Gerber: "Das Boot ist nie zu voll für an Leib und Leben Gefährdete"

Jean-Daniel Gerber
Flüchtlinge

Bern - "Das Boot ist nie zu voll für Menschen, die an Leib und Leben gefährdet sind." Dies sagte der Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF) in Bern, Jean-Daniel Gerber, in einem Interview mit der Zeitschrift "Bausteine". Zwar werde das Asylrecht missbraucht, räumte Gerber ein, aber der Missbrauch bestehe nicht darin, dass Leute in unser Land kämen und ein Asylgesuch stellten. "Missbräuchlich ist es, wenn eine Person einreist, ein Asylgesuch stellt, das nach gründlicher Abklärung abgelehnt wird - und dann trotzdem nicht zurückkehrt." Für wirklich gefährdete Menschen dürfe es aber keine Limite geben, sagte Gerber.

Vorgesehene Zwangsmassnahmen umsetzen

Gerber wandte sich auch gegen den verbreiteten Ruf nach Zwangsmassnahmen, zum Beispiel Internierungen. Besser sei es, zuerst die vorgesehenen Zwangsmassnahmen umzusetzen. So sei es möglich, einen Drogendealer auszugrenzen, indem man ihm verbiete, ein bestimmtes Territorium zu betreten. Oder man könne ihm verbieten, ein bestimmtes Territorium zu verlassen. Es gebe diese gesetzlichen Möglichkeiten schon länger, aber der Kanton Zürich habe zum Beispiel erst drei Wochen vor der Abstimmung über die Asylinitiative begonnen, sie auch umzusetzen.

Arbeitsverbot wenig sinnvoll

Gerber wandte sich auch gegen das geltende Arbeitsverbot für Asylsuchende. Es sei wenig sinnvoll, junge Männer mit Sozialhilfe zu ernähren, statt sie eine Arbeit tun zu lassen, welche Schweizer oder in der Schweiz lebende Ausländer sonst nicht zu tun bereit seien. Zur Frage, ob bei Asylentscheiden auch Fehler gemacht würden, antwortete Gerber, trotz gewissenhafter Arbeit könnten in einem Prozess, wo 200 Entscheidungen pro Tag gefällt werden müssen, auch Fehlentscheide vorkommen.

Auch er sei nicht frei von Gewissenskonflikten. Sie müssen ausgetragen werden: "Vielleicht habe ich eine schlaflose Nacht, aber am folgenden Morgen weiss ich, was ich zu tun habe." Zweifellos könne man bei solchen Entscheidungen auch schuldig werden. Dazu Gerber: "Man muss bereits sein, mitschuldig zu werden. Und mitschuldig wird man, wenn man entscheidet, nicht indem man zusieht." Auch Jesus Christus habe in schwierigen Situationen entscheiden müssen. Er habe zum Beispiel nicht alle Kranken geheilt. Und er habe auch nicht wie Pontius Pilatus seine Hände in Unschuld gewaschen.

Der Text des Interviews mit dem BFF-Direktor Jean-Daniel Gerber findet sich in der neusten Nummer der Zeitschrift ‚Bausteine', die von den Vereinigten Bibelgruppen in Schule, Universität und Beruf (VBG) herausgegeben wird.

Datum: 18.02.2003
Autor: Peter Schmid

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