Rettung auf eigene Faust

«Styx» oder die Frage: Wer ist mein Nächster?

Frisch im Kino ist «Styx», ein Film von Wolfgang Fischer. Die Jury der Evangelischen Filmarbeit zeichnete den Film über die Begegnung einer Ärztin mit Geflüchteten in Seenot mit dem Titel «Film des Monats» aus. Der hoch emotionale Inhalt stellt die neutestamentliche Frage «Wer ist eigentlich mein Nächster?» in unsere Zeit hinein.
Die Protagonistin zieht einen Flüchtling aufs Boot.

Bereits während der Berliner Filmfestspiele im Februar feierte «Styx» seine Premiere. Die deutsch-österreichische Koproduktion mit Susanne Wolff in der Hauptrolle der Ärztin Rike wurde dort mit dem Heiner-Carow-Preis der DEFA-Stiftung ausgezeichnet. Am 13. September kam er in die deutschen Kinos.

Der Inhalt

Die gut vierzigjährige Rike arbeitet als Notärztin in Köln. Im Urlaub will sie sich einen Traum erfüllen und allein im Segelboot von Gibraltar nach Ascension segeln, einer Insel im Südatlantik. Charles Darwin hatte dort ein legendäres Bepflanzungsprojekt initiiert. Tausende von Kilometern allein auf einer Zwölf-Meter-Yacht liegen vor Rike. Das wird kein Erholungsurlaub, doch sie ist fit und gut ausgerüstet.

Vor der afrikanischen Küste gerät sie jedoch in ein schweres Unwetter. Sie übersteht es gut, doch danach entdeckt sie in der Nähe einen Kutter in Seenot, von dem über Hundert geschwächte Flüchtlinge um ihr Leben flehen. Einige springen bereits ins Wasser, als sie Rikes Yacht erblicken. Sie ruft per Funk um Hilfe, doch die Küstenwache weist Rike an, sich zurückzuziehen. Als Mensch und Ärztin will sie das aber nicht tun. Und dann erreicht ein erster Geflüchteter ihre Yacht…

Kritiken

Der Film wurde von Kritikern durchaus kontrovers aufgenommen. «Spiegel online» nannte den Film «überflüssig» und sagte im Vergleich zu «All is lost» mit Robert Redford: «Wenn man bedenkt, was J. C. Chandor aus einem ähnlichen Setting [...] an Spannung, Dramaturgie und Erzähltiefe rausgeholt hat, muss man aufpassen, bei Styx nicht einzuschlafen.» Die «Süddeutsche Zeitung» würdigt ihn dagegen als «der richtige Film zur rechten Zeit», der die Fragen stellt, die die Protagonistin genauso überfordern wie unsere westliche Gesellschaft: «Wegschauen und weitersegeln, während sich vor den Augen eine humanitäre Katastrophe abspielt, geht nicht. Aber soll man Einzelne retten und viele andere sterben lassen? Oder versuchen, allen zu helfen, auch wenn das eigene Boot dabei sinkt?» Bei alldem hält der Kommentar fest: «Der Film bietet keinen billigen Ausweg aus diesem Dilemma, das ist das Ehrliche und Erschütternde an diesem Werk.»

Gehalt

Bereits der Titel lässt an eine Auseinandersetzung um Leben und Tod denken: Styx war in der griechischen Mythologie der Grenzfluss zwischen der Welt der Lebenden und dem Totenreich. Während Rike als Ärztin und geübte Seglerin ein geplantes «Abenteuer» eingeht, das ein kalkuliertes Risiko ist, kämpfen die Flüchtlinge im Boot wirklich um ihr Leben. In der Handlung greift Regisseur Wolfgang Fischer die aktuelle Situation von Zehntausenden von Flüchtlingen und Tausenden von Toten auf. Der Film wird immer dann besonders dicht und berührend, wo er die Allgemeinplätze der politischen Gesamtsituation verlässt und nicht erklären will, sondern einfach zeigt: die Unendlichkeit des Meeres, das kenternde Schiff der Flüchtlinge aus der Ferne und die Hilflosigkeit der Ärztin, die genau weiss, dass sie nicht alle Menschen retten kann. Damit erinnert «Styx» an die Ausgangsfrage im biblischen Gleichnis vom barmherzigen Samariter: «Wer ist eigentlich mein Nächster?». Und der Film überlässt uns den eigenen Gedanken an ein «Was würdest du tut?».


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Datum: 19.09.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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