«Mit Abstand am meisten werden Lichter der Hoffnung entzündet»
Livenet: Dominic Wägli, seit Ostern läuft die Aktion
«Lichtschenken», lanciert durch den Bundespräsidenten Guy Parmelin. Wie fällt
das Fazit bisher aus?
Dominic Wägli: Die Aktion ist am Osterwochenende
sehr gut angelaufen. In den ersten 24h brannten über 2'800 Lichter. Stand heute
(7. Mai 2021) sind wir bei knapp dem Doppelten. Wir sind überwältigt von den
berührenden Botschaften, welche die Menschen hinterlassen haben. Der
Bundespräsident hat mit der symbolischen Eröffnung einer breiten Bevölkerung
den Zugang zur Aktion ermöglicht. Es zeigt uns, dass auch kleine Gesten viel
bewirken können. Seine Lancierung hat Lichtschenken den nötigen «boost»
verliehen.
Was hat die Ev.-ref. Kirche dazu bewogen, diese Aktion zu
lancieren?
Ich gebe zu, die Idee ist ja nicht gänzlich neu. Es gibt
auch andere Websites, wo Kerzen entzündet werden können, um Verstorbenen zu
gedenken. Aber Covid trifft nicht nur Angehörige von Verstorbenen. Viele
Menschen waren (und sind) durch die geltenden Einschränkungen der
Coronapandemie belastet. Die Nähe fehlt. Auch im kirchlichen Kontext haben wir
das fest gespürt. Zwar konnten – unter Einhaltung der Schutzmassnahmen – immer
Gottesdienste durchgeführt werden, aber andere Formen kirchlichen Wirkens wie
Seelsorge, Diakonie etc. waren stark beeinträchtigt. Uns war es wichtig, dass
in der für die Christinnen und Christen wichtigen Zeit um Ostern trotzdem Nähe
geschafft werden kann. Mit Lichtschenken haben wir die Möglichkeit geschaffen,
Gefühle in den digitalen Raum zu transportieren und als Community zu
(er-)leben.
Wer hat teilgenommen, diese Lichterbotschaften
weiterzuschicken? Stammten die Teilnehmer stark aus dem Umfeld der Ev.-Ref.
Kirche oder auch darüber hinaus?
Am Ursprung stand die Idee der EKS. In Gesprächen mit der
Schweizer Bischofskonferenz SBK, der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der
Schweiz RKZ, der Christkatholischen Kirche der Schweiz CKK, der
Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz AGCK und der
Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA-RES wurde rasch klar, dass ein
ökumenisches Zusammenwirken möglich und erwünscht war. Entsprechend haben auch
alle Initianten über ihre Kanäle für die Aktion geworben. Und die
Lichterbotschaften zeigen eine Solidaritätsbekundung über konfessionelle und
sprachliche Grenzen hinweg.
Wie fällt die Teilnahme regional aus?
Die Schweiz zeigt ihre föderalistische Blüte eindrücklich.
Dank der Angabe des Wohnorts beim Entzünden der Lichter wird dies
augenscheinlich. Auffallend hell leuchtet die Romandie. Die dortige Resonanz
ist überwältigend. Neuenburg und Genf haben ein wahres Feuerwerk abgebrannt.
Dass in den weniger besiedelten Kantonen weniger Lichter brennen, täuscht ein
wenig. Graubünden und Uri sind halt flächenmässig gross, da stehen die Lichter
nicht dicht an dicht wie in Genf oder Basel. Schön sind auch die diversen
Botschaften, die uns aus dem Tessin erreichen, auf Italienisch tragen die Texte
eine besondere Note. In Erinnerung geblieben ist mir eine Botschaft, die in
Persisch verfasst war. Da mussten wir alle mit unseren Sprachkenntnissen
passen. Ich bin sicher, die Botschaft hat ihre Wirkung entfalten können.
Was sind typische Botschaften, welche die Leute geschickt
haben?
Die Botschaften sind teilweise sehr berührend und erzählen
ganze Geschichten. Andere inspirieren sich an Bibelzitaten oder sind als
Mutmacher formuliert. In ihrer Vielschichtigkeit repräsentieren die Lichterbotschaften
die Gesellschaft und die Emotionen, die mit dem Leben unter Pandemiebedingungen
verknüpft sind. Viele Dankesbekundungen gelten den politischen und
gesundheitsorientierten Institutionen und lassen erahnen, dass die
Schweizerinnen und Schweizer den eingeschlagenen Weg unterstützen. Mit Abstand
am meisten werden Lichter der Hoffnung entzündet. Nach über einem Jahr mit
Covid-19 geben die Menschen nicht auf, wollen trotz Distanz verbunden zu sein.
Da ist der Wunsch, nie das Licht der Hoffnung aus den Augen zu verlieren,
gross. Einige haben die Chance genutzt, ihre Gefühle und
Befindlichkeit in Form von Emojis auszudrücken. Auch das hat Platz.
Am Pfingstmontag ist mit dem Gebetsabend gemeinsambeten.ch ein
weiterer Moment, wo Christen gemeinsam ein Zeichen der Einheit und Solidarität
setzen werden. Die Präsidentin der Ev.-Ref. Kirche wird ebenfalls mitwirken.
Wie stehen Sie zum Thema Einheit generell?
Letztendlich sind wir Christinnen und Christen denselben
Werten verbunden. Gerade in der Auslegung des Solidaritätsgedankens, dem
Einstehen für das Leben und Erleben von Trauer, Trost, Hoffnung und Erlösung
haben wir alle dieselben Ansätze. Ich bin bei der Aktion «Lichtschenken» wirklich
überwältigt von der super Zusammenarbeit über konfessionelle Gräben hinweg und
danke den Initiantinnen für die Bereitschaft, innert relativ kurzer Zeit ein
solches Vorhaben gemeinsam zu realisieren. Es ist beispielsweise in der
Kommunikation erfreulich, dass wir uns auf operativer Ebene gut verstehen und
miteinander vermehrt im Gespräch sind. Wir spüren, dass die Zeiten des
Kulturkampfes vorbei sind, Ökumene funktioniert. Bei allen Gemeinsamkeiten gibt
es unter den christlichen Strömungen weiterhin auch Punkte, in welchen die Reformierten
Kirchen andere Positionen vertreten und wir uns mit den Katholiken oder anderen
evangelischen Gemeinschaften reiben werden. Das betrifft namentlich die
Stellung der Frauen in der Kirche oder zum Beispiel Fragen zum Umgang mit
Homosexualität.
Zurück zu «lichtschenken.ch»: Wann kommt die Aktion zum
Abschluss?
Die Aktion knüpft an die Osterzeit an, der Zeit zwischen dem
Fest der Auferstehung Jesu bis zum Geburtstag der Kirche. Es ist geplant, dass
die Aktion an Pfingstmontag endet. Wenn aber das Bedürfnis von Lichtschenken
darüber hinaus besteht, werden wir das natürlich prüfen.
Sie wollen auch ein digitales Licht anzünden? So geht's:
Einige Beispiele von Lichterbotschaften:
Zur Webseite:
Lichtschenken
Zum Thema:
Lichtschenken.ch: Gedenken, Hoffen, Danken und Verbunden sein
Oster-Zeitung für 14 Regionen: Kolumne von Pfarrerin Rita Famos: Licht schenken
Nationaler Gebetsabend: Am Pfingstmontag: «gemeinsam beten» geht in die zweite Runde
Datum: 11.05.2021
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet