Das kirchliche Expo.02-Projekt "Un ange passe" aus der Sicht der Besucher

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Murten. Sehr anregend, aber nicht immer leicht verständlich: So urteilen viele freiwillige Helfer über die Ausstellung "Un ange passe", welche in Murten den Gemeinschafts-Auftritt von 14 christlichen Kirchen der Schweiz an der Landesausstellung begleiten. Wie kommt die Ausstellung der Schweizer Kirchen beim Expo-Publikum an? – Wir haben uns umgehört und umgeschaut.

Eines sei vorweggenommen: Die Besucher gehen mit einer gesunden Portion Neugier an die Expo.02 und sind darum für "Neues" empfänglich. So etwa dieser Gast aus Deutschland, der ungenannt bleiben will. Ihn hat es in eine der sieben Hütten von "Un ange passe" am Ufer des Murtensees verschlagen. Was hält er von der kirchlichen Inszenierung? "Es geht um die Vergebung von Sünden, habe ich draussen gelesen. Ich versuche nun den Zusammenhang zwischen Thema und Dargestelltem herzustellen", sagt der jüngere Mann.

Ein junges Paar ist aus Stuttgart angereist und schaut sich aufmerksam die Inneneinrichtung einer der sieben Stationen an: "Es sieht so aus, als hätte es irgendetwas mit Religion zu tun", sagt er. Und sie meint: "Auf den ersten Blick habe ich an Kultur und weniger an Religion gedacht."

Die Reaktionen auf die Ausstellung fallen denn auch ganz unterschiedlich aus. Wenig Begeisterung löste sie bei zwei Teenagern aus. "Die Station zum Thema 'Segen' enthält sicher eine religiöse Botschaft. Auch Begriffe wie 'Wort' und 'Licht' tun das. Aber, man muss sich sehr stark mit dem, was man sieht, auseinandersetzen, Mich hat es einfach nicht so angesprochen", gesteht Adi Schwegler aus Schüpfheim LU. Auf seinen gleichaltrigen Begleiter Beni Höllrigl aus Reidermoos LU wirkte die Ausstellung auch "nicht so interessant".

Nötige Präsenz der Kirchen

Zwei junge Männer verlassen eben eines der Häuschen: "Wenn man weiss, dass es etwas mit Religion und Glaube zu tun hat, verbindet man gewisse Sachen. Zum Beispiel die Esel mit Weihnachten und Krippe. Ich habe mir aber noch nicht viele Gedanken darüber gemacht, ob ich die Umsetzung der Themen als gelungen bezeichnen soll", sagt Christoph Müller aus Ennetbürgen NW. Andres Rapp aus Basel kann mit der Ausstellung nichts anfangen. "Die Station mit den goldenen Eseln hat mich an die Plastikkühe erinnert, die vor einigen Jahren in Zürichs Strassen aufgestellt wurden", meint er.

Eines ist sicher: Die sieben Häuschen von "Un ange passe" sind nie menschenleer, immer hat es Besucher, die mehr oder weniger zufällig rein schauen. Man hört nicht nur kritische Stimmen, sondern auch Begeisterung. Anton Kreuzer ist mit seiner Familie aus Naters VS hergekommen. Er wisse, dass "Un ange passe" mit Kirche zu tun habe. Einerseits aufgrund der Broschüren, die verteilt werden, und andererseits aufgrund der Formen dieser sieben "Kapellen" und deren "Inhalte". Es sei gut und nötig, dass sich die Kirchen an einem Ort wie der Landesausstellung präsentierten. Den Auftritt nennt er "gelungen". Und was hält der kleine Sohn Dominique davon: "Es ist schön", und mit Religion habe es schon etwas zu tun. Was? Der Bub bleibt vorerst die Antwort schuldig.

Es sieht fast danach aus, als würden ältere Menschen eher als jüngere eine Brücke zwischen "Un ange passe" und den Kirchen schlagen. Vermutlich, weil sie der Ausstellung mehr Zeit widmen. "Die Fragen, die in den Hütten gestellt werden, haben ganz eindeutig eine Beziehung zur Kirche", sagt Alex Fürer, der mit seiner Frau und einer Gruppe aus Gossau SG hergereist ist. Die Gruppe wusste von "Un ange passe" und hat sich darum auch zu den "sieben Himmeln" begeben, wie die Hütten auch genannt werden.

Hinter Kirche ein Fragezeichen

Die Ausstellung habe Kindheitserinnerungen wach gerufen, meint etwa Christine Siegenthaler aus Menziken AG, die mit einer Freundin unterwegs ist. Sie schlage die Brücke zur katholische Kirche, der "Segen" gehöre zu jedem Gottesdienst. Sie findet das Projekt gelungen und reich an Inhalten: "Es ist nicht billig, was da geleistet wurde." Übrigens: Die beiden Damen sind zufällig auf das Kirchenprojekt gestossen.

"Im weitesten Sinn hat es etwas mit Religion zu tun, es gibt verschiedene Stationen im Leben", gibt Beatrice Jungo aus Alterswil FR zu Protokoll. "Ich würde es aber nicht mit 'Kirche' übertiteln." Keinen Bezug zur Kirche kann ihre Begleiterin Kanisia Aebischer aus Düdingen FR herstellen. "Ich denke, sie wollen den Leuten das Jenseits symbolisch zeigen." Für "Un ange passe" als Darstellung religiöser Botschaften vermag sie sich aber zu begeistern.

Weitere Zeichen kirchlicher Präsenz

Nicht nur die sieben rostigen, mit verschiedenen Inhalten versehenen Häuschen am Murtenseeufer zeugen von den Kirchen an der Landesausstellung. Ein unübersehbares Zeichen von Kirche sind auch die zahlreichen Ordensschwestern, die in ihren Ordensgewändern die Ausstellung besuchen. Immer wieder berichten Besucher der Arteplage Murten von Begegnungen mit Ordensschwestern und sind in der Regel durchaus angetan von deren Präsenz.

In einer Zeit, in der sich die Kirchen leerten, sei es wichtig, dass die Glaubensgemeinschaften religiöse Themen in der Öffentlichkeit vorstellen, sagt Dieter Wechlin, evangelischer Diakon bei der Stadtmission Zürich. Auch er weilt als Besucher in Murten. Er ist angetan von der Umsetzung der religiösen Themen in den "sieben Himmeln" am Wasser und hat an dem Ort bereits einige Zeit verbracht. Er hat beobachtet: Bezüglich des Glaubens haben die Menschen viele Fragen.

Religiöser Wortschatz

Fazit: Jene, die als Freiwillige den kirchlichen Auftritt "Un ange passe" betreuen, finden diesen durchs Band weg anregend, aber nicht immer leicht verständlich, wie eine kleine Umfrage ergab. Die meisten haben sich schon vor ihrem Einsatz in Murten thematisch auf die Ausstellung eingestimmt.

Besucher, die sich vorbereitet haben oder sich vor Ort Zeit nehmen und mit dem Dargestellten auseinandersetzen, gewinnen der Ausstellung durchaus viel Positives ab. Junge Menschen, denen der kirchliche Bezug vielfach fehlt, die zur Kirche auf Distanz und mit dem Vokabular des Glaubens oft kaum mehr vertraut sind, haben mit der Ausstellung zuweilen Mühe. Diese vermag aber, bei ihnen den religiösen Wortschatz zumindest wieder wach zu rufen.

Datum: 09.06.2002
Autor: Georges Scherrer
Quelle: Kipa

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