Mentale Wettkampfvorbereitung

Mentales Training ist eine bewährte Trainingsform
ment

"Ich war mental gut drauf" - das antworten manchmal sportliche Siegertypen, wenn sie nach einem gewonnenen Wettkampf von Journalisten nach dem Grund ihres Erfolges gefragt werden.

"Wenn du dich nicht 100 %ig auf den Wettkampf konzentrierst, dann hast du keine Chance" - so Mark Warnecke.

Was ist mentales Training?

Mentale Wettkampfvorbereitung setzt jedoch mentales Training voraus.
Reiner Kemmler bezeichnet mentales Training als 'intensive Vorstellung eines Bewegungsablaufes ohne tatsächliches Üben'. Man geht also beim mentalen Training davon aus, dass Vorstellungen unser alltägliches Handeln bewusst oder unbewusst beeinflussen, die in unterschiedlichen Formen auftreten können: Sprachlich, akustisch, bildhaft oder kinästhetisch, also auf die Wahrnehmung der Bewegung bezogen. Es werden also beim mentalen Training Vorstellungen regelmäßig, gezielt und kontrolliert eingesetzt, um Bewegungsabläufe zu erlernen, aufrecht zu erhalten und zu verbessern.

Bewährte Trainingsformen

Aus der Vielzahl der Möglichkeiten, mental zu trainieren, bieten sich im Blick auf diese Definition nach Hermann und Eberspächer die folgenden drei Trainingsformen als besonders bewährt an:

Mental-sprachliches Training: In dieser Form wird die Vorstellung dadurch aufgebaut und verbessert, dass der entsprechende Bewegungsablauf per Selbstgespräch vergegenwärtigt wird.

Mentales Training aus der Beobachterperspektive: Beim mentalen Training aus der Beobachterperspektive betrachtet man vor seinem geistigen Auge wie ein Außenstehender einen Film über den eigenen Bewegungsablauf. Dieses Training ist am ehesten mit dem Beobachten einer Videoaufzeichnung zu vergleichen - dabei besteht lediglich der Unterschied, dass das Video als innerer Film im Kopf abläuft.

Mentales Training aus der Innenperspektive: In dieser Form des mentalen Trainings ruft man sich die Innenperspektive einer Bewegung ins Bewusstsein. Ziel ist es, sich intensiv in die Bewegungsvorstellung hineinzuversetzen und die inneren Prozesse, die für eine möglichst optimale Ausführung der Bewegung notwendig sind, nachzuempfinden (z. B. der Kanteneinsatz beim Skifahren, das Anfassen des Gegners im Kampfsport, das Gefühl der Schwere der Kugel beim Kugelstoßen).'

Bei der Erklärung der physiologischen Grundlagen für das mentale Training spielt vor allem der sog. Carpenter-Effekt eine bedeutende Rolle: Durch die intensive Vorstellung von Bewegungsabläufen kommt es zu einer zentralen Erregung des motorischen Feldes in der Gehirnrinde und dadurch zu Mikrokontraktionen der Muskeln.

Es kommt also schon bei der Vorstellung von Bewegungen zu einer Intensivierung des Gasstoffwechsels, Beschleunigung von Atem- und Herzfrequenz, Erhöhung des Blutdrucks, gesteigerter Empfindlichkeit des peripheren Sehens sowie verstärkter Erregbarkeit der peripheren Nerven.

Wegen der hohen Anforderungen an Konzentration und Vorstellungsvermögen ist das mentale Training überaus ermüdend und sollte deswegen nur zwei bis drei Minuten dauern. Es kann jedoch täglich mehrmals wiederholt werden, wobei man sich vor allem auf schwierige Bewegungsabschnitte konzentrieren sollte.

Die Vorteile des mentalen Trainings

hat Jürgen Weineck wie folgt zusammengefasst:
'MT verkürzt die Lernzeiten für die Aneignung von sportlichen Techniken.
Die gedankliche Übung eines Bewegungsablaufes erhöht die Stabilität einer Bewegungsfertigkeit.
MT erhöht die Präzision und damit auch die Ausführungsgeschwindigkeit einer Bewegung.
MT erlaubt relativ hohe Wiederholungsfrequenzen pro Zeiteinheit und wirkt damit energiesparend.
MT bietet in Sportarten mit intensivem bzw. quantitativ umfassendem Trainingsaufwand eine Möglichkeit der Ökonomisierung.
Die Anwendung des MT hat sich besonders in Verletzungspausen zur Erhaltung der Bewegungsvorstellung bzw. zur Minderung atrophischer Prozesse bewährt.
MT kann zur Simulierung von Vorstart- und Wettkampfsituationen verwendet werden: Der Athlet geht dadurch unbelasteter an den Wettkampf heran, da er den Ablauf bereits vorher einige Male vorstellungsmäßig abrollen ließ.
MT läßt sich beim Aufwärmen ergänzend verwenden und verkürzt dadurch die Aufwärmzeiten (Energieersparnis).
MT erweist sich als günstig bei Sportarten mit beschränkter Trainingszeit (Hallen-, Anlagenbelegung).
MT erlaubt 'geistige' Zeitlupenstudien und ermöglicht damit insbesondere bei technisch schwierigen Bewegungsabläufen eine Verbesserung der Bewegungsvorstellung.
MT ist günstig bei verletzungsgefährlichen Sportarten anzuwenden.
MT verringert bei Sportarten mit erhöhter Verletzungsgefahr die Angst, da durch die intensive Bewegungsvorstellung nicht sicher erfasste Bewegungselemente erkannt und damit besser realisierbar werden.
MT ist gut für die Korrektur fehlerhaft erlernter Bewegungstechniken, da über die wiederholte Bewegungsvorstellung alte Bewegungsschemata aufgelockert und andere neu programmiert werden können.'

Natürlich gibt es auch für das mentale Training Grenzen.
Die Effizienz des mentalen Trainings hängt in einem hohen Maß von der Bewegungserfahrung und einem gut entwickelten Wissen über Bewegung ab. Deswegen ist es kaum vor dem 12. Lebensjahr zu empfehlen.
Mentales Training sollte sich auf Disziplinen mit hohen technischen Anforderungen beschränken; es ist daher für extreme Ausdauersportarten weniger effektiv.

Wie beim sportlichen Training hängt der Erfolg des mentalen Trainings vom regelmäßigen, konsequenten und konzentrierten Trainieren ab.

Individuelle Unterschiede

Dann wird auch jeder herausfinden, ab welchem Zeitpunkt vor dem Wettkampf man mit dem mentalen Training beginnen und auch spätestens enden sollte. Hier gibt es große individuelle Unterschiede und Besonderheiten zwischen den Sportlern und auch zwischen den Sportarten.

Es wäre für die Leistung äußerst gefährlich, wenn bei einer absoluten Kurzzeitsportart, wie ein Sprint, wo bereits auf den Startschuss in kürzester Zeit reagiert werden muss, womöglich noch ein mentales Training anberaumt wird.

Dagegen ist es ohne weiteres möglich, dass unmittelbar vor alpinen Skirennen, vor Skispringen, Akrobatik, Weit-, Hoch-, Stabhoch- und Kunstsprüngen, Bogenschießen und auch Turndisziplinen eine Sequenz mentalen Trainings integriert wird. Sie muss jedoch so frühzeitig beendet sein, dass der Kopf wieder total frei geworden ist.

Bei Motorsportarten mit Rundkursen spielt beim mentalen Training vor allem der Streckenverlauf die wichtigste Rolle; er muss wie im Schlaf sitzen, wenn er in jedem Abschnitt in der möglichen Höchstgeschwindigkeit durchfahren werden soll.

Für jede/n hilfreich

Mentales Training - auch zur Wettkampfvorbereitung - ist heute Teil eines wissenschaftlich gesicherten psychologischen Wettkampftrainings, welches zur Perfektionierung und Steigerung sportlicher Leistungen beitragen kann. Mentales Training hat nichts mit abergläubischen oder gar okkulten Praktiken zu tun und kann daher auch für christliche Sportler einen unproblematischen und akzeptierten trainings- und wettkampfbegleitenden Platz einnehmen.

Datum: 27.03.2002
Autor: Bruno Blum
Quelle: SRS online

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