Mit Patientenverfügungen Sterben und Tod enttabuisieren

friedhof

Zürich. Das Interdisziplinäre Institut für Ethik im Gesundheitswesen „Dialog-Ethik“ hat eine neuartige Patientenverfügung lanciert. Sie hilft Interessierten, auch Wünsche sozialer und spiritueller Art zu formulieren und legt grosses Gewicht auf die Anwendung von Palliativ-Medizin. Das „Human-Dokument“.

Die klassischen Patientenverfügungen sind weitgehend von der Befürchtung bestimmt, im Falle von schwerer Krankheit unter unnötigen lebensverlängernden Massnahmen leiden zu müssen. Sie definieren, in welchen Fällen auf solche lebensverlängernden Massnahmen verzichtet werden soll.

Das Human-Dokument geht einen bedeutenden Schritt weiter und weist erstmals auch auf die Möglichkeiten der Palliativmedizin hin, das heisst eine Pflege von schwerkranken Menschen, die durch grosszügigen Einsatz von schmerzlindernden Mitteln sowie durch psychologische Massnahmen den Leidenden hilft, eine höchstmögliche Lebensqualität zu erhalten.

Das Human-Dokument bringt aber auch die Frage nach psychologischen und religiösen Bedürfnissen ins Spiel. So ist anzugeben, von welcher Person man im Falle eines Falles seelsorgerlich betreut werden möchte. Es habe sich gezeigt, dass die Abrufbarkeit des Dokuments oft entscheidend sei, sagte Doris Suter-Gut vom Hausarztverein Luzern-Reuss an der Medienkonferenz.

Ebenso können mit dem Human-Dokument Fragen nach Sterbeort und Ort des Begräbnisses, aber auch über die Bereitschaft, seinen Körper für eine Organentnahme oder die medizinische Forschung zur Verfügung zu stellen, beantwortet werden.

Kreditkartenformat

Einen wesentlichen Fortschritt bedeutet die Ausstellung einer Plastikkarte im Kreditkartenformat, die jederzeit mit sich geführt werden kann. Darauf ist eine persönliche Identifikationsnummer sowie eine Hotline-Nummer verzeichnet, die 24 Stunden abrufbar ist. Sie ermöglicht medizinischem Personal und autorisierten Angehörigen den sofortigen Zugriff auf die Patientenverfügung und damit auf den geäusserten Willen eines entscheidungsunfähigen Verunfallten oder Erkrankten, wie die Projektleiterin des Human-Dokuments, Katharina Bärtschi, erklärte.

Die Daten werden in einer Datenbank von Dialog-Ethik erfasst. Die Aussteller der Patientenverfügung haben die Möglichkeit, diese Daten regelmässig zu aktualisieren, wenn sich ihre persönliche Verhältnisse und Wünsche verändert haben.

Zur Verbreitung des Dokuments sowie den Begleitinformationen arbeitet Dialog-Ethik mit dem Schweizerischen Senioren- und Rentnerverband (SSRV), mit der Schweizerischen Gesellschaft für Palliative Medizin (SGMPM), dem Hausarztverein Luzern-Reuss und dem „palliative care, Netzwerk Zürich“ zusammen. Damit soll eine gute Verbreitung und Anwendung sichergestellt werden.

Grosse Hemmungen

An der Medienkonferenz wurde deutlich, dass zwar das Interesse an der Mitbestimmung der medizinische Massnahmen bei Entscheidungsunfähgikeit gross ist, dass aber nach wie vor trotz dem hohen Stellenwert der Patientenautonomie grosse Hemmungen bestehen, seinen Willen in einer Patientenverfügung festzulegen. Die Ärztin Doris Suter-Gut vom Hausarztverein Luzern schätzte den Anteil von Personen, die eine solche Verfügung ausgestellt haben, auf unter 1 Prozent.

Dialog-Ethik stellt deshalb Fachleute für Informationsveranstaltungen zur Verfügung und leistet auch Beratung beim Erstellen des Dokuments. Hausärzte sollen ermutigt werden, das Dokument ihren Patientinnen und Patienten vorzustellen. Es sei für alle Altersgruppen relevant. Weiter sollen Anstrengungen unterstützt werden, die Palliativmedizin flächendeckend einzuführen, was vor allem in der Deutschschweiz noch längst nicht der Fall ist.

Gerade die heutige Diversifizierung der persönlichen Verhältnisse mache das Human-Dokument wichtig, da sonst oftmals nicht klar sei, zu welchen Bezugspersonen eine durch Krankheit oder Unfall entscheidungsunfähige Person Vertrauen habe. Das gelte insbesondere von Menschen mit behinderten Nachkommen, Personen im Konkubinat oder Ausländern ohne Angehörige in der Schweiz. Daher sei auch die periodische Aktualisierung eines solchen Dokuments wichtig.

Ein weiterer Kostenschub im Gesundheitswesen sei durch vermehrte Anwendung von Palliativmedizin nicht zu erwarten, sagte Kaspar Büchi, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dialog-Ethik. Denn diese könne oftmals teure Intensivmedizin, die der Patient gar nicht wolle, überflüssig machen. Allerdings müsse die Palliativmedizin auch mit politischen Massnahmen gefördert werden, sagte der Geriater Roland Kunz, Vizepräsident der SGPMP.

Hinweis:

Weitere Informationen durch:

Institut Dialog-Ethik, Gloriastr. 18, 8028 Zürich. Tel. 01 252 42 59; Email ; Website .

Schweizerische Gesellschaft für Palliative Medizin (SGMPM),. Roland Kunz, Arzt, Spital Limmattal, 8952 Schlieren. Website .

Schweizerischer Senioren- und Rentnerverband SSRV, Ziegelbrückstr. 31, 8872 Weesen. Tel. 055 616 51 04; Email

Datum: 01.06.2002
Quelle: Kipa

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