Projekttage am TDS Aarau

Armut und Ungerechtigkeit – in der Welt und vor der Haustür

«Wir sind der Armut von unterschiedlichsten Aspekten her begegnet» – so resümiert eine Studentin die zwei Projekttage am TDS Aarau. In Referaten, Workshops, Austauschrunden sowie spielerischen Sequenzen wurden Studierende konfrontiert: mit der Armut in der Schweiz, mit theologischen Aspekten und mit Modellen zur Bekämpfung der weltweiten Armut.
TDS Aarau – Projekttage Armut (Bild: Facebook)

Zu Beginn legte Stefan Wenger eine theologische Grundlage. Der AT-Dozent des TDS Aarau zitierte Bibeltexte aus einem grossen Spektrum zu Reichtum und Armut: Reichtum als Zeichen von Gottes Güte; Reichtum, welcher Verantwortung nach sich zieht; Betrug, welcher Gericht nach sich zieht. Aber auch Formen der Gottesverehrung hätten einen Bezug zu Armut. So soll Fasten verbunden sein mit einem Einsatz für Gerechtigkeit: «Ist nicht das ein Fasten, wie ich es wünsche: die Fesseln des Unrechts zu lösen, […] dem Hungrigen dein Brot zu brechen, obdachlose Arme ins Haus aufzunehmen?» (Jesaja, Kapitel 58, Verse 6-7)

Stefan Wenger skizzierte Gottes neue Welt als einen Ort von unermesslichem Reichtum: ein Ort «ohne Abschied», ein Ort, der nicht von Menschen gemacht sei, ein Ort des grössten Feierns. Und stellte diesen dann wieder in Bezug zu unserer Welt: «Wer liebt, holt schon etwas von Gottes ewiger Welt in unsere Zeit.»

Schweizer Realität

Marianne Hochuli von Caritas Schweiz holte die Studenten sozusagen zurück auf den (Schweizer) Boden der (ungleichen) Tatsachen. «In der reichen Schweiz lebt 1/15 der Bevölkerung unter der Armutsgrenze», so die Leiterin der Fachstelle Migrationspolitik von Caritas Schweiz. Eine Ursache sei die wirtschaftliche Situation: «Einfache Jobs werden mehr und mehr abgeschafft – eine Folge der Automatisierung und Digitalisierung.» Sie erwähnte auch die «Uberisierung» – das Uber-Taxi-Modell als eine Anstellungsform ohne Sicherheit, ohne Sozialleistungen und mit tiefem Lohnniveau.

Jugendverschuldung und effektive Spenden

In Workshops konnten Referate vertieft oder neue Aspekte beleuchtet werden. Es wurden Ideen weitergegeben, wie zukünfige Katechetinnen und Jugendarbeiter das Thema in ihrem Beruf angehen können. Im Spiel Katonida kämpften fünf Dörfer ums Überleben. Im Katechetik-Workshop bereiteten die Studierenden das Thema Armut «für verwöhnte Nutella-Kinder» auf. Ein anderer Workshop ging dem Pänomen der Jugendverschuldung auf die Spur und stellte ein Präventionsprojekt vor.

Provozierende Fragen warf Dominic Roser, Ökonom und Philosoph, auf. Sein Workshop «Spenden, die ins Schwarze treffen» durchleuchtete unser Spendenverhalten: «Wenn wir ein Auto kaufen, dann recherchieren wir lange für ein passendes und günstiges Modell. Beim Spenden verlassen wir uns oft auf unsere Intuition und entscheiden uns für das Naheliegende.» Wenn es unser Anliegen sei, Armut zu bekämpfen, dann lohne sich eine Recherche über die Effektivität von Hilfsorganisationen ganz besonders. «Mit 10'000 Franken können – je nach Hilfswerk – nur ein oder eben auch zehn Menschenleben gerettet werden.»

Roser ist Leiter von «Effective Altruism for Christians» und plädiert für Spenden mit Wirkung: «Ich spende an Organisationen, welche sich in die wichtigsten, die lösbarsten und die am meisten vernachlässigten Probleme investieren.»

Gegensteuer geben

Am zweiten Tag wurden die 17 UNO-Ziele für eine Nachhaltige Entwicklung von einer christlichen Perspektive her beleuchtet. Rebecca Stankowski ist Kampagnenleiterin bei StopArmut, einer Sensibilisierungskampagne für Christinnen und Christen in der Schweiz. Sie thematisierte auch den Gegenwind aus den eigenen Reihen und liess die Studierenden austauschen: «Findet ihr, der Einsatz fürs Klima ist aus christlicher Sicht geboten?» – «Die Bewahrung der Schöpfung ist sicher biblisch», meinte ein Student. Aber man müsse das Thema nicht übertreiben. Ein anderer ergänzte: «Das Thema wurde lange vernachlässigt, also sollte man jetzt ein wenig Gegensteuer geben.»

Zu dieser «Gegensteuer» wurde im Workshop «Ich konsumiere, also leiden andere» aufgerufen. Studierende recherchierten zu den Folgen ihres Konsums. Ihr Fazit: Wie wir essen, reisen und uns kleiden beeinflusst das Wohlergehen der Produzentinnen unserer Konsumgüter direkt. Und indirekt über den CO2-Ausstoss: Dieser verursacht den Klimawandel, welcher mittelfristig Menschen unter der Armutsgrenze wiederum härter trifft als uns, die Verursacher. Das Gebot «Liebe deinen Nächsten» von Jesus heisst in unserer Zeit also auch: Konsumiere gerecht und schone die Umwelt!

Spielerisch die Ungerechtigkeit vor Augen führen

Beim Spiel «Fair Battles XXL» waren die Studierenden die «Töggeli» eines überdimensionierten Töggelikastens. Die einen kämpften mit Handicaps, andere hatten Privilegien in der Verteidigung. Ein Kampf mit ungleichen Spiessen also, welcher die realen Verhältnisse unserer Welt abbildet, etwa die ungleichen Erfolgschancen eines Minenarbeiters und eines Börsenspekulanten. Oder die Folgen von gedankenlosem Konsum.

Ringen um Lösungen

Zwei Tage Beschäftigung mit der Not in der Welt hinterlassen Spuren. Entsprechend anregend waren die Pausen- und Mittagessengespräche. Es wurde gerungen um grosse und kleine Lösungsansätze. Beispielhaft dafür der Ausspruch einer Studentin. Im Anschluss an ein Referat, in welchem über die Arbeit in den Slums von Manila berichtet wurde, meinte sie: «Ich würde am liebsten gleich einsteigen und dieses Projekt in Manila unterstützen. Aber mein Mann fliegt nicht – der Umwelt zuliebe.»

Nichtsdestotrotz: Der berühmte erste Schritt war auch Teil der Projekttage. Am letzten Nachmittag sassen die Studierenden in Gruppen zusammen und skizzierten konkrete Projekte zur Bekämpfung von Armut. Diese sollen in ihrer Anstellung oder am TDS in den nächsten Wochen umgesetzt werden.

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Datum: 10.03.2020
Autor: Matthias Ackermann
Quelle: TDS Aarau

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