Sterbebegleitung

«Es ist für das eigene Leben unglaublich bereichernd»

Wenn Ursula Wiederkehr vom Sterben spricht, klingt das nicht traurig. Sie freut sich für den Menschen, wenn er ruhig und ohne Schmerzen loslassen und gehen kann. «Weinen tut unglaublich gut», ist sie überzeugt und gibt gerne zu, dass ihr in diesen Stunden mit einem sterbenden Menschen auch mal die Tränen über die Wangen laufen. Für sie gehört das Weinen ebenso zur Begleitung Sterbender wie die Freude.
Sterbebegleitung
Ursula Wiederkehr

Ursula Wiederkehr ist seit rund 14 Jahren aktiv bei einer überkonfessionellen Gruppe dabei, die Schwerkranke und Sterbende im luzernischen Seetal begleitet. Ehrenamtlich stellt sie rund einmal pro Monat eine Nacht zur Verfügung. «Wenn ich bei einer Person wache, möchte ich alles geben können», sprudelt es aus ihr heraus, «ich möchte voll da sein für diese Person». Daher kann es durchaus sein, dass sie bei einer Anfrage mal absagt, weil es ihr mental nicht gut geht oder einfach in ihrer Familie viel los war. Diese Freiheit habe jeder in der Gruppe, sagt sie, und sie sei auch sehr wichtig.

Mit dem Tod konfrontiert

Ein tragisches Ereignis in ihrer Familie vor 20 Jahren war auch der Grund, warum sie sich für die Begleitung Sterbender entschieden hat. «Die Erfahrung von damals, der Tod meines 10-jährigen Neffen, den musste ich verarbeiten", erzählt Ursula Wiederkehr. "Viele aus der Gruppe sind so wie ich dazu gekommen, haben Ähnliches erlebt», sagt die 50-Jährige.

Für Ursula Wiederkehr hat die Begleitung grosse Priorität. «Aber sie muss für mich stimmen, sonst kann ich nicht gehen.» Unterstützt wird die Hausfrau und Schulschwimmlehrerin in ihrem Engagement auch von ihrem Mann und ihren drei fast erwachsenen Kindern, wenn sie in der Regel zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Sitzwache hält.

Sanfte Berührungen

Ihre Einsatzorte sind mehrheitlich die Altersheime in Hochdorf, wo sie kurz vor Beginn der Sitzwache, wie sie ihre Tätigkeit bezeichnet, noch vom Pflegepersonal über die Bedürfnisse der sterbenden Person informiert wird. «Wir wollen mit unserer Begleitung auch das Pflegepersonal im Nachtdienst entlasten, das kaum Zeit hat, um bei einer schwerkranken Person eine Nacht lang zu wachen».

Ursula Wiederkehr legt ihre Hand auf die der sterbenden Person. Man merke gleich, ob jemand dies schätze, vielleicht sogar noch kräftiger zupacke oder auch keine Berührung wünsche, erzählt sie. Auch möchte sie den Menschen die Möglichkeit geben, «allein zu gehen». «Meistens gehe ich gegen drei Uhr mit der Nachtwache einen Kaffee trinken und sage der Person, dass sie nun kurz alleine ist». Nicht immer kann ein Mensch «gleich in der ersten Nacht» gehen, meist dauert es mehrere Nächte und «dann stirbt er vielleicht nicht während meiner Begleitung, sondern bei einer anderen Begleitung». Doch diese Nächte seien unglaublich bereichernd für ihr eigenes Leben.

«Ich fühle mich getragen»

Auch die Gruppe selbst, bestehend aus 14 Frauen und einem Mann im Alter zwischen 30 und 70 Jahren, wird begleitet. Einerseits auf theologischer Ebene durch einen Pfarreileiter aus dem Seetal, anderseits in Form von jährlichen Weiterbildungen. «Ich fühle mich in der Gruppe sehr getragen», sagt Ursula Wiederkehr, und man sieht die Freude in ihrem Gesicht. Vier- bis fünfmal pro Jahr trifft sich die Gruppe zum Austausch, der ihr sehr wichtig ist und an dem fast immer alle teilnehmen, wie sie betont, «denn wir haben es sehr gut miteinander». Bei diesen Treffen habe «alles Platz», die unterschiedlichsten Auffassungen und Anliegen, der Glaube und Gott, aber auch Schutzengel und natürlich Tränen.

Die Gruppe erfahre auch bei ihren jährlichen Treffen mit dem katholischen Pfarrer und dem reformierten Pastor eine «unglaubliche Wertschätzung» für ihre Arbeit und viel Wohlwollen. Von beiden Kirchen wird sie finanziell unterstützt. Reibereien und Meinungsverschiedenheiten mit den Hauptamtlichen seien ihr fremd. «Nein, so etwas hat es noch nie gegeben», sagt sie spontan.

Halt findet Ursula Wiederkehr in ihrem Glauben. «Ich bin einfach stark im Glauben verwurzelt und möchte dies auch weiter geben», sagt sie. Sie selbst habe den «Glauben und die Liebe» von ihrer Mutter erfahren. Auch ihre Eltern hat Ursula Wiederkehr auf deren letzten Wegen begleitet.

Datum: 18.03.2011
Quelle: Kipa

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