Migration – eine theologische Frage

Schweiz

Wie sollen wir den aufblühenden Patriotismus und die weltweite Migration (Wanderungsbewegung) verstehen? Wie haben wir von der Bibel her diese Erscheinungen zu deuten? Und wie begegnen wir den Fremden im eigenen Land? Diese Fragen bildeten den einen Schwerpunkt der AfbeT-Tagung (Arbeitskreis für biblisch erneuerte Theologie).

Neuer Patriotismus und Migration

Mit Bedauern muss man feststellen, dass viele zeitgenössische Prophetien nur lose im biblischen Boden verwurzelt sind und viele Propheten kaum in eine Gemeinde (Prüfung, Korrektur) eingebunden sind. Vereinfacht und zugespitzt: Die einen lesen die Bibel und mühen sich um ihre Verwirklichung im Alltag; die anderen folgen ihrer Eingebung, haben Worte und Visionen und sind glücklich über Gottes unmittelbares Reden. Die Schrift aber bezeugt die Einheit und Zusammengehörigkeit von Wort und Geist und definiert sie näher.

Ganz ähnliche Aufspaltungen lassen sich nun auch beim Verhältnis zum eigenen Land und zu den Fremden feststellen. Manche Christen und Kirchen begrüssen die Migration grundsätzlich und betonen die Bereicherung, die sie durch die Fremden erfahren. Andere wehren ab, wollen unter sich bleiben und betonen die Gefahr, dass wir Schweizer unsere Identität verlieren. Wiederum zugespitzt: Während die einen die Durchmischung als göttliche Fügung betrachten und eine multikulturelle, offene Gesellschaft predigen (Argument: Nächstenliebe!), sprechen andere der Schweiz eine Sonderstellung im Plan Gottes mit den Nationen zu. Die Schrift aber bezeichnet schon im Alten Testament die Vielheit der Völker als Gottes Wille (vgl. 5. Mose 32,8). Markus Zehnder (Riehen) legte dar, dass Gott sein Ziel mit der Schöpfung "nicht die Aufhebung rassischer oder ethnischer Unterschiede oder ein Programm der politischen Einigung” (1. Mose 11) sei. Gott wolltel nicht eine Vermischung, sondern die geordnete Verschiedenheit der Völker.

Viele Schweizer Christen, so führte Zehnder weiter aus, übersehen aber andererseits den grundsätzlichen Unterschied zwischen Israel (eine Nation und das Volk Gottes) und der Eidgenossenschaft beziehungsweise der Schweiz (eine christlich geprägte Nation). Die Schweiz ist als Nation nie Gottes Volk gewesen, so wenig wie die USA "God’s own country” ist.

Prof. Peter Wick (Basel) wies in seinem Referat den überzogenen Patriotismus eindeutig der Aufklärung des 18. Jahrhunderts zu. Von dieser bürgerlichen und kirchendistanzierten Bewegung führt der Weg zum französischen Staatsabsolutismus, zum deutschen Idealismus und von da zu den grossen Revolutionen und zum Nationalsozialismus. Die grossen Schrecken des 20. Jahrhunderts und die Millionen von Migranten gehen somit letztlich auf das Konto aufklärerischen Denkens. Auch die "theologische Überhöhung der Schweiz und der Schweizer Geschichte” ist so zu verstehen.

Die Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie (AfbeT), ist eine Fachgruppe der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA)

Datum: 24.02.2003
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

Werbung
Livenet Service
Werbung