti. Die Leute sind «komisch berührt» und fragen sich vielleicht, was an Karfreitag wirklich geschehen ist. Die Aktion soll in Verbindung mit der Kurzbotschaft die Frage provozieren: Was bedeutet dieses Geschehen für mich?

Menschen im Seitenspiegel

Hefti selbst bekam beim Darstellen der Passion einen ganz neuen Zugang: «Es wird für mich selbst erlebbarer, kommt mir ein Stück näher.» Er hatte einige Rückmeldungen bekommen, dass die Art und Weise, wie er die Szene spiele, sehr echt wirke. «Wenn ich in der Rolle bin, dann nehme ich meine Umgebung kaum noch war. Ich merke zwar, dass da Menschen sind, sehe sie aber nur wie im Seitenspiegel.» Sein Wunsch ist, dass die Menschen das Geschehen irgendwie begreifen. So wie es ihn selbst einmal so plötzlich getroffen hat.

Diesen Artikel hat uns «Idea Spektrum Schweiz» zur Verfügung gestellt.

Zur Person:
René Hefti, Dr. med., 1961, ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von zehn (Zwillinge) und sieben Jahren. Er ist Chefarzt für Psychosomatik an der Klinik SGM Langenthal, einer christlichen Fachklinik für Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie, und Dozent für psychosoziale Medizin an der Universität Bern. Er gehört der Evangelisch-methodistischen Kirche Langenthal an.

Datum: 21.04.2012
Autor: Christof Bauernfeind
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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