Wahre Schatzkiste

Eine Nacht im Reich der Bibel

Die Schweizerische Bibelgesellschaft hat in Biel am 22. November erstmals eine «Lange Nacht der Bibel» durchgeführt. Vor allem das Buchlager und die «Schatzkammer» erwiesen sich dabei als Besuchermagneten.
Bibel

Im Haus an der Spitalstrasse 12, dem Sitz der Schweizerischen Bibelgesellschaft, herrschte an diesem Freitagabend Hochbetrieb. An der Bibel-Bar unterhalten sich die Gäste bis tief in die Nacht. Ruhe-Suchende suchen den «Raum der Stille» auf, bevor es zur Bibelarbeit geht. Im Kreativatelier nebenan faltet eine Gruppe bunte Bethlehem-Sterne. Jugendliche drucken an einer Gutenberg-Presse Bibelzitate auf Blätter. Sherina Anthony aus Lyss hat den Bibliolog besucht. Die 20-Jährige, die bald mit dem Theologiestudium beginnen will, kommt von einem Vortrag, der aufzeigte, wie unterschiedliche Interpretationen von Bibeltexten unter Menschen schon zu Zwist, aber auch zu Frieden und Eintracht führen konnten.

Die Bibel entdecken

Warum diese erste Bibelnacht? Antwort weiss Arianna Estorelli, die dafür im Vorfeld überall Hand angelegt hat. «Wir wollen die Schweizerische Bibelgesellschaft bekannter machen und über unsere Ausstellungen, Projekte und Publikationen informieren», sagt die Zuständige für Kommunikation und Fundraising bei der Bibelgesellschaft.

Und natürlich über die Bibel. Für die gebürtige Mailänderin ist sie das «Buch der Bücher». Während sie den Gästen bei der Bibel-Bar Wein einschenkt, sagt sie: «Wir wollen den Leuten mit dieser Nacht einen ungewohnten Zugang geben zu diesem Buch.» Ihr sei es zudem wichtig, dass alle Menschen die Möglichkeit haben sollten, eine Bibel in ihrer Muttersprache zu lesen. «Bis heute ist das nicht selbstverständlich.»

Wenn der Gefängnisseelsorger anruft

Das weiss auch Miklos Nagy, der hier im Buchlager den Verkauf leitet. Beim ausgebildeten Kaufmann melden sich immer wieder Gefängnisseelsorger, die für die Inhaftierten, die sie betreuen, Bibeln in ihrer jeweiligen Muttersprache anfordern. «Sie können sie bei uns gratis beziehen. Das ist ein wichtiges Projekt von uns», sagt Miklos Nag. «Gefängnisseelsorger erzählen mir dann immer wieder von berührenden Szenen, wenn Inhaftierte ein solches Buch in den Händen halten.»

Bibel-Puzzles, Kartonbücher, Wimmelbücher

Die Buchabteilung erweist sich als eigentliche Schatzkammer im Haus der Schweizerischen Bibelgesellschaft. Gäste verweilen, ein Glas Rotwein in der Hand und schmökernd, lange bei einzelnen Büchern. Die meisten Bibeln hat Miklos Nagy aus den Katalogen der Deutschen Bibelgesellschaft bestellt, mit der eng zusammengearbeitet wird. Den Gästen zeigt er, was in diesem grossen Lagerraum alles liegt. Eine eigene Welt tut sich da auf. Bunt illustriert, in edlem Leder oder mit goldenen Seitenrändern – es gibt Bibeln in allen Formen, Sprachen und theologischen Ausrichtungen.

Besondere Aufmerksamkeit in der Bibelnacht erhält das Abteil mit den Kinderbibeln. Hier finden sich Bibeln wie das schön illustrierte Buch «Die grosse Bibel für Kinder», kleine Kartonbücher, Bibel-Puzzles mit 250 Teilen oder ein Wimmelbuch. Es gibt aber auch Bücher über einzelne Bibelgeschichten, wie sie die Autorin Christiane Herlinger schreibt. Sie tragen Titel wie «David und Goliath», «Der verlorene Sohn» oder «Mit Jesus auf dem See».

Jürgen Klopp und die Lutherbibel

Und auch beim nächsten Abteil, bei dem Miklos Nagy in die Welt der Dialektausgaben einführt, staunt der Gast. Er hält «De guet Bricht», eine Bibel auf Baseldeutsch, in den Händen. Ebenso «De Psalter», eine walliserdeutsche Ausgabe. Weiter entdecken die Gäste Lutherbibeln mit poppig-bunt gestalteten Einbänden, die mit Zitaten von Prominenten wie Liverpools Fussballtrainer Jürgen Klopp versehen sind. In edlem Rot kommt die Zwingli-Bibel daher. «Die verkaufe ich oft, häufig an Schulen», sagt Miklos Nagy. Kirchliche Grossereignisse wie das Reformations-Jubiläum schlagen sich auch hier bei Betellungen nieder, betont der Buchhändler.

Faszination für die «schwierige Kost»

Die Bibel, die Miklos Nagy 1991 bei seiner Hochzeit erhalten hat, hat er lange nicht angerührt. Heute liest er jeden Tag in diesem Buch. «Zum Teil ist das schwierige Kost und ich denke manchmal: So kann man doch nicht leben, wie es in Texten gefordert wird! Dennoch fasziniert mich diese Lektüre immer wieder», sagt der Mann, der vor seinem Job-Antritt hier «nicht viel am Hut hatte mit der Bibel». Seit drei Wochen besucht der 58-Jährige in Biel einen Theologiekurs für Laien. «Wir leben hier in dieser christlichen Welt und dennoch wissen viele so wenig über die Bibel», sag er.

In der Bibel-Schatzkammer

«Schatzkammer» steht auf einer Tür und die Bibelnachtbesucher, die sie öffnen, treffen tatsächlich Schätze an. Sie bestehen aus uralten braunen Lederumschlägen. Die Seiten darin, gelb und fleckig. Dass Bibeln einmal ganz anders aussahen und gross und kilo-schwer auf Nachtischen und auf Kirchenaltären lagen, ist hier gut zu sehen. «Wir sehen hier sehr wertvolle Bibeln», sagt Lorenzo Scornaienchi, Theologe der Schweizerischen Bibelgesellschaft. Sanft streicht er mit seinen Händen über eine Bibel aus dem Jahr 1599, die mehrsprachig daherkommt. Aus dem Jahr 1736 hingegen stammt die Bibelübersetzung des reformierten Theologen Johannes Piscator (Fischer), die von der Zeit gezeichnet unter Museumsglas liegt. Solche Bibeln, erfährt der Gast, werden der Bibelgesellschaft meist aus Nachlässen geschenkt. Dieses Buch, egal in welcher Ausführung, ist für Lorenzo Scornaienchi «eine immense Schatzkiste».

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Datum: 27.11.2019
Autor: Vera Rüttimann
Quelle: kath.ch

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