Neue evangelische Broschüre

Antisemitismus ist Gotteslästerung

Mit einer neuen Broschüre wollen Kirchen in Deutschland dem Judenhass entgegentreten. «Antisemitismus ist Gotteslästerung», heisst es der Informationsschrift, wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mitteilte. Nachdem Judenfeindschaft durch die Jahrhunderte hindurch Lehre und Praxis der Kirchen begleitet habe, bekennen die evangelische Kirchen heute nicht nur ihre Mitschuld, sondern beziehen Stellung: «Christlicher Glaube und Judenfeindschaft schliessen einander aus.»
Antisemitismus (Symbolbild)

Das Heft «Antisemitismus - Vorurteile, Ausgrenzungen, Projektionen und was wir dagegen tun können» soll über Erscheinungsformen, Hintergründe und Ursachen von Antisemitismus aufklären. Es wird gemeinsam von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) herausgegeben und enthält auch praktische Tipps zum Umgang mit Antisemitismus und Judenfeindschaft.

Soziale Medien verbreiten Hass

Zur Realität des Antisemitismus gehörten gewalttätige Übergriffe auf Jüdinnen und Juden, Schändung jüdischer Gräber, die Leugnung und Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen ebenso wie Verschwörungstheorien und Hasspropaganda gegen den Staat Israel. Besonders über soziale Medien finde Judenhass Verbreitung, schreiben die Herausgeber. Aber auch in den Kirchen gebe es noch antijüdische Klischees, wenn etwa der biblische Satz «Auge um Auge, Zahn um Zahn» irreführend als alttestamentliches «Rachegebot» bezeichnet wird.

Erarbeitet wurde das Heft von dem von EKD, UEK und VELKD gemeinsam getragenen Ausschuss «Kirche und Judentum». Zu den Aufgaben dieses Gremiums gehört auch, den Kontakt zu jüdischen Gemeinden und zum Präsidium des Zentralrates der Juden in Deutschland zu pflegen und auszubauen.

Schweiz: Abwehr des Fremden

Der Antisemitismus schweizerischer Prägung zeichnet sich laut der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) dadurch aus, dass er im 20. Jahrhundert mit der Abwehr des Fremden einhergeht. «Schweizerisch» ist jene Form des Antisemitismus zu nennen, die ihre Wirkung unter der Oberfläche entfaltet und verdrängt wird. Die Abwehr von Juden diente «prophylaktisch» der Abwehr des Antisemitismus, der – so die Argumentation – aufkeimen würde, wenn man zu viele Juden ins Land liesse.

Es entwickelte sich eine Tabuisierung der jüdischen Existenz in der Schweiz und all dessen, was sie betraf. Auch Menschen, die sich für die Rettung jüdischer Flüchtlinge in der Zeit der NS-Verfolgung einsetzten, wurden Opfer dieser Tabuisierung.

Ein uraltes Phänomen

Judenfeindlichkeit bezeichnet eine pauschale Ablehnung der Juden und des Judentums. Dieses Phänomen erscheint seit etwa 2'500 Jahren und hat besonders die Geschichte Europas über weite Strecken begleitet. Es reicht von Verleumdung bis zum Völkermord an etwa sechs Millionen europäischen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus.

Sind die Motive der Feindschaft überwiegend religiös, wird von Antijudaismus gesprochen. Sind die Motive nationalistisch, sozialdarwinistisch oder rassistisch, wird dies im Anschluss an die Antisemiten selbst seit etwa 1870 als Antisemitismus bezeichnet.

Zivilcourage einer Schülerin 

Immer wieder wehren aber mutige Menschen Antisemitismen ab. So auch die Schülerin Emilia S. in Berlin, wie das Magazin «Stern» berichtet. In der Schulklasse von Emilia S. galt plötzlich als cool, wenn der Handyakku zu 88 Prozent geladen war – Neonazi-Code für die Buchstaben «HH», kurz für «Heil Hitler». Musste jemand niesen, wurde «Heilung» gerufen. Für die 15-jährige Dresdnerin eine beängstigende Entwicklung. «Ganz schnell war man 'lustig', wenn man seinen Mitschülern den 'Hitlergruss' zeigte oder 'Heil Hitler' sagte», erzählt Emilia. «Es wurde noch schlimmer. 'Jude' war plötzlich eine Beleidigung.» Schliesslich zeigte sie einen Mitschüler wegen Volksverhetzung an. Für ihren Einsatz erhielt die Schülerin in Berlin den Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus des Förderkreises «Denkmal für die ermordeten Juden Europas e.V.» und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Zur Broschüre:

Zum Thema:
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«Vergib unseren Vorfahren»: Bussfeier zu Judenpogrom auf der Kyburg

Datum: 15.11.2017
Autor: Willy Gautschi
Quelle: Livenet / wiki / evangelisch.de / EKR / stern / wg

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