Christliche Lehrer: Gefahr für die Schüler?

Ein Artikel der Zürcher Studierendenzeitung schlägt hohe Wellen. „Wird das Klassenzimmer zur Bibelschule?" fragt das Blatt in einem Artikel, der sich mit christlichen Studierenden an der Pädagogischen Hochschule befasst. 10 bis 30 Prozent der Studierenden sollen zur „Fischlifraktion" gehören.
Sind Lehrer mit klarer christlicher Überzeugung ein Problem für Schweizer Schulen?
Junge Menschen orientieren sich vermehrt an christlichen Werten: Teilnehmer am Praisecamp 2008 in St. Gallen.

Die Zeitung sprach mit diversen Studenten der Pädagogischen Hochschule Zürich sowie dem ihr angegliederten Institut Unterstrass. Die Studierenden schätzen den Anteil der „Fischlifraktion", wie die bekennenden Christen aus hauptsächliche freikirchlichen Kreisen von den Mistudierenden genannt werden, auf 10 bis 30 Prozent. Sie würden sich vom Sexualpädagogik-Modul dispensieren lassen (wegen eines Bildes von einem Zungenkuss), lehnten die Evolutionslehre ab, verbesserten ständig die Dozentin im Fach „Religion und Kultur", äusserten sich abschätzig über Homosexuelle oder seien überzeugt, dass islamische Kinder in die Hölle kämen.

Benunruhigte Experten

Laut der Studierendenzeitung sei es zwar übertrieben, zu behaupten, dass das Bildungssystem deswegen von Fundamentalisten unterwandert werde. Doch Studierende, Dozierende und Experten seien beunruhigt: Alle wollen die Entwicklung mit wachsamen Augen verfolgen. Und fordern, dass die Hochschule ihren Studierenden die Wichtigkeit einer strikten Trennung von Glaube und Unterricht einprägt.

Lasse man die Gefahr einer Missionierung im Klassenzimmer beseite, räumen laut der Studierendenzeitung aber auch Kritiker der „Fischlifraktion" ein, dass gläubige Menschen oft sehr gute Lehrer sind. «Ein freikirchlicher Hintergrund kann sehr problematisch, aber natürlich auch sehr fruchtbar sein», wird Johannes Kilchsperger zitiert, der an der PH die Fachgruppe „Religion und Kultur" leitet. «Es war schon immer so, dass religiöse Leute eher einen Lehrberuf wählen», so Kilchsperger. Er kenne Lehrpersonen, die kreativ und offen seien und bewusst mit ihrem Hintergrund umgingen.

„Vom Schulunterricht entfernen"

Die Gratiszeitung News hat das Thema in den letzen Tagen wiederholt aufgeriffen. So titelte die Pendlerzeitung mit „Religiöse Extremisten unterwandern die Schule - PHZ-Prorektor wehrt sich gegen evangelikale Freikirchler" und „Frömmler sind für Schule gefährlich" . News zitierte den Prorektor der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZ), Hans-Jürg Keller, mit folgenden Worten: „Solche Lehrkräfte müssten vom Schulunterricht entfernt werden." Der Prorektor dementierte vehement, dass sich Studierende aus religiösen Gründen von der Sexualpädagogik dispensieren lassen könnten.

Verstoss gegen Antirassismus-Strafnorm?

Die Evangelische Volkspartei EVP reagierte mit deutlichen Worten auf Kellers Aussagen. „Die Androhung eines Berufsverbotes für Gläubige ist inakzeptabel." Der Prorektor sei laut der christlichen Partei selber am falschen Ort, wenn er glaube, er könne Lehrkräfte mit christlichen Überzeugungen vom Schuldienst entfernen. Weil in der Schweiz Glaubens- und Gewissensfreiheit herrscht, „missachtet er die Verfassung und verstösst allenfalls gar gegen die Antirassismusstrafnorm".

Laut EVP haben sich besorgte Lehrkräfte bei der Partei gemeldet. „Als Lehrer und Christ darf ich also nicht mehr an die Aussagen der Bibel glauben, sonst gehöre ich vom Schuldienst entfernt", so eine der Rückmeldungen. Ein anderer Lehrer schrieb, dass er seinen Schülern keineswegs die Hölle heiss machen würde. Doch es stosse ihm sauer auf, dass heute zwar alles geglaubt werden, man den christlichen Glauben aber nicht mehr vertreten dürfe.

Keine Indoktrination

Trotzdem ist für die EVP unbestritten, dass Lehrkräfte im Klassenzimmer keine Indoktrination betreiben dürfen und dass sie zwischen sich als öffentliche und private Person unterscheiden müssen. „Es ist richtig, wenn die Ausbildungsinstitutionen dies thematisieren und auch Standards vorgeben", gibt die EVP zu. Doch die zitierten Aussagen von Hans-Jürg Keller dürften nicht unwidersprochen bleiben. Auch ein PHZ-Prorektor habe sich an die Verfassung zu halten.

Orientierung an christlichen Werten

Auch die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) hat mit einer Medienmitteilung zum Thema Stellung bezogen. Die SEA stellt dabei fest, dass sich nicht nur junge Lehrkräfte, sondern allgemein junge Menschen vermehrt wieder an christlichen Werten orientieren würden. Dies würden Umfragen unter säkularen Jugendlichen wie auch die Entwicklungen in den Kirchen zeigen.

„Ob in Landes- oder Freikirchen, Jugendliche suchen wieder vermehrt nach verbindlichen Werten", erklärt Matthias Spiess, SEA-Jugendbeauftragter und Mitverantwortlicher des Praisecamps, einem Teenieevent, der über die Jahreswende beinahe 3000 Jugendliche während einer Woche nach St. Gallen zog. „Wir beobachten, dass sich die „Godis", überkonfessionelle Jugendgottesdienste von Frutigen bis Schaffhausen, grosser Beliebtheit erfreuen", so Spiess. Da sei es logisch, dass auch an Lehrerbildungsinstituten Glaubensfragen unverkrampft diskutiert werden.

An die Spielregeln halten

„Sozialkompetenz und Selbstkompetenz sind moderne Werte in der Schule, welche von christlich denkenden Lehrerinnen und Lehrern mit Überzeugungskraft gelehrt werden", schreibt die SEA. Neben einem hohen Verantwortungsbewusstsein brauche es dazu Vorbilder, welche mit Nächstenliebe, Freundlichkeit, Vertrauen, Mut und Idealismus ansteckend auf Kinder und Teenager wirken. Für die SEA ist aber auch klar, dass sich jedes Engagement von Christen an die Spielregeln einer liberalen Gesellschaftsordnung zu halten hat. Aber: „Was wäre denn so schlimm daran, wenn fromme Jugendliche auch Lehrerinnen und Lehrer würden?", fragt Matthias Spiess. „Biblische Werte sind nicht weltfremd, im Gegenteil."

Übrigens: Zumindest ein Kompliment an die „Fischlifraktion" kommt laut der Zürcher Studierendenzeitung auch von Seiten der unreligiösen Studierenden. Sie bewundern, wie herzlich ihre christlichen Kommilitoninnen mit Kindern umgehen.

Link zum Thema:
Der Artikel der Zürcher Studierendenzeitung

Datum: 03.04.2009
Autor: David Sommerhalder
Quelle: Livenet.ch

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