100 Jahre Stiftung «Gott hilft»

Von einer Heilsarmee-Offizierin zu einer grossen sozialen Stiftung

Es begann während dem Ersten Weltkrieg: Eine Heilsarmee-Offizierin fing eine verzweifelte Mutter ab, die sich und ihr Kind in der Not töten wollte. Daraus entstanden Häuser für Kinder in Notlage und vieles weiteres. Livenet unterhielt sich mit Daniel Zindel, dem Gesamtleiter der «Stiftung Gott hilft», über die nun 100-jährige Arbeit.
Bild von den Anfängen der «Gott hilft»-Stiftung
Pfarrer Daniel Zindel, Stiftungsleiter «Gott hilft»
Schüler an einer «Gott hilft»-Schule
Flyer der Ausstellung zum 100-Jahr-Jubiläum der «Gott hilft»-Stiftung

Livenet: Daniel Zindel, Sie feiern in diesem Jahr das 100-jährige Bestehen. Wie hat die Stiftung angefangen und was wurde in den ersten Jahren geleistet?
Daniel Zindel: Der Heilsarmee-Offizierin Babette Rupflin–Bernhard begegneten in einem düsteren Hausgang in Chur eine Mutter mit ihrem Kind. Aus grosser Not heraus wollte sich die Mutter zusammen mit ihrem Kind das Leben nehmen. Das war 1916, mitten im ersten Weltkrieg. Sie erlebten dabei viel Solidarität von Menschen und die übernatürliche Hilfe Gottes. Daraus entstand die Stiftung Gott hilft.

Am Ende des zweiten Weltkriegs gehörten 13 Kinderheime, davon drei mit einer Schule und vier mit einem Landwirtschaftsbetrieb, zur Stiftung Gott hilft. Rupflins haben mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern eine gewaltige Pionierleistung vollbracht.

Wo steht die Stiftung heute, was wird getan?
Mit unseren 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind wir in vier Tätigkeitsfeldern unterwegs: In der Kinder- und Jugendhilfe haben wir verschiedenste Angebote im nieder- und hochwelligen Bereich. Das reicht von Schulsozialarbeit, Erziehungsberatung, Time-out-Vermittlungen durch unsere sozialpädagogische Fachstelle bis hin zu sozialpädagogischen Institutionen mit eigenen Schulen und Lehrlingswohnen. Wir sind aber auch in der Altersarbeit tätig. An unserer Höheren Fachschule für Sozialpädagogik – der HFS Zizers – sind wir  in der Aus- und Weiterbildung von Sozialpädagoginnen und – pädagogen tätig. Wir nehmen auch geistlich-theologischen Angeboten war, was vor allem an unserer Beratungsstelle Rhynerhus, im Elterncoaching und in der christlichen Seminarhotellerie geschieht.

Wie sieht nun das Jubiläumsjahr aus?
Mit unseren Mitarbeitenden und Freundeskreis sind wir anfangs Jahr mit einem Jubiläumsgottesdienst in der reformierten Kirche in Zizers gestartet. Im März führen wir unseren jährlichen sozialpädagogischen Fachtag zusammen mit allen Institutionen durch, mit denen wir fachlich zusammenarbeiten. Im April eröffnen wir unsere Ausstellung «Wenn es scheinbar nicht mehr weitergeht – 100 Jahre Kinder- und Jugendhilfe». Die erlebnispädagogisch gestaltete und für die breite Öffentlichkeit bestimmte Ausstellung beleuchtet Licht- und Schattenseiten der Fremderziehung. Sie stellt auch die Geschichte der Heimerziehung im sozialgeschichtlichen Kontext dar.

Für interessierte Gruppen bieten wir Führungen an. Im August ist die Vernissage eines historischen Buches über die Stiftung, das in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Graubünden herausgebracht wird. Am 10. September findet dann das grosse Campusfest am Hauptsitz unserer Stiftung in Zizers statt. So wie wir als Mitarbeitende das Festjahr vor Gott angefangen haben, beschliessen wir es mit drei geistlichen Retraiten in Gebet und Stille – und wohl auch mit etwas Nachschlafen.

Was bewegt Sie, wenn Sie zurückblicken?
Drei Dinge: Erstens Gottes Treue. Wir führten vor einigen Jahren eine intensive Diskussion über den Namen unserer Stiftung, der viele irritiert. Bewusst hielten wir an ihm fest. Nicht weil er eine gut eingeführte Marke ist, sondern weil er von einer 100-jährigen Realität zeugt. Gott hilft. Wir stehen dazu: Christliche Spiritualität ist eine grosse Ressource in der sozialen Arbeit. Zweitens: Der enorme Einsatz von Christinnen und Christen aus den letzten vier Generationen. Sie haben jeweils nach den «professionellen» Massstäben ihrer Zeit gearbeitet. Drittens: Wir haben die 100 Jahre unserer christlichen Institution intensiv aufgearbeitet. Wir haben in einem Jahrhundert nicht nur Heils-, sondern auch Unheilsgeschichte geschrieben – Gewalt, Demütigungen im Heim und anderes. Es braucht Mut, da hinzuschauen, Busse zu tun, sich entschuldigen, das Ganze auch kritisch zu reflektieren. Zugleich müssen die gewaltigen Lebensleistungen der Pionier- und Aufbaugenerationen gewürdigt werden. Sie haben ohne Ausbildung, mit extrem wenig Mitteln und äussester Hingabe an Gott und Menschen gearbeit. Das Thema ist zudem politisch hochaktuelle, etwa durch die «Volksinitiative fürsorgerische Zwangsmassnahmen» oder «Wiedergutmachung». Wir werden von den Medien wach begleitet. Das macht es sehr spannend, braucht aber viel Kraft. Alle diese Prozesse machen uns zu einer reifen Organisation. Und wenn wir unsere 100 Jahre Vergangenheit professionell und vor Gott aufarbeiten, werden sogar auch unsere Hypotheken zum Potential für die Zukunft.

Sie bieten nun auch Flüchtlingen eine Unterkunft - wie sieht dieses Engagement aus?
Wir bieten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen begleitetes Wohnen an, unterstützen sie in ihrer Integration und begleiten sie bei ihrem Eintritt in die Arbeits- und Berufswelt.

Wie ist es dazu gekommen?
Die Bündner Regierung hat uns dazu einen Leistungsaufrag erteilt.

Was sind die nächsten Ziele der Stiftung?
Jedes unserer vier Geschäftsfelder hat seine eigene professionelle Strategie für die Zukunft. Für mich als Gesamtleiter gilt es, die Synergien unserer vier Tätigkeitsfelder konsequent zu nutzen und dafür zu schauen, dass unser Leitsatz auf allen Ebenen der Stiftung umgesetzt wird: «Wir handeln spirituell, menschlich, fachlich, wirtschaftlich. Im Zusammenführen dieser Aspekte und im Praxisbezug wollen wir wegweisend sein.»

Planen Sie einen «Ableger» in einem anderen Landesteil oder im Ausland?
Wir sind bereits mit verschiedenen Institutionen und Programmen in Ostafrika tätig. Ein «Ableger» in einem anderen Landesteil – abgesehen vom Elterncoaching, das wir in der ganzen Deutschschweiz betreiben – müsste von Gott geführt sein und von unserem Geschäftsmodell her Sinn machen.

Daniel Zindel ist Theologe und leitet als operativer Gesamtleiter die Stiftung Gott hilft. Er ist nebenberuflich als Buchautor und zusammen mit seiner Frau als Eheberater für Paare in Verantwortung tätig.

Zur Webseite:
«Stiftung Gott hilft»

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Datum: 05.02.2016
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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