Jesus auf Platz 4

Hilft Religion auf dem Weg zu Frieden und Versöhnung?

Wie kann man in unserer Gesellschaft versöhnt und in Frieden leben? Hilft etwa auch die Religion dazu – oder schadet sie eher? Die «Viertelstunde für den Glauben» wollte wissen, was die Bevölkerung dazu meint und hat eine Umfrage in Auftrag gegeben.
Mutter Teresa und Mahatma Gandhi
Grafische Darstellung der Umfrage

In einer Zeit, in der grosse Religionskonflikte im Nahen Osten und in Afrika die Welt bewegen, hat die Frage von Religion und Versöhnung etwas Provokatives. Die Meinungen zu diesem Thema gehen denn auch weit auseinander: Die Antworten zeigen, dass eine knappe Mehrheit von 49 Prozent der Meinung ist, die religiösen Einstellungen seien für Versöhnung und Frieden nützlich, während diese Ansicht von nahezu ebenso vielen (47 Prozent) abgelehnt wird.

Versöhnung – ein Alltagsthema

Versöhnung sei für die Menschen in der Schweiz eines unter verschiedenen relevanten Alltagsthemen, sagt der Religionssoziologe Jörg Stolz von der Universität Lausanne. Von den religiösen Personen werde dies auch religiös begründet. «Andere rahmen die Frage anders, zum Beispiel psychologisch», so Stolz.

Demokratie braucht Konflikte

Der Religionssoziologe weist auch darauf hin, dass Streit und Konflikt in jeder Gesellschaft notwendig seien: «Die Frage ist, wie man diese kanalisiert». Funktionierende Demokratie, Gewaltenteilung und das Rechtssystem seien Möglichkeiten, den Streit in einer möglichst sinnvollen Weise für die Gesellschaft zu nutzen.

Religion wichtig für Versöhnung

Gemäss der Umfrage gehören 80 Prozent der Bevölkerung zu einer religiösen Glaubensgemeinschaft oder Konfession oder halten sich für religiös-spirituell. Davon sind 64 Prozent in einer christlichen Kirche. Verbinden diese Menschen ihre eigene religiöse Einstellung auch mit ihrem Suchen nach Frieden und Versöhnung?

Für eine deutliche Mehrheit (58 Prozent) ist dieser Zusammenhang stimmig. Sie bestätigen nämlich, dass ihr Wunsch nach und ihr Einsatz für die Versöhnung ganz oder teilweise aus ihrer religiösen Einstellung kommen. Dies gilt ganz besonders auch für die nicht-christlichen und nicht jüdischen Religionsgemeinschaften, die weniger säkularisiert sind und ihre Versuche, friedlich zu leben, noch deutlich stärker religiös begründen. Weit über 70 Prozent bejahten unter ihnen diese Frage, gegenüber 52 Prozent bei den Evangelisch-Reformierten und 56 Prozent bei den Katholiken.

Note «gut» für Jesus

Gibt es Vorbilder, die bei der Versöhnung besonders inspirierend sind? Darauf bezog sich eine weitere Frage, die sieben Vorbilder, von Jesus bis Papst Franziskus, einander gegenüberstellte. Aus christlicher Tradition gilt ja Jesus als eigentlicher Versöhner und Friedensstifter – sollte man meinen. Die Befragten sehen das etwas anders. Im Vergleich zu anderen bekannten Persönlichkeiten aus der Neuzeit schneidet Jesus mit 71 Prozent Zustimmung im Mittelfeld ab. Note «gut», aber nicht «hervorragend», könnte man sagen. Allerdings finden die Befragten, die sich vorgehend zu einer höheren Bedeutung der Religion für die Versöhnung ausgesprochen haben, bei Jesus eine sehr hohe Vorbildfunktion (85 Prozent). Generell fanden von allen erwähnten Vorbildern besonders Nelson Mandela (Platz 1) und Mutter Theresa (Platz 2) hohen Zuspruch.

«Moralisten» sind wir alle

Bleiben also in der Schweiz religiöse Werte eine wichtige Grundlage, mit der die Menschen den Weg der Versöhnung und das friedliche Zusammenleben suchen? Ja, meint dazu die Hälfte der Bevölkerung. Und bei den Menschen mit einer religiösen Anbindung sind es noch deutlich mehr. Was ist aber mit den anderen, mit den Säkularen, den aus der Religionsgemeinschaft Ausgetretenen? Ist für sie Versöhnung weniger wichtig? Das wäre wohl ein falscher Rückschluss. Dazu Jörg Stolz: «Tatsächlich ist es so, dass religiöse Personen normalerweise ihr moralisches und ethisches Handeln auch oder vorrangig religiös begründen. Wenig religiöse Personen sind jedoch nach unseren Erkenntnissen nicht weniger 'moralisch' oder 'werthaft'. Nur begründen sie ihr Handeln nicht religiös.»

Mehr zum Thema in der «Viertelstunde für den Glauben». Diese erscheint Dezember 2014. Das Heft für sich oder zum Weitergeben bestellen.

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Datum: 11.11.2014
Autor: Thomas Hanimann
Quelle: Livenet / viertelstunde für den Glauben

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