Jean Ziegler

«Ich glaube an Gott, ganz sicher!»

Der streitbare Genfer Soziologieprofessor und Alt Nationalrat Jean Ziegler feiert seinen 80. Geburtstag. In einem Interview kommen weniger bekannte Facetten seines Lebens zum Vorschein.
Jean Ziegler

«Seit ich dreissig bin, ist für mich jeder Tag ein reines Wunder», bekennt der Kämpfer gegen Ungerechtigkeit und Hunger in der Welt im Interview mit der Zeitschrift «Doppelpunkt». Und: «Diese mysteriöse Präsenz der Wunder und der Vorsehung überwältigt mich, obschon ich Marxist bin ...». Der Autor und Politiker, für den jedes verhungerte Kind eine Katastrophe bedeutet, outet sich auch als einer, dem Gott mehr als nur ein Code ist: «Ich glaube an eine Vorsehung, an Gott, ganz sicher! ...Man erlebt so viel Liebe im Leben, man spürt Liebe, die jenseits jeder Vernunft ist.»

Kritiker der Konzerne...

Ja, er glaube an die Vorsehung, beteuert der ehemalige UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, der heute auch im Konsultativausschuss des Menschenrechtsrates der UNO sitzt. Er hat sich in Wort und Schrift einen Namen als unerbittlicher Kritiker der globalen Konzerne gemacht und auch die Rolle der Schweiz dabei heftig angeprangert. Neun Prozesse als Folge seiner Publikationen haben ihn finanziell ruiniert. Aber er gibt auch mit 80 nicht auf. Denn er sieht es nach wie vor als Pflicht, als ein Privilegierter für die Rechte der Entrechteten zu kämpfen.

...unter dem Schutz des Höchsten

Als Beleg dafür, dass sein Leben unter der Vorsehung Gottes steht, gelten ihm zwei Erlebnisse. Ziegler: «Im Befreiungskampf von Guinea-Bissau war ich in Ziguinchor in Südsenegal. Da bin ich mit Partisanen in Richtung der ersten portugiesischen Festung Säo Domingo durch den Wald gegangen. Der Guerillero, der vor mir hergegangen ist, ist auf eine Mine getreten. Ich wurde verschont. Im eritreischen Befreiungskampf sind wir im Unterstand gewesen, weil wir bombardiert wurden. Wir mussten immer wieder rausgehen, um atmen zu können. Es war furchtbar primitiv und staubig. Derjenige, der neben mir auf dem Schragen lag, ist hinausgegangen und sofort getötet worden, drei Minuten nachdem ich wieder hereingekommen war. Wieder hatte ich Glück. Das muss doch so etwas wie Vorsehung sein!» – und dann setzt er ganz salopp nach: «Und das gibt mir Kraft, Gopferdeckel!»

Datum: 13.04.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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