Stimmungsbarometer um die Fristenlösung in den Medien

Fritz Herrli

Zürich. Ganz wie die politischen Parteien befürwortet die Mehrheit der Publikationen die Fristenregelung und lehnt die Initiative für Mutter und Kind ab. Entsprechend fällt in den Redaktionen die Berichterstattung aus.

Beim Sichten der Zeitungen wird die Sache schnell klar. Gross mit Bild erscheinen die Berichte über die Befürworter der Fristenlösung. Bescheiden, am Rande – man kann sie ja nicht ganz weglassen! – die Meldungen über die Gegner.

So verlief die Berichterstattung etwa bei den Komiteegründungen für oder gegen die neue Regelung bei der Abtreibungsfrage. Eine Ausnahme bildeten die „Südostschweiz“ und die Thurgauer Zeitung, die sich mit nur knappen Agenturberichten über das Ja-Komitees begnügten. Im Thurgau sind die Gegner stark.

Geradezu abgefeiert wurde das Ja des Bundesrates, das Ruth Metzler den Medien jugendlich-charmant überbrachte. Sie räumten ihr mit langen, aber zumeist banalen Interviews viel Platz ein. Zu Berichten führten natürlich die im letzten Monat von allen Parteien erfolgten Parolenfassungen. Alle entschieden gemäss den Erwartungen.

Am spannendsten war die Frage, ob sich die CVP angesichts ihrer internen Zerrissenheit zu einem Nein durchringen würde. Sie tat es am 27. April und fand in den Medien grosse Beachtung. Da und dort wurden befürwortende Kommentare gedruckt, meist von eigenen Redaktorinnen oder nahestehenden Politikerinnen geschrieben.

Fundierte Hintergrundartikel zum Thema fehlten bisher weitgehend. Man hat auch in den Medien, wie schon seinerzeit bei den Debatten in den nationalen Räten, den Eindruck, die Schweizer seien des Themas überdrüssig.

Polarisieren mit der Initiative

Löbliche Ausnahme ist die Neue Zürcher Zeitung. Obwohl auch hier die Redaktion, ganz im Sinne einer liberalen Zeitung, die Fristenlösung begrüsst, bot sie in den vergangen Wochen den Kontrahenten Podien für deren Argumente, so etwa GLS-Präsident Walter Hürzeler in der Ausgabe vom 24. April und Dominik Müggler für die Initiative am 10. April. Interessant auch die Beiträge im staatspolitischen Forum vom 17. April, als von Ethikprofessoren der Zusammenhang von Recht und Moral untersucht wurde. Die Artikel leuchten die tatsächliche Problematik eines säkularen Staates aus, der die religiösen und moralischen Überzeugungen einer Gesellschaftsgruppe nicht mit Hilfe des Rechts andern Staatsbürgern, die diese Moral nicht teilen, aufzwingen kann. Leider war es dann aber auch die NZZ und besonders die „NZZ am Sonntag“, die die Vorlage „Für Mutter und Kind“ stark in Verbindung mit der südafrikanischen Bewegung Kwasizabantu brachte und fälschlicherweise schrieb, die Initiative werde von dieser stark kontrolliert und finanziert.

Der Bericht wurde von anderen Medien aufgegriffen und verstärkte damit das Image eines Vorstosses aus der fundamentalistischen christlichen Ecke mit „rigoristischer“ Sexualmoral. Dieses Vorkommnis zeigt einmal mehr, dass für politische und öffentliche Auftritte deren Repräsentanten nicht sorgfältig genug ausgewählt werden können.

Der katholische Ja-Priester

Einen Bärendienst tat den Gegnern der Fristenlösung, zu denen ja auch die Bischofskonferenz gehört, der katholische Theologie Stephan Pfürtner. Er war von der Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruches nach Bern zu eingeladen worden, natürlich nicht zufällig, denn der 80-jährige Deutsche plädiert für die Fristenlösung. Nicht nur die Berner Zeitungen, sondern auch der Tages-Anzeiger brachten dankbar grosszügige Artikel und Interviews.

Fairer dann fiel der Artikel des TA über den „christlichen Kampf gegen die Abtreibung“ am 20. April aus. Die Basler und Mittelland Medien sowie fast alle andern sangen den üblichen Tenor für die Fristenlösung und wider die Initiative. Die grösste Zeitung des Landes, täglich von einer Million Menschen gelesen, hat laut Blick-online-Archiv in diesem Jahr noch keine Zeile zum Thema geschrieben.

Noch wenig im Fernsehen

Für Radio und Fernsehen war das Thema erst am Rande interessant. Fernsehen DRS brachte bereits am 19. März einen „Zischtigsclub“, in dem die Fristenlösungsgegener, allen voran der Berner Arzt Wilf Gasser, einen guten Eindruck hinterliessen. Die Rundschau vom 1. Mai hingegen liess keine Gelegenheit aus, die Gegner der Fristenlösung und die Befürworter der Initiative als dümmliche und verstaubte Zeitgenossen in Szene zu setzen. Dass die Präsidentin der SHMK dem Fernsehen kein Interview geben wollte, schadet der Sache kräftig. Gespannt darf man auf die Arena am 17. Mai sein.

Auf zur letzen Runde

Die Komitees rüsten nun zum letzten Gefecht vor der Abstimmung am 2. Juni. Die Dichte der Inserate in den Zeitungen nimmt zu. Die Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind (SHMK) liess Ende April eine farbige Broschüre in alle Schweizer Haushaltungen verteilen. Die GLS hat mit ihrem Werbematerial eine Reihe von Städten und „weissen Flecken“ für Streuaktionen ausersehen. Informationsveranstaltungen und Strassenaktionen laufen. Ob es den Lebensrechtlern gelingen wird, entgegen der öffentlichen Mehrheitsmeinung, einen Stimmungsumschwung zu erzeugen, muss sich zeigen. Dem ungeborenen Leben wäre es zu gönnen.

Datum: 09.05.2002
Autor: Fritz Herrli
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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