Camping Les Cerneux – Ein geglücktes Experiment

Paul Mori
Camping von Les Cerneux

Im Jahr 2000 wurde der von einer christlichen Stiftung errichtete Campingplatz Lex Cerneux in den jurassischen Freibergen in Betrieb genommen. Er verfolgte das Konzept, den beruflichen Wiedereingliederung von jungen Leuten nach Krisenerfahrungen in einem wirtschaftlich arbeitenden Betrieb zu fördern.

Gegen Ende des dritten Betriebsjahres wollten wir vom Initianten der Idee, Paul Mori, wissen, ob das Experiment gelungen sei. Paul Mori ist auch Leiter des von der SBE – Stiftung für berufliche und soziale Eingliederung getragenen Therapiezentrums Mettleneggen in Wattenwil und Wegmatte in Trubschachen.

Fritz Imhof: Welches Fazit ziehen Sie aus den Erfahrungen mit Les Cerneux nach zwei Betriebsjahren?
Paul Mori: Wir stehen jetzt im dritten Betriebsjahr, und ich bin sehr dankbar darüber, wie sich die Arbeit bisher entwickelt hat. So wie es aussieht, werden wir dieses Jahr erstmals schwarze Zahlen schreiben, und das bedeutet für uns eine Bestätigung, dass es Sinn macht, wirtschaftliche und soziale Aspekte in einem Projekt miteinander zu verbinden.


Wie wird Les Cerneux bei sozialen Amtsstellen bewertet?

Bisher habe ich eigentlich nur positive Rückmeldungen. Dies hatte zur Folge, dass zur Zeit alle Therapieplätze auf dem Zeltplatz belegt sind. Auch bei Feriengästen, Kunden und Ratsuchenden ist das Interesse gross. Wir erleben eine hohe Akzeptanz. Die Reaktionen besagen gemeinhin, dass unser Projekt „Hand und Fuss“ hat.

Worauf führen Sie die positiven Reaktionen bei den Feriengästen zurück?
Ich zitiere aus dem Bericht eines Praktikanten. Er schreibt uns: „… Dabei stellt mich auf, dass die positiven Reaktionen bei weitem überwogen. Mehrmals durfte ich Gäste anmelden, die nach ihrer Abreise zurückkehrten, weil sie keinen annähernd so schönen Zeltplatz gefunden haben.“ Ich denke schon, dass die ganze Beziehungsqualität unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine lebendige Gemeinschaft bilden, die Leute berührt. Unsere Mitarbeiter bilden einen gemeinsamen Kern, der auf die ganze Anlage ausstrahlt. Sie investieren sich persönlich auf eine ganz besondere Art und Weise. Da schadet es auch nicht, wenn nicht alles perfekt abläuft, denn der Alltag in Les Cerneux hat einen speziellen Charme.

Hinter dem Konzept stand auch die Idee eines Begegnungszentrums zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens und zwischen Christen und Nichtchristen. Sind solche Begegnungen zu Stande gekommen?
Es gab ein dramatisches Ereignis, das die verschiedenen Glaubensgemeinschaft ganz besonders verband: es war, als ein dreijähriges Kind in den Naturteich fiel und leblos aus dem Wasser geborgen wurde. Das Kind wurde von der Rega abgeholt und ins Spital geflogen. Durch dieses Ereignis kam es zu einem gemeinsamen Gebet und zu einer Solidarität zwischen den Menschen unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften. Alle standen zusammen, beteten und lobten Gott für seine Hilfe. In der Folge konnte das Kind gerettet werden, und es hat auch keinerlei Schaden genommen, obwohl es nach Aussagen des Arztes ca. sechs Minuten lang unter Wasser war.

In der Folge kam es am Freitagabend auf dem Zeltplatz zu einem gemeinsamen Gottesdienst der Chrischona-Gemeinde, an dem sich die Christen aus verschiedenen Kirchen und Gemeinden gemeinsam freuten, weil Gott ein Unglück in Segen verwandelt hatte.

Gab es auch Begegnungen zwischen Christen und Nichtchristen?
Les Cerneux scheint zu einem Ort geworden zu sein, wo sich Leute aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum treffen. Offenbar merken die Menschen, dass Les Cerneux eine besondere Atmosphäre schafft, wo man sich begegnen kann. Zum Beispiel haben die Reiter/innen bemerkt, dass man bei uns mit den eignen Pferden in die Ferien kommen kann.

Welche Erfahrungen haben die Mitarbeiter in Les Cerneux gemacht?
Nach drei Jahren kann man feststellen, dass sich eine tragfähige Mitarbeiterstruktur gebildet hat. Es ist ein funktionierendes Team entstanden. Während wir uns in einer ersten Phase vor allem um die Feriengäste gekümmert haben, erfahren in der zweiten nun auch die Klienten mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung und sind auch im Betrieb aktiver und sichtbarer.

Dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert sind, ist auch ein Grund dafür, dass die Zahlen jetzt stimmen. Sie sind auch kreativer geworden und machen sich z. B. Gedanken, wie wir den Winter am besten nutzen können.

Wie beurteilen Sie die therapeutischen Auswirkungen auf die Programmteilnehmer?
Wir konnten erstmals in diesem Sommer die volle Kapazität nutzen, das sind insgesamt acht Programmteilnehmerinnen und -teilnehmer. Ich denke dass das sorgfältige Kombinieren von Milieutherapie mit dem praktischen Einsatz in einem wirtschaftlich arbeitenden Betrieb die Klienten stärkt und ihre Fortschritte beschleunigt.

Kann man schon von einem sozialen Integrationserfolg sprechen?
Dafür ist die Zeit noch etwas zu knapp. Wir sehen zwar einzelne Erfolge, aber für eine Gesamtbeurteilung sind einige Jahre nötig. Doch einzelne Absolventen und Absolventinnen haben bereits ihren Platz im Berufsleben gefunden. Das ist ermutigend.

Gab es im Lauf der Erfahrungen auch Veränderungen des Konzepts?
Wir haben entdeckt, dass wir uns stärker als zu Anfang als Betreuer der jungen Klienten sehen müssen. Anfänglich war es nötig, dass wir uns selbst stark an der Front betätigten, heute tun das vermehrt die Klienten, und wir betreuen sie.

Wie sehen Sie die Zukunft christlicher Sozial- und Therapiewerke angesichts der Situation der öffentlichen Hand?
Ich denke, dass die Zeit vorbei ist, wo sich Menschen in Krisenzeiten längere Zeit in ein therapeutisches Milieu zurückziehen und dann gleich den Einstieg in die Berufswelt und den Alltag versuchen. Wir sehen heute, dass ein möglichst früher Wiedereinstieg in den Beruf sehr wichtig ist und als motivierendes Element die Therapie abkürzt. Ich denke, dass diese Einsicht auch in anderen therapeutischen Einrichtungen um sich greifen wird.

Datum: 15.09.2003
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch

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