„Kirchen sind Teil des Problems“

Christian Krause, Präsident des LWB

Winnipeg. Mit einem ökumenischen Gottesdienst ist die 10. Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) eröffnet worden. Der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Christian Krause, hat die Kirchen der Industrieländer zu tief greifenden Reformen und zur "Neugestaltung auf allen Ebenen" aufgerufen. Viele Kirchen seien "müde geworden und kreisen um ihren sinkenden Bestand", kritisierte Krause bei der LWB-Vollversammlung im kanadischen Winnipeg.

"Als Christen haben wir keine Lösungen, sondern sind Teil des Problems", rief Krause den mehr als 400 Delegierten aus 76 Staaten zu. Viele Kirchen seien "in tiefe Widersprüche verstrickt". Militärische und wirtschaftliche Macht sowie Wohlstand und Freiheitsrechte seien weitgehend nur "dem einen Drittel der christlich geprägten Menschheit vorbehalten", während die grosse Mehrheit der Menschen durch Hunger, Armut, Krankheit und Unterentwicklung geprägt sei.

Dringend erforderlich seien "neue ökumenische Kooperations- und Gemeinschaftsformen", die die Kirchen der Entwicklungsländer nicht länger an den Rand drängten, forderte der Repräsentant von weltweit 61,7 Millionen Christen in 136 Kirchen. "Statt schrumpfender Mitgliedszahlen wie in vielen Teilen des Nordens ist hier ein erhebliches Wachstum festzustellen", so der frühere braunschweigische Landesbischof.

Es gebe deshalb eine "Gewichtsverlagerung von Norden nach Süden", die erhebliche theologische und praktische Konsequenzen nach sich ziehe. Dies betreffe unter anderem den wachsenden Wunsch vieler Kirchen nach Stärkung "konfessioneller Weltfamilien".

Die Folgen der Säkularisierung nach 1989 hätten gerade in Europa zu massiven "religiösen und ideologischen Vakuen" geführt, während die Kirchen der Entwicklungsländer durch rasch wachsende charismatische Gruppen "explodierendes Wachstum" verzeichneten, sagte der Weltbund-Präsident. In den Favelas Lateinamerikas und den Townships Südafrikas oder bei den fast 200 Millionen rechtlosen Dalits Indiens "feiern Menschen zumeist unter den Bedingungen bitterster Armut ihre Gemeinschaft in Christus".

Der Nord-Süd-Konflikt verschärfe sich mit jedem Jahr, sagte Krause. Die Zukunft der Weltchristenheit werde darum wesentlich davon abhängen, ob es den Kirchen der Industrieländer gelinge, die neuen christlichen Bewegungen der Entwicklungsländer "zu integrieren oder doch zumindest in einem ökumenischen Verbund beieinander zu halten", so Krause.

Visaverweigerung

Die kirchliche Grossveranstaltung ist davon überschattet, dass 60 Delegierte aus Ländern des "Südens" keine kanadischen Visa erhalten haben. Unmittelbar vor Eröffnung der Vollversammlung hatte der LWB-Rat erneut an die Behörden Kanadas appelliert, die Visa zu erteilen. Selbst nach Beginn der Vollversammlung sei es nicht zu spät, die bisherige Haltung zu korrigieren.

Die Visaverweigerung sieht der Lutherische Weltbund "mit tiefster Betroffenheit und Sorge". Von der Entscheidung seien insbesondere Vertreter der ärmsten Nationen betroffen. Damit verdeutliche die Haltung Kanadas einen der beklagenswertesten Aspekte der Globalisierung: Nämlich die Ausgrenzung des armen "Südens" aus der weltweiten Gemeinschaft.

Quellen: epd/Kipa

Datum: 25.07.2003

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