Schweizer Pastor in Nizza

«Ich möchte Menschen etwas Wertvolles in ihrem Innersten deponieren»

Philippe Boulanger verliess die Schweiz und leitet seit 2018 mit seiner Frau Rebecca die lebendige Gemeinde «Victoire Centre Chrétien» in Nizza. Livenet war vor Ort und wollte wissen, was einen Schweizer dazu bewegt, in Nizza als Pastor zu arbeiten.
Philippe Boulanger mit Frau Rebecca und den beiden Töchtern
Gottesdienst in der Kirche «Victoire Centre Chrétien»

Philippe Boulanger, Sie sind in Neuchâtel aufgewachsen und haben die Universität dort besucht. Was haben Sie studiert?
Philippe Boulanger
: Ich studierte Geisteswissenschaften mit dem Schwerpunkt Geografie, Journalismus und Kommunikation an der Universität von Neuchâtel. Parallel dazu habe ich meinen Bachelor in Sport abgeschlossen.

Wie sind Sie zum Glauben gekommen?
Ich bin im ersten Jahr an der Uni am 22. Mai 2003 zum Glauben gekommen. Ich bin zwar mit christlichen Werten aufgewachsen, aber ich hatte keine persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Dann habe ich eine echte Transformation durch die Kraft des Evangeliums im Leben meines älteren Bruders Emmanuel gesehen – und durch diese krasse Veränderung in ihm kam der Wunsch in mir auf, täglich in der Bibel zu lesen. Nachdem ich die Lehren von Jesus zehn Tage lang studiert hatte, erhielt ich eine Offenbarung, als ich gerade eine CD der englischen Gruppe «Delirious» hörte: Jesus Christus ist am Kreuz gestorben, weil er MICH liebt! Diese Botschaft berührte mich tief im Inneren, und ich hörte eine Stimme: «Herzlich willkommen im Reich Gottes!»

Sie hatten schon immer Interesse an fremden Ländern und Menschen. Erzählen Sie von Ihrer Zeit in Südafrika…
Von 2003 bis 2005 erlebte ich kaum geistliches Wachstum, weil ich keine Kirche vor Ort hatte und kaum christliche Freunde fand. Daher traf ich eine radikale Entscheidung: Ich verliess mein Land und mein familiäres Umfeld, um wirklich im Glauben zu wachsen. Ich ging nach Südafrika mit dem Ziel, geistliches Leben, Englisch und Surfen miteinander zu kombinieren. Nach vier Jahren in Südafrika und zwei Jahren in Mosambik habe ich verstanden, dass es einen riesigen Unterschied zwischen einem Kirchenangehörigen aus Tradition und einem Jünger Jesu gibt, der sein ganzes Leben auf Jesus ausrichtet. Ich traf nicht nur sehr viele junge Menschen, die voller Begeisterung im Glauben standen, sondern der Aufenthalt in Südafrika gab mir auch die Gelegenheit, meine erste Predigt zu halten… Diese Erfahrung markierte einen Wendepunkt, denn Predigen und die Verkündigung des Evangeliums machen heute einen Grossteil meines Lebens aus.

Sie haben dann Ihr Studium in der Schweiz beendet. Wie kam es zu der Entscheidung, die Bibelschule Rhema in Nizza zu besuchen?
Mir wurde klar, dass es Gottes Wille ist, dass ich Pastor werde. Ich hatte allerdings eigentlich meinen Master gemacht, um Journalist oder Redakteur zu werden. Gott hat definitiv Sinn für Humor – denn heute antworte ich auf Ihre Fragen, und vor einigen Jahren war ich noch der Redakteur, der Fragen stellte! Im Grunde habe ich die Schweiz nicht wegen der Bibelschule verlassen, sondern weil ich meiner grossen Liebe folgte – Rebecca, meiner heutigen Frau. Als wir verheiratet waren, wollten wir uns weiterbilden, um unsere Ehe auf ein solides Fundament zu stellen. Als eine Bibelschule in unserer Stadt eröffnet wurde, haben wir sehr davon profitiert.

Sie sind als Pastor viel gereist, um das Evangelium zu verkünden. Was ist Ihre Motivation dabei?
Seit Januar 2011 bin ich im vollzeitlichen Dienst. Da mir die Verkündigung des Evangeliums sehr am Herzen lag, öffneten sich völlig unerwartet sehr schnell Türen, die ins Ausland führten (Europa, Afrika, Nordamerika). Mein Anliegen ist es, bei den Menschen, denen ich begegne, etwas Wertvolles in ihrem Innersten zu deponieren. Ich bin immer wieder begeistert, wenn ich sehe, wie Gott Menschen benutzt, um durch sein Wort und den Heiligen Geist andere Menschen zu verändern, sodass es zu einer himmlischen Veränderung in ihrem Leben kommt.

Was ist das Besondere an Ihrer Kirche Victoire Centre Chrétien? Welche Vision haben Sie für Ihre Gemeinde, für Nizza und die französischsprachige Welt?
Unsere Vision hat vier Säulen: Wir möchten Familie, Jünger, Gemeinde und Reich Gottes stärken und bauen! Wir glauben, dass jede Gemeinde eine eigene Vision hat. Unsere ist von der ersten Kirche in Europa, der Gemeinde in Philippi, inspiriert. Dort gab es auch erst zwei einzelne Menschen (Lydia und den Gefängniswächter), die von der Botschaft des Evangeliums berührt wurden, dann folgte eine Familie nach der anderen, dann die Gründung einer Gemeinde. Diese Gemeinde hat dann schliesslich Paulus finanziell unterstützt, damit er nach Thessaloniki gehen konnte, weil sie wollten, dass die Menschen dort auch gerettet würden. Kurz gesagt: Wir sind eine lokale Kirche mit einer globalen Vision. Die Besucher und die Mitglieder sprechen oft davon, dass bei uns die Liebe untereinander spürbar ist.

Ihre Frau leitet mit Ihnen. Wo haben Sie sich kennengelernt?
Eigentlich habe ich meine Frau in Fiesch (VS) in der Schweiz in einem Skilager für junge Christen kennengelernt! Ich war im Leitungsteam, sie war die Dolmetscherin für den eingeladenen Referenten. Nach unserer Begegnung verging ein Jahr, bis es dann beim zweiten Jugendlager so richtig funkte… Jetzt sind wir seit zehn Jahren verheiratet und haben zwei Töchter im Alter von zwei und vier Jahren, die Ella und Davina heissen.

Würden Sie sagen, dass Sie als Gemeindeleiterehepaar ein «Dreamteam» sind?
Offen gesagt, war das gemeinsame Arbeiten als Ehepaar nie ein Traum von mir. Meine ideale Vorstellung war eher, dass jeder seine eigene Arbeit hat, damit man Privatleben und Arbeit nicht miteinander vermischt. Aber wir versuchen, aus unserer Ehe eine Kraftquelle zu machen – zu Hause und in der Gemeinde. Dazu gehört, dass wir nicht von Arbeit und Gemeinde sprechen, wenn wir uns eine Auszeit als Ehepaar nehmen. Meine Frau hat Qualitäten, die ich nicht habe und umgekehrt. Als Gemeindeleiterin ist ihre Rolle eher im operativen Bereich, während meine darin besteht, die geistliche Richtung vorzugeben. Ich weiss nicht, ob wir ein Traumpaar sind, aber ich denke, wir können uns gut in die Herausforderungen einfühlen, denen Paare und Eltern tagtäglich ausgesetzt sind. Ausserdem können wir ein männliches und ein weibliches Ohr für die Männer und Frauen anbieten, die in unsere Gemeinde kommen. Kurz gesagt: Zusammen sind wir stärker und können viel mehr bewegen!

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Datum: 05.12.2019
Autor: Meike Ditthardt
Quelle: Livenet

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