Fluch und Segen der Technik

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Wir leben in einer hochtechnisierten Welt. Gäbe es keine Technik, wäre die Menschheit nicht mehr zu ernähren, Seuchen wären an der Tagesordnung und die tägliche Arbeitszeit doppelt so lang. Technik ist nicht ein abscheuliches Produkt des Fortschrittwahns, sondern eine wichtige Methode, grundlegende menschliche Bedürfnisse wirksam zu befriedigen. Beispiel Landwirtschaft: Die ersten Menschen mussten den Acker mühsam mit einem Stock bearbeiten. Die Erfindung der Hacke erleichterte die Feldarbeit und setzte so die Arbeitskraft effizienter ein. Die heutige Landwirtschaft ist ohne Traktoren, Mehrfachpflüge, Sämaschinen und Mähdrescher gar nicht denkbar. Noch vor hundert Jahren gab es auch in Mitteleuropa Hungerperioden. Der Einsatz von mineralischem Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Maschinen sowie eine Saatgutverbesserung haben das geändert.

Mindestens genauso einschneidend sind Fortschritte und Vorteile der Medizin. Durch die Erfindung der Faseroptik können heute Hohlräume (z. B. Magen, Darm) direkt beobachtet und krankhafte Stellen diagnostiziert werden. Der Einsatz der Computer-Tomographie erlaubt sogar eine dreidimensionale Darstellung ohne schädliche Röntgenstrahlen. Der medizinische Fortschritt des 20. Jahrhunderts hat Behandlungen möglich gemacht, von denen leidende Menschen früherer Jahrhunderte nicht einmal träumen konnten.

Die Grenzen sind schnell erreicht

Doch allen wissenschaftlichen Errungenschaften zum Trotz lehrt ein Blick in die Schöpfung Bescheidenheit – denn: Kein Biologe hat bisher zum Beispiel das Prinzip der Photosynthese nachvollziehen können – wie Pflanzen mit Hilfe des Sonnenlichts Energie erzeugen. Kein Verfahrenstechniker ist in der Lage, diesen genialen Energieumsetzungsprozess nachzubauen. Wer hier neue Detailerkenntnisse bringt, kann sich des Nobelpreises sicher sein.

Kein Wissenschaftler kann die molekularen Mechanismen erklären, mit deren Hilfe eine Heuschrecke sich wie ein verwelktes Blatt “verkleidet”. Die Buchstabenfolge des menschlichen Genoms im DNS-Molekül wurde im vergangenen Jahr identifiziert, aber die Entschlüsselung ihres Sinngehalts liegt noch in weiter Ferne.

Menschen können denken, fühlen, wünschen, glauben, hoffen, sind jedoch himmelweit davon entfernt, die Funktionsmechanismen des menschlichen Gehirns zu verstehen. Im Bereich der Informationstechnik macht die sogenannte “Künstliche Intelligenz” von sich reden. Komplexe Programmiersysteme befähigen Roboter, Autos zu montieren, Orgel zu spielen oder – in Australien – Schafe zu scheren. Dies darf jedoch nicht über die Grenzen von Computern hinwegtäuschen. Kein noch so pfiffig programmiertes System kann wie der Mensch mit natürlicher Sprache umgehen. Das menschliche Denken in all seinen Facetten ist nicht nachbaubar. Es gibt keine künstliche Intelligenz ohne natürliche Intelligenz.

Wir können mehr, als wir dürfen

Technischer Fortschritt hat auch seine Kehrseite. So wurde die Atombombe mit dem einzigen Zweck gebaut, Menschen zu vernichten. Mit dem gegenwärtigen Bestand an Atomwaffen könnten nach Berechnungen des US-Wissenschaftlers George Woodwell – gemessen an der Sprengkraft – zwei Monate lang jeden Tag tausend Weltkriege geführt werden.

Der französische Philosoph René Descartes (1596-1650) träumte davon, die Natur zu beherrschen: “Wenn wir die Kraft und die Handlungen des Feuers, des Wassers, der Luft, der Gestirne, der Himmel und aller anderen Körper, die uns umgeben, ebenso deutlich kennen, wie wir die verschiedenen Fertigkeiten unserer Handwerker kennen, dann könnten wir sie in derselben Weise verwenden für jede Art von Gebrauch, für den sie sich eignen, und könnten uns so zu Herren und Besitzern der Natur machen.”

Es wäre aber ein Segen für die Menschheit, wenn wir nicht alles täten, was uns möglich ist. Der Turmbau zu Babel ist das erste dokumentierte Beispiel dafür: Das technisch Machbare endete mit der Sprachenverwirrung. Technischer Fortschritt ist für die Menschheit auch ein Fluch: Das technisch Gute, das wir ausführen könnten, tun wir häufig nicht; das technisch Schädliche, das wir vermeiden sollten, das tun wir.

Tragende Ethik nötig

Wir stecken in einer Sinnkrise. Der Industriechemiker und Naturphilosoph Hans Sachse beschreibt die Situation treffend: “Nicht die Lösung der technischen, sondern die der ethischen Probleme wird unsere Zukunft bestimmen.” Und der Karlsruher Philosoph Hans Lenk beklagt zu recht: “Wir können es uns schon heute und besonders künftig nicht mehr leisten, die drängenden ethischen Probleme der Technik und der angewandten Wissenschaften zu vernachlässigen… Wir haben keine ausgearbeitete Philosophie der Technik, der Wirtschaft, des Geldwesens, der Arbeitswelt, der Leistung und der Verantwortung in Wissenschaft und Technik.”

Das Problem ist erkannt – wo jedoch gibt es eine verbindliche und tragfähige Lösung? Der Biologe Prof. Hubert Markl (Konstanz) bringt es auf den Punkt: “Ohne das sichere Geleit einer ethisch unbeliebigen Grundauffassung ... kann einen das, was moderne Biotechnologie mit einer chemisch-physikalischen Maschine Mensch anzurichten vermöchte, nur erschrecken.

Wenn das Absaugen eines Zweimonatsembryos kein biotechnisch-medizinisches Problem ist, hört es schnell auf, überhaupt als ein moralisches Problem erkannt zu werden. Wir erleben, dass Sterbende, ja objektiv Gestorbene, wie biochemische Präparate erhalten werden, wir erleben, dass Gebärammen in vitro befruchtete Leibesfrüchte austragen, und vor der Klonierung identischer Menschen stehen keine prinzipiellen technischen Barrieren, sondern höchstens lösbare Detailprobleme.

Wo die theologische und philosophische Anthropologie ihre Glaubwürdigkeit verliert, ergreift eine rein biotechnologische und politische Anthropologie die Macht, in der der Zweck die Mittel heiligt: Die Samengefrierbank für Nobelpreisträger und Pol Pots Mörderkinder sind nur zwei extreme Facetten der gleichen Hybris: Wo der Mensch das, was er tun darf, nur durch das begrenzt sieht, was er erreichen will, sind alle Perspektiven gleich erschreckend.”

Eins wird deutlich: Unser Handeln hängt von unseren geistigen Fundamenten ab. Die Zitate der drei Wissenschaftler sind ein einziger Ruf nach einer tragfähigen Basis sowohl für die Naturwissenschaften als auch für das persönliche Leben des einzelnen.

Naturwissenschaft gibt keine Antworten

Die Naturwissenschaften untersuchen Phänomene durch Messen, Wiegen und Beobachtung. Aber aus der Natur sind keine Massstäbe für unser Handeln ableitbar. Die Naturwissenschaft beantwortet nicht die Frage nach Herkunft und Sinn. Auch von der Philosophie haben wir keine Antworten zu erwarten. Der Philosoph Hans Lenk beschreibt ihren Ansatz zutreffend: “Die Philosophie gibt selten endgültige inhaltliche Lösungen; sie ist ein Problemfach, kein Stoff- und Ergebnisfach. Für sie ist unter Umständen eine neue Problemperspektive viel wichtiger als eine Teillösung einer überlieferten Frage.”

Fazit: Menschliche Konzepte führen in diesen Fragen letztlich nicht zu befriedigenden und tragfähigen Ergebnissen. Der Mensch braucht (nicht nur) für Wissenschaft und Technik Massstäbe, die ihren Fixpunkt ausserhalb von ihm haben. Diese hat der Schöpfer selbst gegeben. Aus der Bibel lassen sich auch zu ethischen Fragen und Problemstellungen des technischen Fortschritts Prinzipien ableiten, die seinen Nutzen erhöhen und den Schaden reduzieren. In den Worten der Bibel: “Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, nützlich zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit...”

Datum: 26.08.2002
Autor: Werner Gitt
Quelle: idea Deutschland

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