"Köbi Kuhn: Ich kenne dich nicht!"

Thomas Zindel
Rote Karte für Vogel
Köbi Kuhn

Der Fussballplatz hat viele Parallelen zu unserem Alltag. Dies sagt Sportler-Seelsorger Thomas Zindel. Unter diesem Gesichtspunkt reflektieren wir mit Zindel die Geschehnisse nun immer wieder die Fussball-EM in Portugal.

Wir sprechen an dieser Stelle weniger über taktische Finessen. Das machen bereits alle anderen. In diesem "Expertengespräch" geht es um die mentale und geistliche Ebene. Thomas Zindel ist Leiter von "Athletes in Action" und Importeur der "Bibel für Fussballer".

Livenet.ch, Daniel Gerber: Im Spiel der Schweiz gegen Kroatien erhielt Johann Vogel die rote Karte. Ich behaupte, die ist Gold wert. Denn jetzt sagt sich das Team: "Zu zehnt haben wir einen Punkt geholt. Zu elft werden wir jetzt gewinnen!"
Thomas Zindel: Ich glaube, die Schweiz ist moralischer Sieger. Nüchtern betrachtet, nützt dieses Unentschieden sehr wenig. Man fragt sich, was wohl dringelegen wäre, wenn er nicht hätte raus müssen. Zu elft hätte man die Chance auf einen Sieg gehabt. Aber ich war total begeistert vom Kampfeswillen. Für mich sind sie als Sieger vom Platz gegangen.

Was entspricht nun dem bekannten "David gegen Goliath": zu zehnt gegen elf oder die kommenden Spiele gegen England und Frankreich?
Diese Geschichte erzählt ja von einem Wunder. Den Vergleich sparen wir uns für die nächsten Spielen auf.

Aber aus dieser David-Geschichte können wir eines lernen: David ging mit der Gabe, die er hatte, und seinem Glauben an Gott in den Kampf. Das Wenige, das er hatte, nämlich die Fähigkeit zum präzisen Schiessen, brachte er im Vertrauen auf Gott ein. Und wenn die Schweizer ihre Gaben kühn und furchtlos in den Kampf einbringen, ist noch einiges möglich.

Mehrmals kriegten die Schweizer einen kroatischen Ellenbogen ins Gesicht und gingen zu Boden. Wie beurteilen Sie das?
Die kroatischen Spieler haben eine hohe Körpergrösse. Da ist die Chance grösser, dass man so einen Schlag kriegt. Aber die Schweizer haben sich von den versteckten Fouls nicht einschüchtern lassen. Sie sind drangeblieben und haben sich aufs Wesentliche konzentriert. Sie haben sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Das zeugt von Professionalität.

Stimmt Sie das traurig oder ist das halt einfach so, dass man nicht nur mit spielerischen Mitteln, sondern auch mit Hinterhältigkeit ein Spiel zu gewinnen versucht?
Auf jedem Trikot ist am Ärmel ein grosser gelber Kleber. Auf dem steht: "Wir wollen fairen Sport." Nun steht aber soviel auf dem Spiel, und auf Biegen und Brechen muss ein Sieg her. Da kann so ein Spruch zur Farce werden.

Eine Frage ist auch, ob der Trainer die Anweisung zu einem Spiel mit härteren Bandagen gegeben hat oder ob unter dem enormen Druck einfach die Persönlichkeit eines Spielers zum Vorschein kommt. Manchmal kommt dabei einfach das Wesen hervor, das dann keine Deutung mehr braucht. Handkehrum gibt es in der Hitze des Gefechts auch schon mal eine unkontrollierte Bewegung.

Das Eröffnungsspiel könnte man mit einem Vers aus den Sprüchen der Bibel titulieren: "Hochmut kommt vor dem Fall". In Portugal sprach man von Spanien und Russland. Griechenland, dem vierten Gruppengegner, traute man wenig zu.
Das ist vielleicht eine Interpretation. Wir können nicht in die Herzen der Spieler schauen. In ihrem Heimatland wurde soviel in sie investiert und von ihnen erwartet. Für Team und Spieler ist der Druck noch grösser als sonst schon. Nicht jeder Druck von aussen ist leistungsfördernd. Anders kann ich die Situation nicht beurteilen.

Sie sagen davon, das Leben auf dem Fussballplatz habe viele Parallelen zum Alltag hat. Johann Vogel zum Beispiel hörte den Schiedsrichterpfiff, glaubte sich gefoult und spielte den Ball sofort zu Alex Frei. Der Pfiff war aber gegen ihn, und wegen Ball-Wegschlagens erhielt er die zweite gelbe Karte und musste vom Platz. Ähnliches passiert im Leben: Gerade noch steht man mitten drin, und mit einem Mal steht man plötzlich draussen ...
Johann Vogel baute auf einen Irrtum auf. Er lebte in einer Annahme. "Jetzt habe ich einen Vorteil, den ich ausnützen kann." Es gibt im Alltag Situationen, von denen ich annehme, dass sie so sind, wie ich sie beurteile. In Wirklichkeit sind sie aber ganz anders. Viele Menschen haben zum Beispiel eine Vorstellung von Gott, die ihm aber gar nicht entspricht. Sie geben im Leben ihr Bestes, erleben aber das Gegenteil und erreichen ihr Ziel nicht. Darum ist es wichtig, Gott so zu kennen wie er ist. Damit man nicht einfach aus einer Ahnung heraus lebt.

Ich glaube, viele haben ein falsches Gottesbild. Man kann zum Beispiel sehr viel über den Nationaltrainer Köbi Kuhn lesen, alle seine Spiele und Interviews sehen und hören. Dann begegnet man ihm auf der Strasse und sagt: "Hoi, ich kenne dich." Er wird sagen: "Ich kenne dich nicht." Viele glauben, sie kennen Gott und wissen wie er ist. Aber das kann man nur, wenn man weiss, wie er wirklich ist. Und das geht nur durch eine persönliche Beziehung zu ihm, wie wir sie aus der Bibel lernen können.

Datum: 15.06.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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