Nach der Abstimmung: Solidarität nicht vom Tisch

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«Von jedem, der viel bekommen hat, wird auch viel erwartet»: Dieses Wort von Jesus von Nazareth stach in der Volksabstimmung am Wochenende nicht. Die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben die Solidaritätsstiftung des Bundes beerdigt.

Den Hilfswerken wird es schwer fallen, die 250 Millionen Franken als Spenden von Privaten zu bekommen, meint Christoph Stückelberger, Leiter von «Brot für alle». Aber auch wenn es leichter fällt, von Hilfe zu reden als sie (als Gemeinwesen) zu praktizieren - die Herausforderung zum solidarischen Handeln über unsere Grenzen hinaus ist nicht vom Tisch.

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Kommentar:

Keine Solidaritätsstiftung - wohin jetzt mit dem Geld?

Schon heute wird im Parlament die Diskussion darüber losgehen, was jetzt mit dem Erlös aus den Verkäufen des überschüssigen Goldes der Nationalbank geschehen soll. Wir erlauben uns, einen Vorschlag zu machen, der im Parlament wohl kaum eine grosse Lobby hat.

Mit ihrer Goldinitiative hat die Schweizerische Volkspartei (SVP) die Solidaritätsstiftung erfolgreich verhindert. Dies stellte gestern auch der Erfinder der Initiative, Nationalrat Christoph Blocher, befriedigt fest. Die "Verschleuderung" von Volksvermögen habe man damit erfolgreich verhindert.

Die Goldinitiative hat unglücklicherweise dazu geführt, dass sich die Diskussion einseitig darum drehte, ob und mit wie viel Geld die Renten der älteren Generation unseres Landes sicher gestellt werden sollen. Das ist in der Tat ein wichtiges Anliegen. Doch dahinter ging ein heute noch dringlicheres Anliegen unter: Wie sichern wir die Existenz von jungen Familien mit Kindern, insbesondere auch von Einelternfamilien? Sie sind die Verlierer der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten 20 Jahre. So hat zum Beispiel die Umsetzung des Verursacherprinzips die Familien unverhältnismässig getroffen. Aber auch die eskalierenden Krankenkassenprämien treffen bekanntlich vor allem Familien mit relativ
schwachen Einkommen.

Dank der angespannten Finanzlage der öffentlichen Hand, besonders der Kantone, haben die Familien wenig Chancen, dass sich ihr Los in absehbarer Zeit wesentlich verbessert. Im Gegenteil: Auch im Bereich der Beratung von Familien in Schwierigkeiten zeichnet sich ein Engpass ab. So sind etwa die Behörden im Bereich der Jugend- und Familienhilfe am Anschlag. Gerade auch in reichen Kantonen wie dem Kanton Zürich, wie die NZZ am Wochenende berichtete. Die kantonale Jugendkommission hat eben Alarm geschlagen und darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiter der Jugendsekretariate bis zu 125 Fällen zu bearbeiten hätten. Ab 100 Fällen aber werde die Situation prekär, da keine seriöse Beratung mehr möglich sei. Darunter leiden nicht nur betroffene Familien, auch die Gesellschaft wird das bald einmal zu spüren bekommen. Doch der Druck von bürgerlichen Parteien, die Kosten im öffentlichen Bereich nicht weiter steigen zu lassen, wird wohl stärker sein als das Leiden betroffener Familien und ihrer Heranwachsenden.

Weshalb also, setzen wir nicht die Erlöse, die jetzt aus dem Verkauf des Nationalbank-Goldes erzielt werden können, für die Stützung der Not leidenden Familien und für die Förderung der Jugend ein, die für unsere Zukunft vital ist? Weshalb dämpfen wir damit nicht das Armutsrisiko, das mit dem Kinderhaben heute verbunden ist? Weshalb setzen wir damit nicht Zeichen, welche Eltern ermutigen, Kinder zu haben? Bringt die helvetische Politik wieder einmal die nötige Weitsicht auf? Auch das wäre ein Zeichen für Solidarität.

Datum: 24.09.2002
Autor: Fritz Imhof
Quelle: ERF Schweiz

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