Bald reformiert-katholische Lehrstühle in der Schweiz?

ZürichUni

Zürich/Freiburg i. Ü. Dass sich in naher Zukunft eine katholische und eine reformierte Fakultät einen Lehrstuhl teilen, kann sich der Dekan der evangelisch-reformierten Theologischen Fakultät der Universität Zürich, Pierre Bühler, vorstellen. Auf katholischer Seite bestehen aber erhebliche Hürden, sagte er gegenüber der Presseagentur Kipa. Die reformierten theologischen Fakultäten der Westschweiz müssen noch in diesem Jahr ein Konzept vorlegen, wie sie ihre Zusammenarbeit enger gestalten wollen. Das Gleiche gilt gesamtschweizerisch für die katholischen theologischen Fakultäten. Der Grund: Spardruck.

Auf katholischer Seite hat die Kommission "Sapientia christiana" der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) die Dekane der katholischen theologischen Fakultäten beauftragt, ein Konzept zu erarbeiten, das zeigt, wie sie die Zusammenarbeit ihrer Fakultäten enger gestaltet wollen. Dieses Konzept soll bis zu Beginn des Sommers 2003 vorliegen, erklärte SBK-Generalsekretär Agnell Rickenmann.

Diese engere Zusammenarbeit umschreibt Rickenmann wie folgt: Es soll ein grösserer Austausch von Studenten und Professoren stattfinden, die Studienprogramme sollen besser aufeinander abgestimmt werden, und die Fakultäten sollen Schwerpunktgebiete in Lehre und Forschung erhalten.

Betroffen von diesen Entscheiden sind die theologischen Fakultäten von Freiburg, Luzern und Lugano, die Theologische Hochschule Chur sowie die Theologische Schule des Klosters Einsiedeln. Die Kommission "Sapientia christiana" setzt sich aus den Bischöfen, auf deren Diözesangebiet eine akademische theologische Lehranstalt liegt, und dem Abt von Einsiedeln zusammen.

Diese engere Zusammenarbeit entspreche einem langjährigen Wunsch der Bischöfe, sagte Rickenmann. Offenbar habe es aber den Druck von aussen gebraucht, um die Gespräche in Gang zu bringen. Die Fakultät Freiburg muss aufgrund einer Weisung des Senats der Universität ihr Jahresbudget zwischen 2003 und 2007 um 14 Prozent zu kürzen. Dies entspricht einem Betrag von 1,2 Millionen Franken. In Luzern übt die Kantonsregierung auf die Universität Druck aus, die katholische Kirche müsse sich stärker an der Finanzierung der Theologischen Fakultät beteiligen. In Freiburg und Luzern sind mehrere Lehrstühle vakant.

Auch Reformierte müssen zusammenlegen

Ein ähnliches Tempo wie die katholischen Fakultäten müssen die evangelisch-reformierten Fakultäten in der Westschweiz vorlegen. In den theologischen Fakultäten von Genf und Neuenburg dürfen vakante Lehrstühle erst besetzt werden, nachdem die Fakultäten von Genf, Lausanne und Neuenburg ihre "engere Zusammenarbeit" in einem Modell definiert haben. Dieses Modell solle noch in diesem Jahr vorgelegt werden, erklärte der Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, Pierre Bühler. Aufgrund der zurückgegangenen Studierendenzahlen sehen sich die drei evangelisch-reformierten Fakultäten der Westschweiz einem erheblichen Druck seitens der Standort-Kantone ausgesetzt.

Bei den evangelisch-reformierten Fakultäten in Basel, Bern und Zürich stellt sich das Problem laut Bühler nicht so akut. Die Schweizerische Hochschulkonferenz und die Schweizerische Rektorenkonferenz hätten jedoch bereits aufgrund der Studierendenzahlen Überlegungen angestellt, wie diese drei Standorte ihre Zusammenarbeit besser gestalten können. So stelle man sich die Frage, ob es in der Deutschschweiz für die evangelisch-reformierte Theologie drei Fakultäten brauche. Die evangelisch-reformierten theologischen Fakultäten sind in der Schweiz staatliche Einrichtungen. Dies gilt auf katholischer Seite auch für Freiburg und Luzern, die Theologische Hochschule Chur und die Theologische Fakultät Lugano sind bischöflichen Rechts.

Interkonfessioneller Lehrstuhl?

Die "engere Zusammenarbeit" ist auch Thema bei der interkonfessionellen Konferenz der theologischen Fakultäten in der Schweiz. Diese Konferenz wurde vor über 25 Jahren gegründet. In den vergangenen fünf Jahren habe sie ihre Arbeit aufgrund der gesamtschweizerischen Situation in den theologischen Fakultäten intensiviert, erklärte Bühler. Die Idee der verstärkten Zusammenarbeit zwischen katholischen und evangelisch-reformierten Fakultäten habe an Gewicht gewonnen. Eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit besteht bereits zwischen Basel und Luzern. Seit längerem gibt es eine Zusammenarbeit bei der Doktorandenbetreuung zwischen Zürich, Freiburg und Luzern.

Der Zürcher Dekan kann sich des weiteren vorstellen, dass sich eine katholische und eine evangelisch-reformierte Fakultät einen Lehrstuhl teilen. Er verweist aber auf erhebliche Hürden auf katholischer Seite, die überwunden werden müssten. In Freiburg zum Beispiel müsse die Neubesetzung eines Lehrstuhls jeweils durch den General des Dominikanerordens in Rom abgesegnet werden. Trotzdem: "Bei uns ist es denkbar", meinte Bühler.

Datum: 10.02.2003
Quelle: Kipa

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