Kinderarmut führt zu irreparablen Schäden

Kinder

Zürich. Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) will mit einer Kampagne auf die Folgen der Kinderarmut in der Schweiz aufmerksam machen. Man geht davon aus, dass 200.000 bis 250.000 Kinder in unserem Land unter der Armutsgrenze leben. Genaue Zahlen fehlen.

Besonders negativ wirkt sich Armut aus, wenn sie über längere Zeit andauert. Die Zukunftschancen verschlechtern sich drastisch. So werden Kinder aus armen Verhältnissen generell später eingeschult. Zudem hat sich gezeigt, dass arme Kinder weit weniger gut in der Lage sind, Schulschwierigkeiten zu bewältigen als Kinder in finanziell gesicherten Verhältnissen.

Laut Nationalrätin Jacqueline Fehr (SP) sind Kinder aus armen Verhältnissen auch als Erwachsene überdurchschnittlich von Armut betroffen. Zudem herrsche in der Schweiz eine Kultur, „die Türen nicht öffnet, sondern im Gegenteil zuschlägt“. Dies habe sich in den letzten Jahren eher noch verschärft. Die Chancen eines so genannten „sozialen Aufstiegs“ stünden für den Einzelnen heute eher schlechter als noch vor 20 Jahren.

Besonders belastend wirkt sich Armut aus, wenn ein Kind nicht nur materiell, sondern auch in anderen Bereichen beeinträchtigt wird, was aufgrund der Belastungen der Eltern häufig der Fall ist. Es kommt zu Entwicklungsdefiziten, Unterversorgung und sozialer Ausgrenzung. Die Folgen könnten jedoch abgefedert werden, wenn betroffene Kinder ein gutes Familienklima, einen fördernden Erziehungsstil bei den Eltern, eine positive Eltern-Kind-Beziehung, stabile ausserfamiliäre Netzwerke (Stichwort: Grosseltern, Nachbarn) und Freundschaften zu Gleichaltrigen geniessen, so das Arbeiterhilfswerk.

„Die Armutsbekämpfung muss zum prioritären Anliegen der Sozialpolitik werden“, fordert die SP-Nationalrätin. An erster Stelle einer solchen bundespolitischen Agenda müsste laut Fehr die Öffnung der heute AHV- und IV-Rentnern vorbehaltenen Ergänzungsleistungen (EL) für einkommensschwache Familien stehen. Weiter erinnert Fehr daran, dass in der Schweiz für rund 300.000 Kinder keine oder nur reduzierte Kinderzulagen entrichtet werden. Sie forderte deshalb eine gesamtschweizerische Vereinheitlichung der Kinderzulagen. Zudem müsse das Stipendienwesen verbessert werden.

Armutsbekämpfung geht jedoch nicht nur den Bund, sondern auch die Kantone etwas an. So fordert Fehr die Kantone etwa auf, ihre Steuergesetzgebungen so zu ändern, dass der Kinderabzug nicht vom steuerbaren Einkommen, sondern vom Steuerbetrag abgezogen werden kann – so wie dies der Kanton Baselland aller Voraussicht nach ab nächstem Jahr wieder einführen wird. Damit können einkommensschwache Familien finanziell besser gestellt werden.

„Wir haben es mit einem ganzen Berg von Problemen zu tun, der zudem immer grösser wird“, so Fehr in einem Beitrag in der Basler Zeitung am 17. April. Die Schweiz müsse zu einer realitätsorientierten Familienpolitik finden und sich nicht länger an idealisierte Familienbilder klammern. Denn: „Eine Gesellschaft, die mit Kindern rechnet, ist eine andere als diejenige, in der wir zurzeit leben.“

Datum: 25.04.2003
Autor: Fritz Imhof

Werbung
Livenet Service
Werbung