Ein italienischer Fussballstar erzählt von seinem Glauben

Damiano Tommasi im Nationaldress.
Damanio Tommasi
Damiano Tommasi in Aktion.

Team-Chef Rudi-Völler sprach öffentlich ein EM-Stossgebets aus: „Lieber Gott, mach, dass andere Mannschaften noch schlechter sind als wir...“ Der italienischen Fussballstar Damiano Tommasi hält nicht viel solche Aussagen. Tommasi, Mittelfeldspieler der Fussballmannschaft „Roma“, ist ein überzeugter Christ.

Dank seiner moralischen Einstellung und seines grossen sozialen Engagements wird Damiano Tommasi „die reine Seele“ von „Roma“ genannt. Im Jahre 2000 wurde ihm der „silberne Ball“ verliehen, womit sein korrektes Verhalten beim Fussballsport geehrt wurde.

Marie Czernin: Waren Sie immer gläubig oder gab es einen besonderen Moment in Ihrem Leben, durch den sie Ihr Verhalten verändert haben?
Nein, sowohl in dem Ort, in dem ich geboren bin als auch in meiner Familie wird der Glaube sehr ernst genommen. Ich bin daher in einer „fruchtbaren“ Umgebung aufgewachsen. Doch am meisten hat mich die Art und Weise, wie meine Eltern den Glauben leben, positiv beeinflusst und mich dazu ermutigt, an Gott zu glauben.


Hatten Sie nie eine Rebellionsphase oder einen Moment der Ablehnung Gottes?

Absolut nicht, ganz im Gegenteil: der Glaube ist für mich immer eine Hilfe gewesen in besonderen Momenten meines Lebens, von der Hochzeit bis zur Geburt meiner Kinder, aber auch schon, bevor ich mich von meinen Eltern gelöst hatte, spielte der Glaube eine Rolle, vor allem in der Beziehung zu meinen Geschwistern. Wir sind vier Brüder und eine Schwester!

Seit acht Jahren bin ich verheiratet, und ich habe drei Kinder. Die Älteste wird im September sieben Jahre alt, die andere ist fünf und die Kleine ist letztes Jahr geboren. Wir leben hier in Rom nur während meiner Arbeitsperiode, aber dann werden wir wieder in meine Geburtsstadt Verona zurückkehren.

Wie kann man den Glauben im Umfeld des Fussballs leben?
Es hängt davon ab, was man darunter versteht. Um leben zu können, muss man atmen können. Dasselbe gilt auch auf spirituellem Niveau. Um den Glauben zu stärken, muss man weit hinaus über das Umfeld, in dem man lebt und arbeitet, glauben.

Wenn einer den Glauben zu seiner Lebensgrundlage macht, dann gibt es kein Arbeitsumfeld oder keine Situation, die verhindern kann, diesen Glauben zu vertiefen, ganz im Gegenteil. Vielleicht hat man die Vorstellung, dass das Fussball-Umfeld dem Glauben gegenüber feindlich eingestellt ist, oder zumindest dem Glauben keinen Platz lässt, aber das ist nicht wahr.

Der Glaube ist eine Kraft, die es Dir erlaubt, dich selbst wiederzufinden in schwierigen Momenten des Lebens, wenn die Menschen in dir nur eine öffentliche Persönlichkeit sehen, ein Mensch, der am Fussballfeld herum laufen muss oder auch ein Schauspieler.

Erlaubt Ihnen also der Glaube, Ihr öffentliches Leben etwas in Gleichgewicht zu bringen?
Der Glaube wird zu einem Zufluchtsort und zu einer Energiereserve. Wer darüber verfügt, befindet sich im Vorteil, vor allem, da in einem gewissen Moment des Lebens der Erfolg und die Popularität abnehmen und dann ganz zu Ende sind.

Es scheint absurd, aber der Erfolg wird nur für die anderen wichtig. Die Leute erinnern sich vielleicht jahrelang an einen Champion, aber ein Champion hat seine Karriere in einer kurzen Zeit beendet.

Der Erfolg ist zwar für die Fussballfans wichtig, aber für einen Fussballer dauert er nur wenige Jahre. Danach muss man wieder sein eigenes Leben in die Hand nehmen. Und dies kann besser erfolgen, wenn man sich auf den Glauben stützen kann, sowohl in den Momenten des Erfolgs als auch in den schweren Momenten des Alltags, die es ja im Leben aller Menschen gibt. Aber gerade auch in den Augenblicken des Erfolgs muss man die Füsse am Boden behalten.

Schaffen Sie es, ruhige und intime Augenblicke mit Gott zu finden, oder erlaubt Ihr öffentliches Leben Ihnen dies nicht?
Nein, die Zeit zum Beten findet man. Wir haben zwar viel zu tun, immer sind wir in Eile, aber die Zeit findet man, vor allem, wenn man davon ausgeht, dass man den Glauben als Fundament seiner eigenen Existenz, der Art und Weise zu denken und zu handeln, betrachtet. Dann muss man von dieser Grundlage ausgehen.

Giovanni Trappatoni, der Trainer der italienischen Nationalmannschaft, hat angeblich während den letzten Fussball-Weltmeisterschaften vor dem Spiel Weihwasser auf das Feld gegossen. Es gab einige kritische Äusserungen gegenüber dieser Geste, auch von Seiten der Kirche, denn diese Geste schien mehr der Ausdruck eines magischen Kults zu sein als ein Glaubensakt. Besteht nicht die Gefahr, den Glauben für den Erfolg zu instrumentalisieren? Kann Gott überhaupt den Erfolg garantieren?
Ich glaube, dass wir durchaus in die Gefahr geraten, solche magischen Riten zu vollziehen, aber am Ende hängt es immer davon ab, was für ein persönliches Verhältnis man mit Gott hat. Man muss diese Beziehung jeden Tag pflegen, wie es auch notwendig ist, die Zeit für das Gebet zu finden. Ausschlaggebend ist dabei, dass man während der anderen Stunden des Tages dieses Bedürfnis verspürt.


Es ist bekannt, dass Sie in viele soziale Aktivitäten involviert sind. Welche Benefiz-Projekte unterstützen Sie zur Zeit?

Ich versuche, denen zu helfen, die weniger Möglichkeiten haben als ich. Ich versuche, die Möglichkeiten meiner Arbeit auszunützen, ich versuche vor allem, den Jugendlichen eine positive Botschaft zu vermitteln, da wir ja vor allem von ihnen viel Aufmerksamkeit bekommen.

Meine Frau und ich begleiten zum Beispiel aus der Nähe ein „Familien-Haus“ hier in Rom, das junge, alleinstehende Mütter mit ihren Kindern aufnimmt. Wir unterstützen Schwester Paola, die sich um dieses Haus kümmert. Im Konkreten helfen wir, dass diese Mütter und ihre Kinder untergebracht werden, indem wir ihnen Kleider, Essen und eine Unterkunft finden.

Aber Schwester Paola ist doch ein Fan der Konkurrenz-Fussballmannschaft „Lazio“ oder?
Ja, aber trotzdem sind wir mit Ihr im Kontakt. Neben ihrer Aktivität als Grundschullehrerin gibt sie auch Nachhilfekurse in einem armen Stadtviertel von Rom. Schon seit einigen Jahren hat sie es geschafft, dieses „Familien-Haus“ für junge, alleinstehende Mütter aufzubauen. Das Haus, das sie leitet, heisst „Villaggio So-Spe“ („Dorf der Solidarität und der Hoffnung“).

Dann gibt es noch die vielen anderen Initiativen, die wir mit allen Fussballspielern weiterführen, wie unter anderem ein Projekt, mit dem wir alten Menschen hier in Italien helfen. Wir haben eine CD mit unseren Liedern gebrannt, jede Mannschaft singt darin ein Lied. Der Ertrag wird dann an die vielen Hilfsprojekte für alte Menschen in den verschiedenen Städten gegeben. Es handelt sich um eine Initiative des italienischen Fussball-Vereins „Associazione Calciatori“.

Vor einiger Zeit hat die Mannschaft der „Roma“ Geld gesammelt, damit mit diesem Geld ein Sportfeld für eine Schule in der südlichen Provinz des Kosovo gebaut werden kann. Das war gleich nach dem Krieg.

Wir unterstützen auch den Verein für Knochenmark-Spenden. Es dreht sich darum, diese Initiative in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Wenn wir dies als Fussballer tun, dann schaffen wir es vielleicht, andere zu überzeugen, auch Knochenmark zu spenden.

Wie denken Sie über das Doping-Problem?
Leider gibt es dieses Problem nicht nur im Umfeld des Fussballsports sondern auch in allen anderen Sportdisziplinen. Man will damit die eigenen Grenzen überschreiten, indem man bereit ist, jedes mögliche Mittel anzuwenden.

Diese Realität lässt sich nur schwer besiegen, wenn man nicht auf kulturellem Niveau beginnt, denn auf dem Niveau der Kontrolle kann man es nur schwer bekämpfen. Diejenigen, die es verwenden, kennen die Wege, die Substanzen zu erhalten, ohne dass etwas durchsickert.

Doping ist illegal, aber es gibt einige, die es unter einer strikten medizinischen Aufsicht legalisieren wollen. Man denkt nicht daran, dass die Doping-Substanzen sehr schlecht für die Gesundheit sind. Es wäre daher kontraproduktiv, Substanzen zu legalisieren, die dem Körper schaden. Man muss das Doping weiterhin bekämpfen, auch wenn wir wissen, dass es immer jemanden geben wird, der die Regel nicht einhält.

Autorin: Marie Czernin

Datum: 12.06.2004
Quelle: Zenit

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