Leben am Abgrund

Jürgen Werths fiktiver Briefwechsel mit Dietrich Bonhoeffer

Die Gefängnisbriefe von Dietrich Bonhoeffer haben den Autor, Liedermacher und ehemaligen ERF-Leiter Jürgen Werth so direkt angesprochen, dass er sich entschloss, dem NS-Märtyrer darauf zu antworten. Es entstand ein Büchlein, das die Tiefen der christlichen Existenz auslotet.
Jürgen Werth (Bild: Gütersloher Verlagshaus / Lea Weidenberg)
Cover «Lieber Dietrich ... Dein Jürgen» (Quelle: Gütersloher Verlagshaus)

Jürgen Werth hat Briefe Bonhoeffers an seine Eltern und an seinen Freund Eberhard Bethge ausgewählt. In seinen Briefen an die Eltern spürt man die Sorge Bonhoeffers heraus, sie nicht zu belasten oder zu beunruhigen. Er hebt vor allem die positiven Seiten der erzwungenen Isolation hervor und die Gotteserfahrungen, die er dabei macht. Gegenüber Eberhard Bethge ist er offener und schildert auch die Krisenmomente und Ängste, die er in der Zelle erlebt – immer in der Ungewissheit, ob er wieder frei kommt.

Der erste im 191 Seiten starken Buch abgedruckte Brief an die Eltern schliesst mit den ermutigenden Worten: «Hier im Gefängnishof singt morgens und auch jetzt abends eine Singdrossel ganz wunderbar. Man wird für Geringes dankbar, auch das ist wohl ein Gewinn! Lebt wohl!

Wissen, wie man lebt am Abgrund

Jürgen Wert beginnt seine Antwort mit den Worten: «Das ist das Ende, wirst du in zwei Jahren sagen. Hier nimmt es seinen Anfang. Was du ahnst, aber nicht weisst. Ich weiss. Wir wissen. Wir, die wir über 70 Jahre später leben. Ich, der ich beschlossen habe, dich durch deine letzten Jahre zu begleiten. Oder besser: mich begleiten zu lassen von deinen Erkenntnissen und Erfahrungen in dieser besonderen Lebenslage. Weil ich lernen möchte, wie man lebt, wie man überlebt am Abgrund.»

Ein besonderes Andachtsbuch

Die Leserin und der Leser profitieren sowohl von den Briefen wie auch von den reflektierten Antworten eines christlichen Denkers aus unserer Zeit. Es wäre aber eine Überforderung, das Buch in einem Zug zu lesen. Es eignet sich vielmehr als Andachtsbuch, indem man täglich einen Bonhoeffer-Brief und dazu die Antwort von Jürgen Werth liest. So hebt man die einmaligen Schätze in diesem Buch am besten.

Überliefert sind auch die letzten Tage Bonhoeffers, die sein Freund Eberhard Bethge recherchiert und zusammengefasst hat. Sie bilden den Abschluss des speziellen Büchleins und machen ebenso betroffen wie viele andere Abschnitte.

Weitere Angaben zum Buch sowie eine Leseprobe finden Sie hier.

Zum Thema:
Tagung in Basel: Bonhoeffers Freunde kennenlernen
Lebendige Gemeinschaft: Wie Bonhoeffer die Communität Don Camillo beeinflusst
Unbequemer Bonhoeffer: Gnade darf nicht billig sein

Datum: 20.07.2020
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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