"Asylinitiative" äusserst knapp verworfen

Bern/Luzern. Rund 2700 Stimmen gaben den Ausschlag für eine ablehnende Mehrheit der Stimmenden bei der SVP-Initiative "gegen Asylrechtsmissbrauch". Caritas-Direktor Jürg Krummenacher zum Resultat: Die Politiker müssen die Unzufriedenheit der Bevölkerung bezüglich des Asylwesens ernst nehmen.

1.118.213 Personen stimmten für und 1.120.967 Personen gegen die Initiative. Der Ja-Stimmenanteil betrug 49.9 Prozent. Das für Verfassungsänderungen nötige Ständemehr kam mit 12,5 zustimmenden gegen 10,5 verwerfenden Kantonen hingegen zustande.

Caritas-Direktor Krummenacher zeigte sich ausserordentlich erleichtert über das Resultat. Die SVP habe mir ihrer "durchschaubaren extremen Politik einmal mehr, wenn auch äusserst knapp Schiffbruch" erlitten, erklärte er gegenüber der Presseagentur Kipa. Das Schweizer Volk habe "trotz allem eine bemerkenswerte Reife" an den Tag gelegt. Der äusserst knappe Ausgang verhindere jedoch, dass die Schweiz im Asylwesen zur Tagesordnung übergehen könne. Die Politiker müssten nun die in der Bevölkerung bestehende Unzufriedenheit ernst nehmen.

Die Lösung des Asylproblems könne nicht in einer Verschärfung des Asylgesetzes liegen. Wichtig sei vermehrte Aufklärungsarbeit. Die gesetzlichen Möglichkeiten im Bezug zum Umgang mit "der kleinen Gruppe von Asylsuchenden, die das Asylrecht durch kriminelle Handlungen missbraucht", müssten ausgenutzt werden. Ganz zentral seien zudem der Beitritt der Schweiz zum ersten Dubliner Asylabkommen und zum Abkommen von Schengen.

Das Hilfswerk Caritas werde sich vor allem bei der Aufklärungsarbeit engagieren und beim Asylwesen seinen Beitrag im Dialog mit den Behörden leisten. SVP-Präsident Ueli Maurer erkannte gegenüber dem Schweizer Radio die Niederlage an und erklärte, der Partei sei es nicht gelungen, den sich in den letzten Wochen abzeichnenden Trend gegen die Initiative umzukehren.

EVP: Asylfrage spaltet die Schweiz

Erleichtert nimmt die Evangelische Volkspartei der Schweiz (EVP) von der äusserst knappen Ablehnung der Volksinitiative „gegen Asylrechtsmissbrauch“ Kenntnis. Begünstigt wurde die massive Unterstützung der Initiative in letzter Zeit durch negative Berichte drogendealender Asylsuchender aber auch durch den irreführenden Titel der Initiative. Das Abstimmungsresultat zeigt, dass das Schweizer Stimmvolk mit der gegenwärtigen Situation im Asylwesen unzufrieden ist und dringend Lösungen erwartet. Die EVP fordert deshalb eine griffige Drittstaatenregelung in Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarländern. Die Teilnahme am Dubliner Abkommen der EU wäre anzustreben. Zudem soll im Rahmen der anstehenden Asylgesetzrevision Regelungen gegen den Missbrauch geschaffen werden.

Grosse Erleichterung bei Schweizer Bischofskonferenz

Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) hat mit grosser Erleichterung das Resultat der Abstimmung zur Asylinitiative vernommen. Die Bischöfe bekräftigen ihre Unterstützung einer solidarischen Politik gegenüber Ausländern und Flüchtlingen.

Wenn die Initiative vom Volk angenommen worden wäre, hätte solche Solidarität einen schlimmen Rückschlag erlitten und die Gesetzgebung zu einem guten Teil ihr humanitäres Grundanliegen ausgehöhlt. Doch die Vernunft habe sich durchgesetzt und das Recht, Zuflucht zu finden, werde weiterhin die Asylpolitik des Landes bestimmen, heisst es in der Stellungnahme der Bischöfe.

Hilfswerke: Bemerkenswerte Reife des Volkes
Das Schweizer Volk hat mit der Ablehnung der SVP-"Asylinitiative" wie bei allen ausländerpolitischen Abstimmungen der letzten dreissig Jahre eine bemerkenswerte Reife an den Tag gelegt und Augenmass bewahrt, erklärt Caritas Schweiz zum Ausgang der Abstimmung vom Wochenende. Amnesty Schweiz fürchtet, das knappe Resultat könnte zu einer Verschärfung des Asylrechts führen.

Mit der Verwerfung der Initiative habe die Schweizer Bevölkerung anerkannt, dass die Behörden zusammen mit den Hilfswerken in der schwierigen Asyl- und Flüchtlingspolitik Beachtliches geleistet hätten und durchaus in der Lage seien, die bestehenden Probleme mit Vernunft und Menschlichkeit zu meistern, so Caritas Schweiz.

Für die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) ist das Ergebnis ein klares Bekenntnis zur humanitären Tradition der Schweiz und zu einer von Vernunft gesteuerten Asylpolitik. Die SFH will diesen Anliegen im Rahmen der anstehenden Asylgesetzrevision Nachachtung verschaffen.

Das Stimmvolk habe sich vom trügerischen Titel der Initiative und dem emotional und populistisch geführten Abstimmungskampf nicht in die Irre führen lassen. Der Wahlkampf 2003 für die Neubestellung des Parlaments dürfe nicht auf dem Rücken von Flüchtlingen und Vertriebenen geführt werden, warnt die SFH.

Breites Missbehagen

Das knappe Resultat macht gemäss Amnesty Schweiz deutlich, dass zur Asylfrage innerhalb der Bevölkerung ein breites Missbehagen bestehe. Es sei den Gegnern und Gegnerinnen der Initiative nicht gelungen, die in weiten Teilen der Bevölkerung vorhandenen Ängste zu entkräften. Die geltenden Gesetzesbestimmungen reichten aus, um gegen die Minderheit der Asylsuchenden vorzugehen, die das Asylrecht missbrauchten. Das Gesetz müsse unter Einhaltung der Menschenrechte konsequent umgesetzt werden, so ai.

SVP will Resultat nicht anfechten

Die SVP will das knappe Resultat in der Abstimmung über die Asylinitiative ohne Neuauszählung akzeptieren.Ein entsprechender Antrag werde nur bei konkreten Anzeichen auf Fehler in der Auszählung gestellt, sagte SVP-Generalsekretär Gregor Rutz. Im Vordergrund für die SVP stehe nicht eine allfällige Nachzählung, sondern die anstehende Revision des Asylgesetzes.Die Schweizer Demokraten haben dagegen eine landesweite Nachzählung der abgegebenen Stimmen gefordert. Die Partei werde "im Wissen, die Hälfte der Bevölkerung auf ihrer Seite zu haben, den Kampf gegen Überfremdung weiterführen".

Quellen: Kipa/EVP

Datum: 25.11.2002

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