Hauptbahnhof Zürich

"Die Bahnhofkirche ist nicht mehr wegzudenken“

Oase der Stille im Kontrast zum hektischen Bahnhof.
Roman Angst und Toni Zimmermann, die beiden Seelsorger der Bahnhofkirche.
Ein Pause der Besinnung: Aufmerksame Zuhörer im Bahnhofkirchenraum.

Zürich. Der Kirche im Hauptbahnhof Zürich ist ein grosser Erfolg beschieden. Vergangenes Jahren nutzten rund 150.000 Personen das kirchliche Angebot. Ein Jahr zuvor waren es 100.000 Besucher. Auch die Anzahl der persönlichen Gespräche nimmt zu, heisst es im Jahresbericht der Bahnhofkirche. Diese wird gemeinsam von der reformierten und der römisch- katholischen Kirche im Kanton Zürich sowie deren Stadtverbänden getragen.

Pro Tag besuchen gemäss Jahresbericht etwa 400 Menschen die Bahnhofkirche. Die Zahl der Personen, mit denen persönliche Gespräche geführt wurden, verdoppelte sich innert Jahresfrist von 553 auf 1070.

Das Rezept der anonymen Passantenkirche habe sich bewährt, schreiben die Verantwortlichen. Sechs Personen stehen für die Seelsorge bereit, rund zwei Dutzend Personen stellen sich als Freiwillige für den Empfang und für die Betreuung der Räumlichkeiten zur Verfügung. Die Kirche ist das ganze Jahr über offen.

Kontrast zum hektischen Bahnhof

Die Bahnhofkirche werde im Kontrast zum hektischen Bahnhof als wohltuend und als Ort der Kraft erlebt, heisst es von Seiten der Betreiber. Nicht selten komme es vor, dass Menschen verschiedener Religionen gleichzeitig in der Kapelle versammelt seien. Alle Altersgruppen seien vertreten, am stärksten das mittlere Alter zwischen 30 und 60 Jahren. Der Anteil der Männer mache dabei fast 40 Prozent aus.

Viele Menschen suchten das Gespräch. Nicht selten endeten diese mit der Bitte nach einem persönlichen Gebet oder Segen. In einem Teil der Gespräche komme es zu einer Vermittlung an eine weiterführende Beratungsstelle. In Notfällen begleiten Freiwillige die Hilfesuchenden zu einer kontaktierten Stelle wie zum Beispiel zum Frauenhaus.

Die Bahnhofkirche ist nicht mehr aus dem Hauptbahnhof Zürich wegzudenken! Damit sei es gelungen, einen Ort zu schaffen, an dem sich Pendler, Passanten und Reisende willkommen, angenommen und verstanden fühlten. Das Angebot eines persönlichen Gesprächs seelsorgerlich sei in der Hektik des Hauptbahnhofes präsent und spürbar.

Sie ist werktags von 7 bis 19 Uhr, an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Ein Seelsorger, eine Seelsorgerin ist jederzeit bereit für ein persönliches Gespräch. Freiwillige hüten den Empfang, füllen Kerzen nach, schauen, dass die Kapelle zum Verweilen einlädt, geben Auskünfte und helfen mit, dass Menschen den Weg zu einem persönlichen Gespräch finden.

Von Montag bis Freitag halten die Seelsorgerinnen und Seelsorger um 7, 7.30, 8 und 8.30 Uhr ein Weg-Wort. Dieses Weg-Wort liegt den ganzen Tag über auch schriftlich zum Mitnehmen auf. Von 9 Uhr an projizieren Freiwillige dieses Weg-Wort als stille Besinnung stündlich an eine Wand in der Kapelle. In der einen oder anderen Form hören oder lesen durchschnittlich 800 Personen pro Tag dieses Weg-Wort. Eine Viertelstunde vor Schluss wird ein liturgisches Abendgebet in der Kapelle gefeiert.

365 Tage im Jahr geöffnet

Obwohl die Weg-Worte und das Abendgebet als klar erkennbare christliche gottesdienstliche Feiern gestaltet sind, sei die Kapelle ein Ort der interreligiösen Gastfreundschaft. Sie stehe allen Menschen offen. Die Bahnhofkirche ist 365 Tage im Jahr geöffnet. Damit das möglich ist, sind je ein Seelsorger der ev.-ref. und der röm.-kath. Kirche vollzeitlich angestellt. Für deren Ferienvertretung arbeiten drei Seelsorgerinnen aus der röm.-kath. und ein Seelsorger aus der ev.-ref. Kirche im Stundenlohn. Den Empfang betreuen etwa 22 freiwillige Frauen und Männer je dreieinhalb Stunden pro Woche.

Herausfordernde Seelsorge

Ohne Anmeldung, unentgeltlich und anonym kommen Menschen in die Bahnhofkirche zu den Seelsorgerinnen und Seelsorgern für ein persönliches Gespräch. Es sind vor allem Pendler und Menschen, denen auf dem Weg sich etwas in den Vordergrund drängt, das sie jetzt und sofort mit jemandem besprechen möchten. Sie sind von etwas persönlich betroffen oder haben etwas erlebt. Es ist für sie wichtig, dass ihre Gesprächspartner in der Bahnhofkirche Seelsorgerinnen und Seelsorger sind. Das unterstreichen gleichermassen solche, die in einer Kirchgemeinde aktiv sind, wie solche, die schon lange nichts mehr mit der Kirche zu tun haben oder keiner oder einer anderen Religion angehören. So suchen 3 bis 5 Menschen am Tag ein persönliches Gespräch, das 45 Minuten bis anderthalb Stunden dauern kann.

Spirituelle Präsenz

In der heutigen, oft oberflächlichen und verunsichernden gesellschaftlichen Situation werde die tiefe Sehnsucht der Menschen nach der spirituellen Dimension des Lebens wieder deutlicher vernehm- und spürbar. Diesem vermehrten Bedürfnis nach Spiritualität im Lebensalltag werde geschätzt. Die Bahnhofkirche spreche zu einem grossen Teil auch Menschen an, die sich sonst von den Kirchen nicht angesprochen fühlten. Sie sei deshalb ein Versprechen für die Zukunft der Kirchen.

Quellen: Kipa/Bahnhofkirche/Livenet

Datum: 15.04.2003

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