Gott spricht zu uns – zu unterschiedlichen
Zeiten benutzt er dazu unterschiedliche Wege. Das ist die Erfahrung vieler
Christen. Andere würden sich wünschen, Gott endlich einmal zu
hören. Ein Ansatz des verstorbenen Autors Henri Nouwen kann hier helfen.
Wer hat noch nicht auf die klare
Stimme Gottes gewartet, die unmissverständlich ins eigene Leben hineinspricht?
Einige wenige berichten, dass sie so etwas erleben – die meisten vernehmen Gott
auf andere Art.
Henri Nouwen (Bild: Wikipedia)
Der niederländische Priester und Psychologe Henri Nouwen
(1932-96) beschäftigte sich viel mit dem Thema Gebet. Für ihn war es ein
Prozess der Unterscheidung, Gott zu hören, «eine regelmässige Übung, auf die
sanfte, leise Stimme unter dem Rauschen des Wirbelsturms zu hören, eine
Gebetspraxis, die kleine Zeichen des alltäglichen Lebens» deutet. Das Charmante
an seinen Erfahrungen ist, dass sie Raum im normalen Alltag haben. Fünf Wege,
Gott zu hören, stellt er in seinem Buch «Discernment» (Unterscheidung)
besonders heraus:
1. Beten und nachdenken
Nouwen lädt uns dazu ein, täglich
zu beten und still vor Gott zu werden. Dabei favorisiert er weder eine
besondere Form noch einen bestimmten Inhalt oder eine Zeit. Es geht ihm einfach
darum, uns darauf einzustellen, dass Gott da ist, denn «die interessantesten
Dinge im Leben bleiben unseren normalen Sinnen oft verborgen, sie werden erst
durch unsere geistliche Wahrnehmung sichtbar». Das Gebet bringt sie an die
Oberfläche, und dann können wir darüber nachdenken.
2. Das «Buch der Natur» lesen
«Gottes erste Sprache ist die
Natur», behauptet Nouwen. Deshalb sind Menschen gerne draussen und kommen zum
Beispiel im Wald zur Ruhe. Bei einem langen Spaziergang können wir einen
Schritt weiter gehen und uns bewusst machen, dass die Eindrücke von «Frieden,
Ausgeglichenheit, Harmonie, Ruhe, Leben und Tod, Kommen und Gehen»
Anknüpfungspunkte für Gottes Reden sind. Wenn wir uns in der Natur aufhalten, werden
wir dadurch in einen geistigen Raum versetzt, in dem Gott leichter wahrnehmbar
ist.
3. Auf Menschen in unserem Leben
achten
Manche machen sich auf den Weg zu
besonders «gesalbten» Gläubigen, wenn sie Menschen suchen, die in ihr Leben
hineinsprechen können. Nouwen betont, dass Gott vor allem durch solche Menschen
redet, zu denen wir bereits eine enge Beziehung haben: Familienmitglieder oder
Freunde. Solche Leute sind «menschliche Übermittler von Gottes Gegenwart und
Führung» und «lebendige Wegweiser, die den Weg nach Hause, zu einer Berufung
oder auch in eine ganz neue Richtung zeigen können». Wenn wir auf die Menschen
achten, die Gott uns an die Seite stellt, erkennen wir so leichter Gottes
Richtung fürs eigene Leben.
4. Den Tag auswerten
Eine weitere Möglichkeit, Gottes
Stimme zu hören, ist der Rückblick auf unseren (All-)Tag. Jeder Tag ist gefüllt
mit Aktionen und Begegnungen, Erfahrungen und Erlebnissen. Nouwen unterstreicht
die Wichtigkeit, sie als «Wegweiser» und «ständige Chancen zur Veränderung
unserer Herzen» wahrzunehmen. Auch durch sie erfahren wir Orientierung. «Was
auch immer geschieht – gute Dinge oder schlechte, angenehme oder problematische
–, fragen Sie: 'Was könnte Gott damit bezwecken?'»
5. Die eigenen Interessen ernst
nehmen
Zu bestimmten Zeiten haben wir
bestimmte Vorlieben – wie Heisshunger auf Erdnussbutter. Genauso lesen wir
plötzlich ein Buch, das uns jahrelang nicht interessiert hat, oder hören Musik,
die wir schon lange nicht mehr gehört haben. Könnte Gott dadurch reden? Also
durch Inhalte, nicht durch Erdnussbutter. Nouwen denkt es jedenfalls. Für ihn
sind gerade gute Bücher «Mittel göttlicher Kommunikation», indem sie unsere
Situation mit Gottes Gedanken verbinden.
Auch ich gehe gerne in die Natur, um Stille vor Gott zu finden. Aber ich hätte mir gewünscht, dass Henri Nouwen nicht die Natur als "Gottes erste Sprache" bezeichnet, sondern Gottes Sprachrohr Nr. 1, die Bibel. Wer die Stimme Gottes hören will, kommt nicht um die Bibel herum. Ohne diese gehen wir geistlich gesehen, leicht in die Irre. Aber mit ihr zeigt uns Gott immer wieder den richtigen Weg. Wer Erfahrungen mit Gott machen will, sollte die Bibel lesen.
Wenn ich sie lese, merke ich: Das ist kein gewöhnliches Buch, sondern dahinter steht der lebendige Gott.
Andreas Walter
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